Automobilindustrie, Mobilität, News, zAufi

VW liefert Elektroauto-Software an Ford

Vorserien-Modell aus der ID-Familie in der Volkswagen-Manufaktur Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Vorserien-Modell aus der ID-Familie in der Volkswagen-Manufaktur Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Volkswagen hat lange an den Steuerprogrammen für seine neue Elektroauto-Software gearbeitet. Nach einigen Problemen des in Zwickau produzierten ID.3 will der Konzern nun nachbessern.

Zwickau, 4. Januar 2020. VW liefert die – zunächst eher holprig gestarteten – Computerprogramme für seine neue Elektroauto-Generation künftig auch an den US-amerikanischen Autohersteller Ford sowie seine Konzernmarken Audi, Skoda und Seat. „Die Software des ID.3 findet sich mit jeweiligen Anpassungen in allen unseren Fahrzeugen auf Basis des modularen E-Antriebsbaukasten (MEB) wieder“, erklärte Sachsens VW-Sprecher Carsten Krebs. „Alle Steuergeräte werden in einer leistungsfähigen zentralen Rechnerebene programmiert. Wir haben eine komplett neue End-to-End-Elektronik-Architektur und ein neues Betriebssystem eingeführt.“ Auch der kürzlich vorgestellte vollelektrische VW-SUV „ID.4“ funktioniere auf dieser Basis. „Weitere Modelle folgen, auch von den Konzernmarken Audi, Skoda und Seat sowie von Ford, die die Plattform für zunächst ein Modell lizenziert haben“, erklärte Krebs.

Software-Fehlermeldungen in den ersten ID.3-Modellen

Im vergangenen Dreivierteljahr hatten sich Kritik und Fehlermeldungen über die Software des seit Oktober 2019 produzierten VW ID.3 gehäuft. Mit diesem in Zwickau hergestellten E-Auto erhoffen sich die Konzernlenker und viele deutsche Wirtschaftspolitiker einen Durchbruch für die Elektromobilität. Die Automobilbranche gilt als Schlüsselindustrie in Deutschland, auch in Sachsen hängen an ihr Tausende Arbeitsplätze. Die Konkurrenz aus USA und China ist groß. Mit dem ID.3 hat die deutsche Automobilindustrie nun erstmals ein Elektroauto einer neuen Generation im Portefeuille, das für den Massenmarkt produziert wird und von Anfang an als echtes E-Fahrzeug konstruiert wurde – ähnlich wie die Teslas aus den USA. Erfolg oder Misserfolg des ID.3 gilt insofern auch als Zeichen, ob die deutsche Automobilindustrie in einem neuen, wachsenden Technologiesektor international wettbewerbsfähig bleiben kann.

ID.3-Software startete mit vielen „Bugs“

Doch kurz nach dem Start häuften sich beim Hoffnungsträger ID.3 die Fehlermeldungen beim Airbag, am Tempomat, an den Blinkern. Verantwortlich waren offensichtlich Mängel – auch „Bugs“ genannt – in der Software des Autokonzerns aus Wolfsburg. Nutzer wurden ausgesperrt oder vom Navigationssystem an Ladesäulen geführt, die nicht nutzbar waren, berichtete Geschäftsführer Stefan Moeller von der Leipziger E-Auto-Vermietung „Nextmove“.

VW will Software im ersten Quartal 2021 nachrüsten – erst in Werkstatt, dann per Funk

Hat VW dieses Problem jetzt in den Griff bekommen? Laut Sprecher Krebs seien Rückmeldungen der ersten Käufer („First Mover“) kontinuierlich in die Weiterentwicklung der Software eingeflossen. Im ersten Quartal 2021 seien „umfangreiche Software-Updates“ geplant, um noch ausstehende Funktionen (App Connect, Augmented-Reality-Head-Up-Display für den Fernbereich), aber auch neue Anwendungen wie die dynamische Routen- und Ladeplanung, zeitgesteuerte Klimatisierung sowie den Abstandsregel-Tempomat (Connected ACC) nachzurüsten. Die Kunden würden aktuell informiert. Dafür müssten die Käufer der ersten Fahrzeuge noch einmal in die Werkstatt. Später sind wie bei Konkurrent Tesla auch „Updates over-the-air“ geplant, also per Funk eingespeiste Aktualisierungen. „Die Service-Partner werden sich nach aktueller Planung im Februar/März zur Terminvereinbarung melden“, sagte Krebs.

Wolfgang Plank. Foto: Plank

Wolfgang Plank. Foto: Plank

„Tesla wird gefeiert, VW bekommt Prügel“

Für E-Auto-Tester und Journalist Wolfgang Plank gehören diese Stolpersteine zum Prozess bei der Entwicklung eines „völlig neuen Autos“. Tesla habe mit seinem E-Fahrzeug ein Auto mit einem völlig neuen Ansatz geliefert, „das von der Software aus gedacht“ sei. „Die konventionellen deutschen VW-Autobauer haben nachgezogen und damit in ihrem Konzept- und Konstruktionsdenken völliges Neuland betreten“, sagte Plank. Natürlich brauche dieser Prozess Zeit und sei auch durch das Try-and-error-Prinzip geprägt. Letztlich habe VW ein völlig neues Auto produziert, nicht nur vom Antrieb her, sondern vom Gesamtkonzept. Allerdings müsse sich der Konzern dabei den Erwartungen einer neuen Konsumenten-Generation stellen: „Updates sind wir alle vom Handy gewöhnt. Hier ist es völlig normal, dass Daten für die Weiterentwicklung von Anwendungen ständig neu aufgespielt werden.“

Stefan Moeller. Foto: Nextmove

Stefan Moeller. Foto: Nextmove

Der Leipziger Autovermieter Stefan Moeller verweist auf die Euphorie im Zusammenhang mit dem US-Konkurrenten Tesla. „Tesla liefert unfertige Autos und wird gefeiert, VW macht genau das Gleiche und bekommt dafür Prügel. Dass ein Auto dazulernt, war bislang nicht vorgesehen bei VW. Jetzt muss es die Wachstumsschmerzen managen.“

Ãœber 7000 Zulassungen des ID.3 in Deutschland

Trotz dieser Stolpersteine verkauft sich der erste massenkompatible E-VW gar nicht so schlecht. Der Marktanalyst „Jato“ erklärte Ende November: „Der Volkswagen ID.3 ist im Oktober das meistverkaufte Elektroauto Europas“. Nach Angaben von VW sind bislang 54.000 Bestellungen eingegangen, davon wurden 24.000 E-Autos ausgeliefert. Insgesamt 7349 Fahrzeuge erhielten bis zum November 2020 eine Zulassung, teilte das Kraftfahrt-Bundesamt mit. Besonderen Erfolg verbucht das deutsche E-Auto bei seinen europäischen Nachbarn. Sowohl in Norwegen als auch in den Niederlanden und Irland habe das Fahrzeug laut VW seit September mindestens einen Monat auf Platz 1 von allen zugelassenen Fahrzeugen gestanden. In Deutschland bewegt sich der VW ID.3 hingegen „nur“ unter den Top 3 der Elektroautos.

Prof. Arndt Stephan von der TU Dresden. Foto: Stephan/TUD

Prof. Arndt Stephan von der TU Dresden. Foto: Stephan/TUD

„E-Mobilität ist mehr Reklame als Wirklichkeit“

Ein Grund für den schleppenden Durchbruch der Elektromobilität auf der Straße sieht Arndt Stephan, Verkehrswissenschaftler der TU Dresden, auch an der mangelnden Infrastruktur. „E-Fahrzeuge müssen in der Fläche und in ihrer Infrastruktur funktionieren und angenommen werden. Derzeit ist E-Mobilität mehr Reklame als Wirklichkeit auf dem Markt“, sagte er. Ladestationen müssten weiter flächendeckend ausgerollt werden, ebenso brauche es ein einheitliches Bezahlsystem. Stephan sieht auch Bequemlichkeit als eine Hürde. „Die Menschen haben sich an eine Unabhängigkeit in der Infrastruktur gewöhnt. Sie wollen überall tanken und sofort weiterfahren. E-Mobilität hat auch eine psychologische Komponente.“

Infrastruktur-Debatte: Für die ersten Verbrenner musste man Sprit in der Apotheke kaufen

Solche Argumentationen sind für den E-Auto-Händler und -Vermieter Dirk Müller aus Freising nördlich von München nur Vorwände. „Als Autos entstanden sind, musste man den Kraftstoff noch in der Apotheke kaufen, das hat auch niemand vom Autofahren abgehalten.“ Niemand habe zu der Zeit gesagt, man müsse erst einmal ein Tankstellennetz schaffen. Es sei alles eine Frage des Willens. „Sehen Sie, Ihr Handy bekommt auch ständig Updates und muss neu aufgeladen werden“, sagte Müller. „So kann man das auch mit dem Auto machen, einfach jeden Abend an die Steckdose.“

Der Leipziger Autovermieter Stefan Moeller ist sich jedenfalls sicher: Die Zukunft ist elektrisch. Davon könnten auch Diskussionen über die ökologische und soziale Nachhaltigkeit der Batterien nicht ablenken. Auch durch den Abbau und den Einsatz von Kohle, Gas, Öl und anderen fossilen Brennstoffe geschehe viel Unrecht und werde die Umwelt zerstört. Wichtig sei es doch, die kommenden Prozesse nachhaltig und verantwortungsvoll zu gestalten.

Verkehrsforscher: Ökologische und soziale Batterieproduktion ist möglich

Verkehrswissenschaftler Stephan gibt zu bedenken: „Die Produktion kann ökologisch sein, die Frage ist nur, wo die Rohstoffe herkommen. Mit der Rohstoffgewinnung und -gerechtigkeit haben wir noch viele Aufgaben. Die Frage ist immer: Wie gehen wir mit Ressourcen und Wohlstandsgefälle um?“

Auf die Frage, woher VW seine Rohstoffe für die Batterieproduktion nimmt, antwortet der Konzern: „Neben der ausreichenden Verfügbarkeit gehören zum Erfolg für die Elektromobilität auch Preisstabilität und ein nachhaltiger Abbau. Eine umweltfreundliche Gewinnung der Rohstoffe ist für die Akzeptanz des Endprodukts für Kunden ausschlaggebend.“

Erfolgsverwöhnte deutsche Autoindustrie muss sich neuen Mitspielern stellen

Deutsche E-Mobilität bewegt sich also im Spannungsfeld zwischen neuem Denken, extremem Konkurrenzdruck, neuen internationalen Spielern sowie hohen nachhaltigen und ethischen Anforderungen. Gelingt dieser Spagat, könnten es die deutschen Hersteller vielleicht schaffen, ihre Schlüsselindustrie in eine neue Ära zu retten.

Über „Nextmove“

Die sächsische „Nextmove“ bezeichnet sich als führende E-Auto-Vermietung Deutschlands. Hier kann man vom Tesla über die E-Auto-Modelle von Renault, Nissan, Hyundai, BMW bis zum VW ID.3 alles mieten. Geschäftsführer Stefan Möller versteht sich zudem auch als Aufklärer und Tester in Sachen Elektromobilität. Auf einem eigenen Youtube-Kanal informiert er über aktuelle Entwicklungen bei E-Autos

Autor: Katrin Tominski

Quellen: VW Sachsen, TUD, Nextmove, Interview Plank, Jato, KBA, Oiger-Archiv

Zum Weiterlesen:

Produktionsstart für ID3 in Zwickau

TU Dresden: Für Elektromobilität fehlt in Deutschland das Öko-System

Getestet: Tesla “ geht ab wie Schmidts Katze

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt