Internet & IoT, News, zAufi

Glücksspiel-Experten wollen Onlinecasino-Betreiber vor Gericht stellen

Foto (bearbeitet): hw

Foto (bearbeitet): hw

Experten empfehlen Änderung im Strafgesetzbuch – dafür soll es aber Lizenzen für kontrollierte Internet-Glücksspiele geben

Berlin/Stuttgart, 14. November 2019. Mit Zuckerbrot und Peitsche wollen Experten der Stuttgarter „Universität Hohenheim“ das illegale Glücksspiel im Internet eindämmen: In einen Positionspapier empfehlen sie den deutschen Ministerpräsidenten, einerseits regulierte Online-Casinos zu erlauben, andererseits aber jede Werbung dafür zu verbieten. Zusätzlich soll Deutschland den Betrieb von Internet-Glücksspielen, die ohne Lizenz vom Ausland aus gegen Geld angeboten werden, ausdrücklich unter Strafe stellen und besteuern. Diese Vorschläge hat heute die interdisziplinäre „Forschungsstelle Glückspiel“ der Uni Hohenheim veröffentlicht.

Staatskanzlei-Chefs beraten derzeit über neuen Glücksspielstaatsvertrag

Anlass ist eine Beratung der Staatskanzlei-Chefs aus ganz Deutschland in Berlin. Sie wollen den Glücksspielstaatsvertrag der Länder neu fassen. Bisher sei es kaum möglich gewesen, „auf Grundlage der aktuellen Gesetzeslage in Deutschland Anbietern von illegalem Glücksspiel im Netz effektiv das Handwerk zu legen“, schätzte die Expertengruppe dazu ein. Daher seien die Beratungen eine gute Chance, gegen die illegalen Casinos im Netz vorzugehen.

Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder vorgeschlagen

Da Glücksspiel in Deutschland eine Ländersache und eine lukrative Einnahmequelle ist, hatten die Bundesländer 2008 einen Glücksspielstaatsvertrag geschlossen. Er reglementiert solche Angebote, um Sucht und Ruin von Spielern einzudämmen und Betrügereien zu vermeiden. Allein Schleswig-Holstein trat diesem Vertrag ursprünglich nicht bei und vergab eigene Lizenzen. Mit solchen Sonderwegen soll aber bald Schluss geht, wenn es nach der „Forschungsstelle Glückspiel“ geht: Sie plädiert dafür, eine „Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder“ einzurichten, die auch Rechtsverordnungen erlassen darf.

„Poker im Internet sollte nicht zugelassen werden“

Anderseits sehen die Forscher anscheinend kaum eine Chance, Glücksspiele im grenzenlosen Internet grundsätzlich zu unterbinden. Sie schlagen daher vor, Online-Casinospiele „in Verbindung mit strengen technischen Maßnahmen zum Spielerschutz und einem weitgehenden Werbeverbot für diese Angebote“ zuzulassen. „Poker im Internet sollte nicht zugelassen werden wegen der Betrugs- und Manipulationsgefahr“, heißt es weiter in dem Positionspapier. „Dem Spielerschutz könnte jedoch durch technische Maßnahmen wie einer Sperrdatei, Rückmeldungen über das Spielverhalten und Ausgabenlimits Rechnung getragen werden.“

Forscher: Illegale Online-Casinos machen Milliarden-Umsätze

Online-Casinos gelten als lukratives Geschäftsmodell. Die „Forschungsstelle Glückspiel“ schätzt die Brutto-Erträge durch illegalen Online-Casinospiele auf 1,76 Milliarden Euro, wobei dabei Pokerspiele noch nicht eingerechnet sind. Wenn die illegalen Online-Casinospiele dieselbe prozentuale Abgabenlast hätten wie die Spielbanken“, so die Forscher, hätten sie davon 915 Millionen Euro Umsatzsteuer und Spielbankabgabe zahlen müssen – was sie aber nicht taten.

Zwar sind derartige Angebote ohnehin illegal, ausländische Anbieter sind aber laut Forschungsstelle strafrechtlich nur schwer strafrechtlich zu belangen „Die Staatsanwaltschaften gehen, wenn sie dazu aufgefordert werden, nicht gegen illegale Online-Anbieter vor, weil die Rechtslage ungeklärt und die deutsche Regelung möglicherweise europarechtswidrig sei.“

Nachtrag: Der Bürgerservice Bayern hat einen Überblick mit Texten zum neuen Glücksspiel-Staatsvertrag im Internet publiziert, der hier zu finden ist.

Autor: hw

Quelle: Uni Hohenheim

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt