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Rentner in der Produktion

Aus DDR- und Pentacon-Zeiten überliefert: An der Wache waren die Betriebsausweise vorzulegen. Heute gehört der Komplex zu An den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Immer mehr Betriebe wollen ihre alten Mitarbeiter behalten. Foto: Heiko Weckbrodt

IAB-Umfrage: Unternehmen wollen mehr Mitarbeiter auch noch im Rentenalter beschäftigen

Nürnberg, 5. September 2020. In der DDR, die ständig um Arbeitskräfte rang, war es bereits recht üblich, Arbeiter auch über das Rentenalter hinaus im Betrieb zu beschäftigen. Wegen des Fachkräftemangels in vielen Branchen wird dies inzwischen auch in der gesamtdeutschen Wirtschaft immer üblicher: Immer mehr Unternehmen bemühen sich darum, Seniorfachleute längere Zeit zu halten. Das hat eine Analyse des „Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ (IAB) der Bundesarbeitsagentur in Nürnberg ergeben.

Anteil hat sich auf 58 Prozent verdoppelt

Wollten im Jahr 2015 deutsche Unternehmen erst rund 26 Prozent ihrer rentenberechtigten Mitarbeiter weiterbeschäftigten, stieg dieser Anteil bis 2018 auf 58 Prozent, teilte das IAB mit und stützte sich dabei auf eine repräsentative Betriebs-Befragung von Betrieben. Neuere Zahlen liegen allerdings noch nicht vor.

Betriebe setzen auf Minijobs und Flexirenten-Zuverdienste

91 Prozent der Weiterbeschäftigungsversuche seien auch erfolgreich gewesen – 2015 lag die Erfolgsquote erst bei 83 Prozent. Meist geschieht dies über Mini-Jobs. 27 Prozent der Betriebe nutzten aber auch die neuen Hinzuverdienst-Regeln zur vorgezogenen Altersrente, um ihre ältere Beschäftigten zu halten. Großzügigere Möglichkeiten dafür hatte vor allem die Flexi-Renten-Reform von 2017 geschaffen.

Kleine Betriebe stärker an ihren Senioren interessiert

„Kleine Betriebe haben mit 60 Prozent ein deutlich größeres Interesse daran, ihre rentenberechtigten Beschäftigten zu halten als große Betriebe, die dies nur bei durchschnittlich 30 Prozent der Beschäftigten versuchen“, heißt es in der IAB-Mitteilung zur Studie. Das mag auch daran liegen, dass es für kleine Unternehmen oft schwerer als für Konzerne, mit hohen Löhnen gute Jungabsolventen vom Arbeitsmarkt zu angeln.

Vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen versuchen viele Betriebe, ältere Mitarbeiter auch im Rentenalter zu halten. Tabelle: IAB

Vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen versuchen viele Betriebe, ältere Mitarbeiter auch im Rentenalter zu halten. Tabelle: IAB

Öffentlicher Dienst bleibt Nachzügler

Vor allem in der Chemie- und Baubranche haben die Firmen ihre Weiterbeschäftigungs-Versuche intensiviert. Der öffentliche Dienst gilt bei diesem Trend dagegen eher als Nachzügler: Behörden versuchen nur ein Fünftel ihrer rentenberechtigten Mitarbeiter weiterzubeschäftigen.

„Paradigmenwechsel hin zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit“

„Die Analyse zeigt, dass der in der Rentenpolitik bereits vollzogene Paradigmenwechsel hin zu einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit mittlerweile in der Personalpolitik der Betriebe angekommen ist“, schätzten die Studienautoren Christian Westermeier und Mario Wolf ein. Auslöser dafür seien vor allem der demografische Wandel sowie die lange deutsche Konjunktur seit der Finanzkrise 2008/09 gewesen. Beide Faktoren hatten nahezu zu Vollbeschäftigung in Deutschland geführt – und zu dem Problem, dass es für viele Betriebe immer schwieriger wurde, passende Fachleute zu finden. In welchem Maße die Corona-Krise daran etwas ändert, bleibt abzuwarten.

Attraktives Arbeitsumfeld ist für viele Betriebe wichtiges Unternehmensziel geworden

Allerdings ist damit zu rechnen, dass sich ein Wandel in den Unternehmenskulturen fortsetzen wird: Für immer mehr Betriebe ist es nicht erst seit den Diskussionen um die sogenannte „Generation Y“ zu einer wichtigen Managementaufgabe geworden, mit besonders attraktiven Arbeits- und Lebensbedingungen und ideellen Boni sowohl junge Fachleute zu gewinnen wie auch gestandene Spezialisten an den Betrieb zu binden.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IAB, Oiger-Archiv, Wikipedia

Zum Weiterlesen:

Generation Y: „Da ist ein Generationenwechsel im Gange“

Demografischer Wandel trifft Dresdner Chipwerke

Wirtschaft sollte nicht nur Generation Y nachjagen

 

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt