Qucosa in der SLUB Dresden: Digitale Publikation setzt sich in Forschergemeinde als Standard durch
Dresden, 27. Januar 2016. Immer mehr Wissenschaftler publizieren ihre Forschungsergebnisse elektronisch. Diese Digitalausgaben erscheinen entweder parallel zur klassisch-gedruckten Ausgabe oder ausschließlich als PDF-Dokument. Und viele Forscher deklarieren diese Arbeiten dann auch gleich als „Open Access“, machen sie also gratis im Internet verfügbar. Vor allem junge Naturwissenschaftler, Mathematiker, Ingenieure und Mediziner nutzen gerne diese rasche und unkomplizierte elektronische Veröffentlichung, erzählt Anke Wartenberg vom „Qucosa“- Projekt in der Sächsischen Landes- und Uni-Bibliothek SLUB, das sich auf eben solche digitalen Wissenschaftspublikationen aus Sachsen spezialisiert hat. Unter vielen Historikern und anderen Geisteswissenschaftlern gelte hingegen noch „das Paradigma des gedruckten Wortes“, ergänzt SLUB-Sprecher Jens Bemme.
Digitale Publikation in vielen Fächern schon Standard
„In einigen Fächern wie zum Beispiel der Biologie ist die digitale Publikation bereits zum Standard geworden“, sagt Jens Bemme. Außerdem verändere dieser Trend die Art und Weise, wie Konferenzen ablaufen. „Es gibt wissenschaftliche Tagungen, bei denen die Redebeiträge schon zu Konferenzbeginn online gehen. Wenn die anderen Teilnehmer die Vorträge bereits gelesen haben, können sie auf den mündlichen Vortrag anders reagieren, dann fällt die Diskussion oft viel lebhafter aus.“
Vor allem jüngere Forscher publizieren gern gratis als „Open Access“
Insbesondere jüngere Wissenschaftler seien sehr daran interessiert, ihre Forschungsergebnisse nach dem Open-Access-Prinzip schnell weltweit zugänglich zu machen, schätzt der SLUB-Sprecher ein. Denn Open Access heißt: Die Arbeiten können recht unkompliziert und kostenlos aus dem Internet als PDF-Dokument heruntergeladen oder zumindest im vollen Text gelesen werden. Und bei solch niedrigen Hürden steigt in den Augen junger ehrgeiziger Forscher eben auch die Chance, von Fachkollegen zitiert zu werden – und damit die eigene Reputation als Forscher. „Da ist ein Generationswechsel im Gange“, sagt Jens Bemme.
Digitale Chance für Arbeiten, die sonst in der Schublade verstauben würden
„Ein Vorteil ist die zeitnahe Verfügbarkeit: Bis man beispielsweise an eine gedruckte Dissertation herankommt, kann es zwei bis drei Jahre dauern. Eine elektronische Veröffentlichung ist recht rasch einsehbar“, meint Christine Dallmann vom Lehrstuhl für Medienpädagogik an der TU Dresden. Die 30-jährige wissenschaftliche Mitarbeiterin publiziert gemeinsam mit Professor Ralf Vollbrecht die digitale Wissenschafts-Zeitschrift „Medienwelten“. Das Open-Access-Journal veröffentlicht seit Ende 2012 hervorragende Abschlussarbeiten, die sonst in den Schubladen des Prüfungsamtes verschwinden würden. „Und anders als in einer gedruckten Zeitschrift können wir auch empirische Arbeiten mit 100 oder 200 Seiten publizieren, ja sogar Bilder und Filmmaterial einbetten.“
Doch sie sieht auch Nachteile: „Wir werden von manchen Kollegen misstrauisch beäugt, weil in den ,Medienwelten’ keine große Zeitschriften-Redaktion für das Qualitätsmanagement sorgen kann. Außerdem haben Open-Access-Programme wie das ,Open Journal System’ zwar enorm viele Funktionen, aber die Bedienfreundlichkeit ist nicht so gut“, sagt Christine Dallmann.
Kritiker befürchten Qualitätsverlust
Aber auch unter Naturwissenschaftlern, die eigentlich als besonders online-affin gelten, gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, wie gut und „kostenlos“ das Konzept „Open Access“ wirklich ist. „Grundlagenforschung wird in aller Regel durch öffentliche Mittel gefördert, daher sollten die Ergebnisse auch öffentlich zugänglich sein. Geschieht das aber über Open Access, fürchte ich einen enormen Qualitätsverlust“, argumentiert zum Beispiel der Präsident der Humboldt-Stiftung, Prof. Helmut Schwarz von der TU Berlin. Ähnlich sieht das Prof. Wolfram Koch, der Geschäftsführer der „Gesellschaft Deutscher Chemiker“ aus Frankfurt am Main: „Die Qualitätssicherung in einer wissenschaftlichen Publikation kostet Geld. Wir sind da eher skeptisch, wie das über einen Open-Access-Ansatz finanziert werden soll.“
DFG fordert oft schon ausdrücklich Open-Access-Publikation
Diese Diskussion ist auch den „Qucosa“-Betreuern in Dresden bekannt. Sie gehen aber davon aus, dass sich nicht nur die digitale anstelle der gedruckten Publikation durchsetzen wird, sondern auch das Open-Access-Prinzip mehr und mehr Anhänger in der Wissenschaftler-Gemeinde finden wird. Der Druck wichtiger Forschungs-Finanziers trage da seinen Teil bei, meint Anke Wartenberg: „Die Deutsche Forschungsgemeinschaft zum Beispiel fordert teilweise in ihren Förderprogrammen schon ausdrücklich eine Open-Access-Publikation.“
Online gegangen war der Dokumenten- und Publikations-Server „Qucosa“ (ausgesprochen: „kukosa“ , steht für „Quality Content of Saxony“) im Jahr 2009. Das Dresdner Projekt führte, so Bemme, schrittweise „ein halbes Dutzend Parallelstrukturen“ für Online-Publikation zusammen, die ab den 1990er Jahren an den sächsischen Hochschulen entstanden waren.
Ãœber 160.000 Dokumente bei Qucosa abrufbar
In der Startphase gab es auf den Qucosa-Servern nur digitale Ausgaben aus dem Bestand der SLUB und der TU Dresden. Inzwischen sind dort über 160.000 Dokumente abrufbar, haben sich acht wissenschaftliche Einrichtungen dem digitalen Publikationsverbund aus Dresden angeschlossen, darunter die TU Chemnitz, die Berufsakademie Freiberg, die studentische Zeitschrift „ad rem“ und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Rund 100.000 Nutzer aus den USA, Deutschland und anderen Ländern nutzen Qucosa jeden Monat.
-> Qucosa im Internet: qucosa.de
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