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Dresdner Professoren wollen in Lausitz Tabak anbauen

Blühende Tabakpflanze. Foto: 3268zauber, Wikimedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bl%C3%BChende_Tabakpflanze.jpg, CC3-Lizenz, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Blühende Tabakpflanze. Foto: 3268zauber, Wikimedia, CC3-Lizenz

Genetisch veränderte Pflanzen sollen in Hallen und Gewächshäusern massenhaft Wirkstoffe gegen Krebs & Co. produzieren

Dresden, 29. August 2021. Dresdner Hochschul-Mediziner wollen in der Lausitz Tabak anbauen. Sie wollen das Kraut aber nicht rauchen und damit Lungenkrebs fördern, sondern daraus neue, ökologischer hergestellte Medikamente gegen Krebs, Herzprobleme, Stoffwechsel-Krankheiten und andere Altersleiden gewinnen. Dafür tun sie sich mit Ingenieure und Umweltforscherinnen aus der Region zusammen. Sie wollen damit auch die Abhängigkeit der europäischen Pharmaproduktion von Wirkstoff-Importen und tierischen Ausgangsstoffen mindern. Dies geht aus dem neuen „Jahresbericht 2020 – Neuland“ des Uniklinikums Dresden hervor.

El-Armouche fordert Wandel in Pharmaproduktion zu Öko-Technologien

„Es ist an der Zeit, den Wandel in der biopharmazeutischen Industrie zu nachhaltigen Produktionstechnologien voranzutreiben“, argumentiert Prof. Ali El-Armouche, der das „Integrative Zentrum für Pharmakologie und Toxikologie“ an der medizinischen Fakultät der TU Dresden leitet. „Für unser Biopharming-Projekt ist die von einem tiefen Strukturwandel geprägte Lausitz besonders gut geeignet.“ Denn dort komme Braunkohle-Ausstieg, ein eher dünnes Ärztenetz und eine überalternde Bevölkerung, die eben solche neue Medikamente brauche, zusammen. „Mit dieser Innovation des Biopharmings kann es Europa gelingen, sich von den aktuellen, globalisierungsbedingten Abhängigkeiten der Pharmabranche zu lösen und die Wirkstoffproduktion zurück auf den Kontinent zu holen“, meint Prof. El-Armouche. „Gleichzeitig lassen sich so neue, zukunftsfeste Arbeitsplätze in der Region schaffen.“

„Schwarze Pumpe“ bekommt eine Tabakhalle

Erste Bausteine für das Projekt sind bereits gelegt: „In einer unserer Hallen im Industriegebiet ,Schwarze Pumpe’ entsteht derzeit ein Gewächshaus zur klimaneutralen Produktion von biopharmazeutischen Grundstoffen“, berichtet Geschäftsführer Thorsten Nagel von der „Nagel Ingenieurbau GmbH Schwarze Pumpe“. „Mit diesem Projekt gehen wir in Vorleistung, weil wir davon überzeugt sind, dass der ,Circular Economy’ aus wirtschaftlicher wie wissenschaftlicher Sicht die Zukunft gehört.“

Projekt soll Tiere schonen und Europas Abhängigkeit von China und Indien mindern

Bisher werden viele Medikamente chemisch beziehungsweise aus Tieren gewonnen. Zudem findet ein Großteil längst nicht mehr in Deutschland, sondern in China, Indien und Italien statt. Diese Abhängigkeiten wollen die Projektpartner durch eine Kombination aus Gewächshaus-Pflanzen und Gentechnologie mindern. Dabei setzen sie auf die alte Kulturpflanze Tabak, mit der die Menschheit in vielerlei Hinsicht schon viele Erfahrungen gesammelt hat. Nach Überzeugung der Pharmakologen eignet sich die Tabakpflanze besonders gut als Quelle für Antikörper, Enzyme, Impfstoffe und Erbgut-Segmenten (Nukleotide). Dafür genüge allerdings nicht normaler Tabak, vielmehr bedürfe es „entsprechend modifizierter, transgener Pflanzen“. Sie wollen die universell einsetzbare Gen-Schere „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“ (CRISPR)“, kombiniert mit dem bakteriellen Viren-Abwehrenzym „Cas9“ einsetzen, um das Erbgut auf ihren Tabakplantagen im Gewächshaus für doe Wirkstoff-Produktion maßzuschneidern.

Kariesschutz und Grippeimpfung aus dem Tabak

Derartige Technologien, um aus Pflanzen spezielle Wirkstoffe für Hightech-Medikamente zu gewinnen („Biopharming“), wachsen derzeit weltweit aus dem Laborstadium heraus. In Kalifornien werde beispielsweise ein Antikariesmittel bereits mit gentechnisch veränderten Tabakpflanzen hergestellt. Auch an Saison-Grippeimpfstoffen aus Tabak arbeiten Wissenschaftler – dieses Projekt befindet sich aber noch in der Studienphase.

Am Lausitzer Biopharming wollen sich unter anderen das Uniklinikum und die die TU Dresden, außerdem die Nagel Ingenieurbau und die Hochschule Zittau/Görlitz, beteiligen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: UKD-Jahresbericht

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt