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Viel Öko-Potenzial schlummert in Bürokomplexen

Das ILK betreibt in seinem Technikum sowohl wärme- wie auch kältetechnische Versuchsanlagen. Foto: Heiko Weckbrodt

Das ILK betreibt in seinem Technikum sowohl wärme- wie auch kältetechnische Versuchsanlagen. Foto: Heiko Weckbrodt

Drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr lassen sich durch eine Umrüstung auf bessere Luft-. und Kältetechnik sparen, haben Dresdner ILK-Ingenieure ausgerechnet.

Dresden, 24. Januar 2020. Die Eigentümer von Büro- und Verwaltungsgebäuden in Deutschland könnten einen höheren Beitrag zum Umweltschutz leisten, wenn sie alle Lüftungs- und Kältetechnik auf den neuesten technischen Stand umrüsten würden. Das geht aus einer Studie des „Instituts für Luft- und Kältetechnik“ (ILK) Dresden hervor.

Auch Betriebskosten würden sinken

Demnach ließen sich pro Jahr per Saldo rund drei Millionen Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß und über 400 Millionen Euro Betriebskosten pro Jahr einsparen, wenn alle Bürokomplex-Betreiber neue Wärmerückgewinnungs-Anlagen, moderne Kaltwassersatz-Anlagen und effizientere Ventilatoren installieren würden, schätzt ILK-Direktor Prof. Uwe Franzke ein. Die Investitionskosten wären allerdings nicht unerheblich.

Prof. Uwe Franzke leitet das Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) in Dresden. Rechts ist einer der neuen Membran-Wärmetauscher zu sehen, die für bessere Büroluft im Winter sorgen sollen. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Uwe Franzke leitet das Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) in Dresden. Rechts ist einer der neuen Membran-Wärmetauscher zu sehen, die für bessere Büroluft im Winter sorgen sollen. Foto: Heiko Weckbrodt

Klimaschutzgesetz fordert 40 % weniger CO2 von Gebäuden

Berechnet haben die Studienautoren die CO2-Ersparnis allerdings nur für den Bürosektor. In Schulen, Fabriken, Gaststätten, Hotels und anderen Komplexen könnte die Bilanz anders ausfallen. Die Bundesregierung hat die Ziele auch dort hochgesteckt: Insgesamt soll der Gebäudesektor laut dem neuen deutschen Klimaschutzgesetz bis 2030 seine Jahresemissionen um insgesamt 48 Millionen auf dann nur noch 70 Millionen Tonnen CO2 senken.

Die Studie hatte das ILK Dresden gemeinsam mit der Hochschule Trier, der Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen dem Institut EBC, dem E.ON-Energieforschungszentrum und der Klimatechnik-Firma Howatherm für den Fachverband Gebäude-Klima (FGK) erstellt.

Verntilatoren-Optimierung im ILK in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Verntilatoren-Optimierung im ILK in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Weltweit 1. Kälteabsorptionsmaschine mit Lithium-Brom-Salz und Wärmeplatten

Häufig werde das ökologische, gesundheitliche und finanzielles Potenzial unterschätzt, das noch in der Klima- und Kältetechnik schlummert, betont ILK-Direktor Franzke. „Wir versuchen hier zum Beispiel das nutzbar zu machen, was gelegentlich als ,Wegwerf-Energie’ bezeichnet wird“, sagt er. Gemeint ist damit beispielsweise die Wärme, die viele Fabriken durch Schornsteine blasen oder die an Automotoren aufwendig weggekühlt wird. So habe das Dresdner Institut gemeinsam mit dem „EAW Energieanlagenbau“ aus Thüringen eine neuartige Anlage entwickelt, die aus Abwärme Kälte erzeugt. Entstanden sei eine weltweit einzigartige Kälte-Absorptionsmaschine. In dieser Anlage verdampfen Lithium-Bromid-Salzlösungen, erzeugen dabei Kälte und werden dann durch „Abfallwärme“ in einem Kreislauf wieder regeneriert. Die Wärmeübertragung übernehmen kompakte Platten statt der riesigen Rohrschlangen in klassischen Kältemaschinen. „Dadurch ist eine sehr kleine Bauweise möglich“, erklärt Franzke. „Außerdem arbeitet unsere Anlage sehr effektiv.“

