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Karbon aus Holzresten statt Erdöl

Lignin lässt Pflanzen verholzen. Und ist ein Abfallprodukt der Papierindustrie. Ingenieure wollen daraus massenhaft Kohlefasern für Karbon-Leichtbauteile herstellen. Foto: Muhannad Al Aiti

Lignin lässt Pflanzen verholzen. Und ist ein Abfallprodukt der Papierindustrie. Ingenieure wollen daraus massenhaft Kohlefasern für Karbon-Leichtbauteile herstellen. Foto: Muhannad Al Aiti

Dresdner Polymer-Forscher Al Aiti für Kohlenstofffaser-Verfahren mit Röchling-Preis ausgezeichnet

Dresden, 6. November 2021. Der Polymerforscher Dr. Muhannad Al Aiti hat im Zuge seiner Dissertation in Dresden ein neues Verfahren entwickelt, um hochwertige Kohlenstoff-Fasern aus Lignin-Abfällen der Holzindustrie herzustellen (Oiger.de berichtete). Damit soll es möglich werden, hochbelastbares Karbon für Autobauteile und Windkrafträder in Zukunft auch aus Holzresten statt Erdöl herzustellen. Dafür hat der „Wissenschaftliche Arbeitskreis der Universitätsprofessoren der Kunststofftechnik“ (WAK) dem Wissenschaftler nun den Röchling-Preis verliehen. Das hat das das Leibniz-Institut für Polymerforschung (IPF) Dresden mitgeteilt. Dort sowie am Leichtbauinstitut ILK der TU Dresden hat der aus Syrien stammende Muhannad Al Aiti bei Prof. Gert Heinrich geforscht und promoviert.

Muhannad Al Aiti, Foto: privat, via IPF

Muhannad Al Aiti, Foto: privat, via IPF

„Ökologische und kostengünstige Technologiealternative

„Die Arbeit schafft ein grundlegendes Verständnis der Struktur und Morphologiebildung bei Kohlenstofffasern auf Basis von Lignin“, würdigt das Institut diese Arbeit. Es handele sich um eine herausragende Dissertation, die „zu einem Patent für eine hoch skalierbare Technologie zur nachhaltigen Herstellung solcher Fasern“ führe. „Eine ökologische, kostengünstige und massentaugliche Technologiealternative zur Herstellung von biobasierten Hochleistungskohlenstofffasern rückt durch die Arbeit von Muhannad Al-Aiti in greifbare Nähe.“

Bisher dominiert Erdöl aus Ausgangsstoff

Hintergrund: Unternehmen aus Automobilbau, Flugzeugindustrie, Maschinenbau und anderen Branchen setzen in wachsendem Maße das Leichtbaumaterial Karbon ein, das aus speziell ausgelegten und besonders hochwertigen Kohlenstofffasern besteht. Die wiederum gewinnt die Industrie heute meist aus Erdöl.

Trockenstrahl-Nassspinnen macht Lignin nutzbar

Al Aiti hat daher für seine Dissertation zunächst untersucht, was erdölbasierte Kohlenstofffasern eigentlich so besonders macht. Danach suchte er nach einem Verfahren, um Fasern mit vergleichbaren Eigenschaften aus Lignin gewinnen. Dabei handelt es sich um ein natürliches Stützmaterial in Bäumen und verholzten Gräsern, das in großen Mengen als Abfallprodukt der Holzindustrie verfügbar ist. Letztlich setzte Al Aiti auf das Trockenstrahl-Nassspinnen („dry-jet wet spinning“). Dabei wird eine Lösung aus Lignin und dem Polymerfasermaterial Polyacryonitril mit einem trockenen Luftstrahl durch einen Spalt in ein sogenanntes Koagulationsbad gedrückt. In diesem Bad fällen die Polymere aus und es entstehen aus den Einzelfasern lange Fasern (Filamente), die sich aufwickeln lassen. In den folgenden Prozessschritten lassen sich diese Filamente letztlich zu Carbon-Bauteilen weiterverarbeiten.

Karbon-Felgen aus Kesselsdorf. Foto: tkCC

Karbon-Felgen aus Kesselsdorf haben eine weltweite Zulassung bekommen. Foto: tkCC

Der nun dafür vergebene Preis ist mit 5000 Euro dotiert. Das Kunststoff-Unternehmen „Röchling“ aus Mannheim würdigt damit „herausragende Forschungsarbeiten zu neuen hybriden Werkstoffen, Systemen und Prozesstechniken auf Basis von Kunststoffen“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IPF DD, nal.res.in

Wissenschaftliche Publikation:

Al Aiti et al.: Dry-jet wet spinning of thermally stable lignin-textile grade polyacrylonitrile fibers regenerated from chloride-based ionic liquids compounds, Materials (Open Access) 13 (2020) 3687 DOI: https://doi.org/10.3390/ma13173687

Al Aiti et al.: On the morphology and structure formation of carbon fibers from polymer precursor systems, Progress in Materials Science, Volume 98, October 2018, Pages 477-551, DOI: https://doi.org/10.1016/j.pmatsci.2018.07.004

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt