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„Paranza – Der Clan der Kinder“: Mafiathriller um eine Jugendgang aus Neapel

Es gibt nur eines, was der junge Nicola (Francesco di Napoli) noch mehr liebt, als seine Clique: Seinen Bruder Christian (Luca Nacarlo). Foto: Prokino

Es gibt nur eines, was der junge Nicola (Francesco di Napoli) noch mehr liebt, als seine Clique: Seinen Bruder Christian (Luca Nacarlo). Foto: Prokino

Krimi von Saviano und Giovannesi fürs Heimkino erhältlich

Sie sind wild auf Sneakers, teure Klamotten und Uhren, vor allem aber auf die bewundernden Blicke der Mädchen: eine Bande Jugendlicher in Neapel, die in ihrer Gier nach „mehr“ erst zu Erpressern, dann zu Mördern werden. Der italienische Autor Roberto Saviano hat darüber ein Buch geschrieben, das Regisseur Claudio Giovannesi schließlich verfilmt hat. Der Mafiathriller „Paranza – Der Clan der Kinder“ ist nun auch im deutschen Heimkino verfügbar.

Die Erzählung

Im Mittelpunkt steht dabei der 15-jährige Nicola (Francesco Di Napoli), der eines Tages beobachtet, wie seine Mutter durch Schutzgeldeinsammler erpresst wird. So reift in ihm der Entschluss, seine Mutter von diesen Ganoven zu befreien – indem er selbst das ganze Viertel übernimmt. Das wirkt so aberwitzig, dass ihn die erwachsenen Mafiosi grandios unterschätzen. Doch schneller, als sie gucken können, hat Nicola durch ein paar geschickte Schachzüge sich und seine Mopedgang mit Pistolen und Sturmgewehren bewaffnet und den ganzen Stadtbezirk unter Kontrolle gebracht. Für kurze Zeit fühlen sich die Teenager wie Surfer auf dem Kamm der Megawelle: Nicola gewinnt die Gunst der schönen Letizia (Viviana Aprea), die Leute im Viertel grüßen ihn und seine Kumpels respektvoll, das Geld flattert in Strömen. Doch der Sturm der Gewalt, den sie selbst entfacht haben, kehrt sich rasch auch wieder gegen die Jungen – und die ewige Spirale aus Rache und Gegenrache beginnt sich zu drehen…

Die Paranzas von links nach rechts: Lollipop (Ciro Pellecchia), Biscottino (Alfredo Turitto), O' Russ (Ciro Vecchione), Nicola (Francesco di Napoli), Tyson (Ar Tem), Briatò (Mattia Piano Del Balzo) und O' Russ (Ciro Vecchione). Foto: Prokino

Die Paranzas von links nach rechts: Lollipop (Ciro Pellecchia), Biscottino (Alfredo Turitto), Nicola (Francesco di Napoli), Tyson (Ar Tem), Briatò (Mattia Piano Del Balzo) und O‘ Russ (Ciro Vecchione). Foto: Prokino

Darsteller und Stilistik

Regisseur Giovannesi beweist dabei sichtlich ein gutes Händchen für die Auswahl und Führung seiner jugendlichen Schauspieler, die allesamt junge Laiendarsteller aus Neapel sind. Die agieren allesamt ausgesprochen authentisch und glaubwürdig, in einigen Szenen gar mit einer atavistischen Stärke, unterstrichen durch eine kraftvolle Kameraführung und Bildsprache.

Das ist wichtig: Nicola (Francesco di Napoli, M.) kämpft um das Herz der schönen Letizia (Viviana Aprea, 2.v.l.). Als er an Macht gewinnt, steigt er in ihrer Gunst. Foto: Prokino

Das ist wichtig: Nicola (Francesco di Napoli) kämpft um das Herz der schönen Letizia (Viviana Aprea, Mitte). Als er an Macht gewinnt, steigt er in ihrer Gunst. Foto: Prokino

Die Hintergründe

Denn Stärke ist die einzig harte Währung in dieser mafios verflochtenen Welt, die „Paranza“ vor dem Zuschauer ausrollt. „Zukunft und Vergangenheit sind nur etwas für Verlierer“, formuliert Saviano die Denke dahinter. Für Kinder und Jugendliche, für die die Zukunft nichts zu bieten hat und die Vergangenheit das Revier der überholten Alten ist, zählt eben nur das Hier und Jetzt, die Gegenwart, der aktuelle Post, meint der Drehbuchautor in einem Interview in der Bonussektion. Junge Menschen mit engelsgleichen Gesichtern, die dir im nächsten Moment ins Gesicht schießen.

Werbevideo (Prokino):

Das gilt auch für Nicola, der scheinbar Gutes mit Gewalt zu erzwingen versucht, und dabei immer tiefer im Sumpf der Mafialogik versinkt. Dass er dabei unweigerlich in ein moralisches Dilemma gerät, ist dem jungen Bandenchef durchaus bewusst. Aber die Gangster der neapolitanischen Camorra haben dafür ihre ganz eigene Lösung gefunden: Sie verklären ihre Missetaten, ihre Sünden als Opfer für ihre Familie, erläutert Saviano. Insofern können sie sich nach dieser verqueren Logik als Märtyrer statt als Verbrecher fühlen – schließlich nehmen sie dieses Opfer auf sich, um anderen zu helfen.

Fazit: stark

Wie einfach man in diese Subkultur hineinrutscht und nicht wieder hinausfindet, ist ein zentrales Thema von „Paranza“ – ein sehenswerter und eindrucksvoller Film, der seine jungen Akteure nicht anklagt, sondern erzählt.

Foto: Prokino

Foto: Prokino

Kurzinfo

  • Titel: „Paranza – Der Clan der Kinder“
  • Genre: Mafiakrimi und Entwicklungsfilm
  • Produktionsland und -jahr: Italien 2018
  • Deutsche Heimkino-Veröffentlichung: Prokino 2020
  • Regie: Claudio Giovannesi
  • Drehbuch: Roberto Saviano
  • Darsteller: Francesco Di Napoli, Viviana Aprea, Ar Tem, Alfredo Turitto, Valentina Vannino u. a.
  • Laufzeit: 112 Minuten
  • Altersfreigabe: FSK 16
  • Preis: Bluray 14 Euro, DVD 13 Euro, Videostrom zwölf Euro (Kauf) fünf Euro (Ausleihe)
  • Bonusmaterial: Interview mit dem Autor Roberto Saviano, Interview mit dem Regisseur Claudio Giovannesi, Doku „Hinter den Kulissen“

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt