Neocx soll automatische KI-Testplattform für Volkswagen-Gruppe aufbauen
Dresden/Wolfsburg, 30. Juli 2021. Weil gute Software im Digitalisierungs-Zeitalter immer mehr darüber entscheidet, ob sich ein Auto überhaupt noch verkaufen lässt, diese Computerprogramme andererseits immer komplexer werden, haben „Volkswagen“ und „Tracetronic“ in Dresden das gemeinsame Softwaretest-Unternehmen „Neocx“ gegründet. Das startet mit 25 Mitarbeitern und soll später über 100 Menschen in Dresden und Wolfsburg beschäftigen. Das haben die beiden Partner heute in der sächsischen Landeshauptstadt mitgeteilt.
Volkswagen möchte kein Autokonzern mehr sein
Das Gemeinschaftsunternehmen soll VW bei einer Transformation helfen: vom Autokonzern, der nebenbei auch Software entwickelt, zum software-orientierten Mobilitätskonzern, der auch Autos baut. Und Neocx soll dafür sorgen, dass sich Software-Pannen wie beim Golf 8 und bei den ersten ID-Elektroautos nicht wiederholen. „Die effiziente und sichere Software-Integration ins Fahrzeug wird für Volkswagen zu einem erfolgskritischen Wettbewerbsfaktor“, betonte VW-Technikvorstand Thomas Ulbrich. Für die Dresdner Testschmiede Tracetronic wiederum vergrößert die Neugründung eigene Kapazitäten und Expertise.
„Komplexität von Autosoftware wächst exponentiell“
„Neocx ist eine Antwort auf wachsende Komplexität“, betonte VW-Elektronik-Entwicklungschef Axel Heinrich. Das sieht Tracetronic-Chef Rocco Deutschmann ähnlich: Ein einzelner Mensch sei längst nicht mehr imstande, die vielen einzelnen Steuerprogramme in einem modernen Automobil zu überblicken, durchzutesten und zu einem funktionierendem Ganzen zusammenzufügen „Die Komplexität von Autosoftware wächst exponentiell.“
Plattform soll neue Programme kontinuierlich testen und ins Gesamtpaket integrieren
Daher soll „Neocx“ in Dresden und Wolfsburg eine leistungsstarke Analyse-Plattform aus Testständen, Computersimulationen und Rechnerwolken aufbauen. Damit können dann VW und seine Zulieferer neue Programme automatisch und teils auch mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) durchtesten. Dabei kann es sich zum Beispiel um Dutzende Einzel-Programme für Radar-Sensoren, Umfelderkennung, Motorsteuerung und Cockpit-Anzeigen, die letztlich zu einem neuen Fahrerassistenzsystem für den Golf zusammengeführt werden sollen. Zugleich simulieren die Entwickler auf dieser gemeinsamen Plattform die Reaktionen ihrer neuen Programmabschnitte auf Unfälle und andere Probleme.
VW will Tesla-Vorsprung bei Funk-Updates aufholen
Auch wird sich das System darum kümmern, dass erfolgreich getestete neue Softwarefunktionen automatisch und per Funk auf die richtigen Autos aufgespielt werden. Damit will VW nicht zuletzt den Vorsprung von Elektroauto-Pionier „Tesla“ wettmachen, bei dem solche „Updates over the Air“ längst üblich sind. Von diesem Konzept, neue Softwarehäppchen kontinuierlich durchzutesten und ins große Gesamt-Softwarepaket des Autos zu integrieren, leitet sich auch der Name der geplanten Plattform ab: „CI/CT Factory“ steht – ins Deutsche übersetzt – für eine virtuelle Fabrik, die Software kontinuierlich integriert und kontinuierlich testet.
Hauptquartier in Dresden
Ihr Hauptquartier wird das neue Unternehmen auf dem Tracetronic-Campus an der Karlsruher Straße im Dresdner Süden aufschlagen. Geplant ist auch eine Niederlassung in Wolfsburg. VW und Tracetronic halten jeweils die Hälfte der Firmen-Anteile. Mit wieviele Startkapital und Investitionen sie Neocx ausstatten, wollten die Anteilseigner nicht verraten.
TU-Ausgründung Tracetronic bereits auf über 300 Köpfe gewachsen
Bereits absehbar ist allerdings, dass dieses neue Unternehmen den Software- und KI-Standort Dresden nachhaltig stärken dürfte. Dies gilt auch für den Anteilseigner Tracetronic: 2004 aus einem Dresdner TU-Projekt ausgegründet, hat das Unternehmen inzwischen über 300 Mitarbeiter. Es stuft sich selbst als „international führenden Lösungsentwickler für das automatisierte Testen und Integrieren von Fahrzeugsoftware“ ein. Zu den Kunden gehören neben den Marken der VW-Gruppe auch BMW, Bosch, Claas, Daimler, Continental und viele andere Branchengrößen.
Erfolg für Software-Standort Dresden
„Tracetronic ist ein Paradebeispiel für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Dresden“, kommentierte der städtische Wirtschaftsförderungschef Robert Franke die neuesten Entwicklungen. Das Unternehmen strahle „heute aus dem Gewerbegebiet Coschütz-Gittersee in alle Ecken der automobilen Welt – von Korea bis ins Silicon Valley. Das neue Gemeinschaftsunternehmen mit Volkswagen ist ein besonderer Meilenstein dieser Dresdner Erfolgsgeschichte.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Vor-Ort-Termin Neocx-Gründung, Tracetronic, VW, Oiger-Archiv
Zum Weiterlesen:
VW etabliert Entwicklungszentrum in Dresden
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