Damit die Luft im Winter nicht austrocknet

Eine weitere Innovation des Dresdner Instituts ist ein neuartiger Membran-Wärme- und Stoffübertrager. Das klingt kompliziert, löst aber ein altes Problem, das viele Büroarbeiter und Hausbesitzer aus dem Winter leidvoll kennen: In Häusern mit speziellen Lüftungsanlagen ist die Innenluft in der kalten Jahreszeit sehr trocken. „Viele Menschen haben dann Probleme mit den Atemwegen oder Augen“, so der ILK-Direktor. Das ILK habe deshalb auf Bitten des Bundeswirtschaftsministerium ein System entwickelt, das in solchen Gebäuden Wärmeenergie zurückgewinnt, dabei aber gleichzeitig durch spezielle Membranen sowie moderne „Industrie 4.0“-Sensorik und -Steuerelektronik für eine bessere Raumluft sorgt. „Unsere Lösung spart Energie und ist gesünder als andere Lösungen“, sagt Franzke.

1959 von Professoren als Institut für Kälteanlagen gegründet

Dass das ILK solche und andere anspruchsvolle Aufträge bekommt, hängt auch mit seiner über Jahrzehnte hinweg akkumulierten Erfahrung und Expertise zusammen: 1959 gründete der Dresdner Professor Heinz Jungnickel ein Forschungsinstitut für Chemie- und Kälteausrüstungen. Daraus entstand 1964 das ILK unter Dr. Günter Heinrich, das für die angewandte Forschung in der Klima-, Entstaubungs-, Kälte- und Kryotechnik in DDR zuständig war. Das Institut gehörte zunächst zur Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Luft und Kältetechnik. 1980 wurde das ILK zum Stammbetrieb des Kombinats, das ab 1985 auch offiziell „ILKA“ hieß. 1990 löste die Treuhand das ILKA-Kombinat, löste das ILK heraus und privatisierte es. „Damals taten sich Professoren, Unternehmensberater und Industrievertreter aus der Branche zusammen, um das Institut in die Zukunft zu retten“, erzählt Franzke. „Denn das ILK war schon damals eine in Deutschland einzigartige Forschungseinrichtung für die Luft- und Kältetechnik.“

Das ILK in Dresden-Striesen. Foto: Heiko Weckbrodt

Das ILK in Dresden-Striesen. Foto: Heiko Weckbrodt

Akademisch geprägtes Privatinstitut

Inzwischen ist das Privatinstitut eine gemeinnützige GmbH mit rund 14 Millionen Euro Jahresumsatz und gehört zur – eher locker organisierten – Zuse-Gemeinschaft. Drei Viertel der 153 Mitarbeiter sind Akademiker. Sie kennen sich bestens mit ganz kalten und extrem heißen Maschinen aus – vom absoluten Temperatur-Nullpunkt bei minus 273 Grad Celsius bis hinauf zu über 1200 Grad. Sie konstruieren Heliumpumpen für russische Teilchenphysiker ebenso wie neuartige Wasserstoff-Tanks für Brennstoffzellen-Autos oder thermische Speicher für die Energiewende. Inzwischen helfen sie auch mit, den Berliner Großflughafen BER doch noch zum Laufen zu bringen. Auf ihrem Campus in Striesen haben die Dresdner Wissenschaftler für diese und andere Projekte über 3000 Quadratmeter Versuchsflächen und 25 physikalisch-chemische Labore zur Verfügung. „Solch eine Ingenieureinrichtung finden Sie in unserer Branche in Deutschland kein zweites Mal – und auch kaum in Europa“, ist der Direktor überzeugt.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-recherche/Interview ILK, Verein „Historische Kälte- und Klimatechnik“, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt