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Schweißbrenner-Marktführer Abicor Binzel Dresden baut aus

Ronald Schulz ist Geschäftsführer der Dresdner Fabrik von Abicor Binzel. Vor 80 Jahren wurde das Dresdner Unternehmen vom Schmied Kurt Haufe gegründet, der Schweißbrenner für die DDR-Wirtschaft entwickelte. Foto: Heiko Weckbrodt

Ronald Schulz ist Geschäftsführer der Dresdner Fabrik von Abicor Binzel. Vor 80 Jahren wurde das Dresdner Unternehmen vom Schmied Kurt Haufe gegründet, der Schweißbrenner für die DDR-Wirtschaft entwickelte. Foto: Heiko Weckbrodt

Für Schweißer und Babys: Abicor Binzel Dresden beliefert vom grünen Dorfkern Altlöbtau aus die Welt mit Schweißpistolen – früher gab’s Beißringe von den Sachsen.

Dresden, 6. August 2019. Raten Sie mal: Wo sitzt wohl der weltweit führende Hersteller von Hand-Schweißbrennern? Nein, nicht in Japan, China oder in den USA: in Dresden, im beschaulichen alten Dorfkern von Löbtau. Dort residierte fast acht Dekaden lang die „Kurt Haufe Schweißtechnik Dresden“ (KHD), die heute als Tochtergesellschaft zur „Abicor Binzel“-Unternehmensgruppe gehört. In Altlöbtau stellt dieser Weltmarktführer in der Nische jene manuellen und automatischen Schweißpistolen her, mit denen Waggons, Schiffe und viele andere Stahlkolosse überall auf der Welt zusammengefügt werden.

Erfolgsrezept: Ingenieurgeist, Qualitätsbewusstsein – und ein Erfinder von einst

Dass diese Schweißbrenner aus Sachsen international so beliebt sind, hängt mit fähigen Mitarbeitern, guten Ingenieuren, einer hohen Fertigungstiefe und viel Qualitätsbewusstsein zusammen, meint Geschäftsführer Ronald Schulz. Die Straße für diesen internationalen Siegeszug habe aber einst ein enorm umtriebiger Erfinder aus Dresden geebnet: Kurt Haufe war Schmied, Unternehmer und Ingenieur. Vor genau 80 Jahren gründete er in Löbtau einen schnell wachsenden Schweißtechnik-Betrieb, stampfte nebenbei in Kamenz eine ganze Spielzeug-Linie aus dem Boden, entwickelte die legendären ostdeutschen Optik-Baukästen. Und er konstruierte eben auch die erste Schutzgas-Schweißpistole der DDR, die international einen guten Ruf gewann.

Neustart nach Krieg und Demontage

Was genau den damals noch jungen Handwerker Haufe zum Kriegsausbruch 1939 bewegte, in Löbtau einen Schweißtechnikhandel zu gründen und mit einem Kunststoffpresswerk zu kombinieren, weiß heute keiner mehr so genau in der Firma. „Von Militärproduktion wissen wir zumindest nichts“, erzählt Ronald Schulz. Bekannt ist, dass das junge Unternehmen bis zum Kriegsende rasch auf über 100 Mitarbeiter wuchs, dann aber fast dicht machen musste, weil die sowjetischen Besatzer alle Anlagen demontierten. Haufe fing mit vier Leuten wieder von vorne an. Über Jahre behauptete er sich als sehr erfolgreicher privater Unternehmer inmitten der realsozialistischen Staatswirtschaft. 1958 entwickelte er den ersten teilautomatischen Schutzgas-Schweißbrenner der DDR.

Der Erfinder Kurt Haufe aus Dresden entwickelte nicht nur Schweißbrenner, sondern machte auch aus einer ehemaligen Tuchfabrik in Kamenz einen florierenden Spielzeug-Betrieb. Zu den Verkaufsschlagern gehörten die Optik- und Astronomie-Baukästen unter dem Logo "KHD" für "Kurt Haufe Dresden". Repro: Abicor Binzel Dresden - Firmenarchiv

Der Erfinder Kurt Haufe aus Dresden entwickelte nicht nur Schweißbrenner, sondern machte auch aus einer ehemaligen Tuchfabrik in Kamenz einen florierenden Spielzeug-Betrieb. Zu den Verkaufsschlagern gehörten die Optik- und Astronomie-Baukästen unter dem Logo „KHD“ („Kurt Haufe Dresden“). Repro: Abicor Binzel Dresden – Firmenarchiv

Umtriebiger Erfinder machte aus verwaister Tuchfabrik einen Spielzeug-Betrieb

Etwa zeitgleich schlug er ein besonders kurioses Kapitel der Unternehmensgeschichte auf: Haufe übernahm eine verwaiste Tuchfabrik in Kamenz und machte daraus einen florierenden Spielzeugbetrieb mit knapp 300 Beschäftigten: Fast jedes ostdeutsche Baby spielte fortan mit Rasseln und Beißringen von KHD. Besonderen Ruhm ernteten Haufes Optik- und Astronomie-Spielbaukästen, die sich für die DDR als Exportschlager erwiesen.

Die Optikbaukasten, die der Dresdner Schmied und Erfinder Kurt Haufe entwickelte, waren ein Exportschlager für die DDR. Foto: Abicor Binzel Dresden - Firmenarchiv

Die Optikbaukasten, die der Dresdner Schmied und Erfinder Kurt Haufe entwickelte, waren ein devisenbringendes Exportgut für die DDR. Foto: Abicor Binzel Dresden – Firmenarchiv

Enteignet in der Honecker-Ära

Trotz dieser gewinnbringenden Erfolge hatten die Kommunisten unter Erich Honecker 1972 von Haufes privaten Initiativen die Nase dann doch voll. Sie verstaatlichen das Unternehmen, das inzwischen auf 200 Mitarbeiter angewachsen war. Haufe blieb noch drei Jahre Betriebsdirektor, dann starb er.

Neuer Schub in Richtung Sensorik und Robotik

Ohne seinen erfinderischen Kopf an der Spitze produzierte sich der nun „VEB Plastverarbeitung und Schweißtechnik Dresden“ genannte Betrieb mehr schlecht als recht durch die folgenden Jahre. Bis ein neuer, ehrgeiziger Dresdner TU-Absolvent an die Spitze rückte: Der Ingenieur Günter Hielscher baute die Entwicklungsabteilung aus, setzte auf Roboter- und Sensortechnik, modernisierte das Produkt-Portefeuille.

Neuer Direx Hielscher brachte Betrieb wieder auf Kurs

Dadurch wurden die DDR-Schweißbrenner auch im Westen wieder wettbewerbsfähig. Die Umsätze in der BRD, in Finnland und anderen Ländern legten zu. Rund 50.000 Schweißbrenner verkauften die Dresdner Ende der 80er Jahre in der westlichen Hemisphäre. Von ihren robusten Elektrodenhaltern konnten sie sogar etwa 400.000 Stück pro Jahr exportieren. Hinzu kam anderes Schweißzubehör, das sie an Weststandards angepasst hatten – sehr zum Leidwesen des westdeutschen Marktführers „Binzel“. „Ich glaube, wir sind unsere späteren Muttergesellschaft damals ziemlich auf die Nerven gegangen“, erinnert sich Ronald Schulz, der 1984 als junger Entwicklungsingenieur zum damaligen VEB gekommen war.

Monteurin Sonja Herbst endmontiert in der Abicor-Binzel-Fabrik in Dresden einen Schweißbrenner. Foto: Heiko Weckbrodt

Monteurin Sonja Herbst endmontiert in der Abicor-Binzel-Fabrik in Dresden einen Schweißbrenner. Foto: Heiko Weckbrodt

Übernahme durch den vormaligen Erz-Konkurrenten

Mit dem Mauerfall brach dieses Geschäftskonzept in sich zusammen: „Nach der Wende waren wir für unsere Kunden schlagartig viel zu teuer, unsere Umsätze schrumpften“, berichtet Schulz. Da kam plötzlich der ehemalige Erz-Konkurrent zur Hilfe: Die letzte DDR-Regierung hatte den VEB reprivatisiert und ihn an die Haufe-Familie zurückgegeben. Die wiederum verkaufte die Anteile nach und nach an die Binzel-Gruppe. Die vergaben rettende Aufträge an die Dresdner und investierten in den Löbtauer Betrieb. „Zuerst war das eher eine Auftragsproduktion“, entsinnt sich Ronald Schulz. „Dann lief das auf eine Arbeitsteilung hinaus. Dadurch wurde Dresden zum alleinigen Produktionsstandort der gesamten Binzel-Schweißbrennerlinie.“ Neben den Binzel-Schweißpistolen entwickeln die Dresdner aber auch ihre Kurt-Haufe-Technologie weiter. „Das sind jetzt die Premium-Produkte in der Gruppe.“

Russen wie Amerikaner schätzen solide Qualität aus Sachsen gleichermaßen

Und diese besonders zuverlässigen Dresdner Werkzeuge sind in West wie Ost beliebt: „Die russischen Kunden zum Beispiel kaufen unsere Geräte wegen der hohen Qualität, weil sie damit nicht so viele Verschleißteile nachkaufen müssen“, schätzt der Geschäftsführer ein. „Und in den USA sind unsere Schweißbrenner erfolgreich, weil die Amerikaner die massive Bauart unserer Pistolen schätzen.“

Ausbau in Löbtau

Angesichts dieser Erfolge expandiert der Betrieb nun auch weiter im alten Dorfkern von Löbtau: Auf dem Nachbargrundstück lässt Schulz demnächst für eine halbe Million Euro ein neues Lagergebäude bauen. Auch will er mehr Automatisierungstechnik und Roboter anschaffen. Der Umstieg auf die papierlose Produktion ist bereits im Gange. „Wir werden unsere Position als Weltmarktführer ausbauen“; verspricht der 61-jährige Ingenieur und Chef.

 Kurzübersicht:

  • Firma: „Abicor Binzel Schweißtechnik Dresden GmbH & Co. KG
  • Gegründet: 1939 (ursprünglich als „Kurz Haufe – Schweißtechnik und Kunstharzpresserei“
  • Geschäftszweck: Entwicklung und Produktion von Schweißtechnik
  • Hauptsitz: Dresden-Altlöbtau
  • Belegschaft: 147 Mitarbeiter plus neun Lehrlinge
  • Besonderheiten: Umfangreiches Weiterbildungs- und Gesundheitsprogramm für die Belegschaft
  • Mehr Infos im Netz: binzel-abicor.com/DE/deu/unternehmen/abicor-binzel-dresden/

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Recherche bei Abicor Binzel Dresden, Wikipedia u.a.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt