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„Die Wissenschaftsnacht ist das coolste Event der Stadt“

Blick in einen immer kühlen Elektronenmikroskop-Raum des unterirdischen "Dresden Center for Nanoanalysis" (DCN). Foto: Heiko Weckbrodt

Blick in einen immer kühlen Elektronenmikroskop-Raum des unterirdischen „Dresden Center for Nanoanalysis“ (DCN). Foto: Heiko Weckbrodt

Die Lange Nacht der Wissenschaften lockte in Dresden Tausende in die Institute

Dresden, 14. Juni 2019. „Da gucken wir jetzt mal, wo’s richtig plauzt!“ Was da ein Vater seinem Kinde versprach, als beide den Uni-Campus betraten, trieb gestern offensichtlich viele Dresdner und ihre Gäste an: Unter dem Motto „Wissenschaft statt Kissenschlacht“ folgten Tausende Neugierige bei hochsommerlichen Temperaturen dem Ruf der Wissenschaftsnacht. Sie flanierten ab etwa 18 Uhr von Institut zu Institut, laserten um die Wette, bastelten Modellflugzeuge, süffelten Phosphor-Bier aus der Uni-Brauerei, testen mit Fraunhofer-Ingenieur die Mobile der Zukunft, unternahmen Forschungsreisen mit den Zebrafischen der Planck-Genetiker und dergleichen mehr.

Moderne Professoren müssen etwas Alleinzunterhalter-Blut in den Adern haben: Ceti-Professor Frank Fitzek von der TU Dresden zum Beispiel. Foto: Heiko Weckbrodt

Moderne Professoren müssen etwas Alleinzunterhalter-Blut in den Adern haben: Ceti-Professor Frank Fitzek von der TU Dresden zum Beispiel. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Mensch – eingebettet in ein Archiv der Roboter

„Die Wissenschaftsnacht ist das coolste Event der Stadt“, sagte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) begeistert, nachdem ihm Professor Frank Fitzek im „Ceti“-Exzellenzcontainer erklärt hatte, welche produktiven Symbiosen Mensch und Maschine bald eingehen werden. Wie Roboter beispielsweise in Zukunft dafür sorgen können, dass der virtuose Tastenanschlag eines  Star-Pianisten oder das Geschick eines begnadeten Bildhauers für die Ewigkeit als Bewegungsablauf archiviert wird – und zwar so, dass der Roboter diese Fertigkeiten nachfolgenden Generationen immer wieder aufs Neue beibringen kann.

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) im Hygiene-Museum. Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). Foto: Heiko Weckbrodt

1/3 für Kinder reserviert

„Diese Nacht zeigt sehr gut, wie breit und stark die Dresdner Forschungslandschaft ist“, betonte Hilbert. „Toll ist auch, dass die Wissenschaftler immer wieder so ein familienfreundliches Programm organisieren.“ Immerhin jede dritte Veranstaltung unter all den Experimenten, Mitmach-Angeboten, Vorträgen und Demonstrationen war speziell für Kinder gestrickt.

Kater Garfield in einer Graphen-Matte. Mit "Robogate"-Nachrüstsätzen macht Robotron Dresden Kühlschränke wie Industriemaschinen fit fürs Internet der Dinge (IoT) und die Industrie 4.0. Dieser Kühlschrank zum Beispiel weiß immer, wenn jemand etwas mopst. Foto: Heiko Weckbrodt

Kater Garfield in einer Graphen-Matte.  Foto: Heiko Weckbrodt

Computer liest Emotionen

Aber auch unter Erwachsenen gilt die Wissenschaftsnacht als das Wissens-Update des Jahres schlechthin. Wer etwa dachte, nur Techniker setzen raffinierte Hightech-Geräte ein, wurde von den Geisteswissenschaftlern im Hörsaalzentrum eines besseren belehrt. Faszinierend war da zum Beispiel ein Computer, der die Emotionen der Zaungäste lesen konnte: Traurig, wütend, fröhlich, baff… „Diese Technik benutzen wir zum Beispiel, um die Wirkung von Werbesports zu messen“, erklärte einer der Forscher.

Mit "Robogate"-Nachrüstsätzen macht Robotron Dresden Kühlschränke wie Industriemaschinen fit fürs Internet der Dinge (IoT) und die Industrie 4.0. Dieser Kühlschrank zum Beispiel weiß immer, wenn jemand etwas mopst. Foto: Heiko Weckbrodt

Mit „Robogate“-Nachrüstsätzen macht Robotron Dresden Kühlschränke wie Industriemaschinen fit fürs Internet der Dinge (IoT) und die Industrie 4.0. Dieser Kühlschrank zum Beispiel weiß immer, wenn jemand etwas mopst. Foto: Heiko Weckbrodt

Leg Dich nicht mit dem Kühlschrank an!

Gleich nebenan bewiesen die Robotroner, dass sich moderne Kühlschränke im „Internet der Dinge“ nicht so leicht von nächtlichen Naschkatzen beschummeln lassen: Ausgerüstet mit sogenannten „Robogate“-Sensorsystemen und spezieller Bildanalyse-Software erkennen diese Haushaltsgeräte ganz genau, wer sich abends noch einen Schokokuss oder eine andere Kalorienbombe gönnt. „Unsere Systeme setzen namhafte Automobil-Unternehmen und Heizsystem-Herstellern für die Qualitätskontrolle ein, um die Ausschussrate zu senken“, berichtete ein Robotroner.

Am T-Systems-Stand zur Wissenschaftsnacht 2019 in Dresden. Foto: Dinh Thi Thao

Am T-Systems-Stand zur Wissenschaftsnacht 2019 in Dresden. Foto: Dinh Thi Thao

Ursache für Schlafstörungen in Geodaten-Massen erkennen

Ein paar Schritte weiter erläuterten die Dresdner Leibniz-Ökologen den Besuchern, wie sie durch die Analyse enormer Massen von Geodaten herausbekommen, warum unsereins nachts schlecht schläft.

Zecke unterm Mikroskop. Foto: Heiko Weckbrodt

Zecke unterm Mikroskop im unterirdischen Nanoanalytik-Zentrum DCN. Foto: Heiko Weckbrodt

Die unterirdische Uni ist vor allem eines: kühl

Und ein im Sommer besonders beliebter Arbeitsplatz führte die Neugierigen hinab in die unterirdische Uni: Unter dem Barkhausen-Bau haben die Physiker und Elektroniker ein Nanoanalytik-Zentrum eingegraben. „Die Anlagen dort sind in ihrer Zeitauflösung weit und breit einzigartig“, berichtete der Dresdner Mobilfunk-Guru Prof. Gerhard Fettweis sichtlich stolz. Die Mikroskope sind allerdings so empfindlich, dass sie erschütterungsfrei und tiefgekühlt unter der Erde montiert werden mussten. Und so wird der ganze Analytikbunker gleichbleibend auf die Temperatur eines Frühwintertages heruntergekühlt –für viele eine angenehme Abwechslung zur brütenden Hitze draußen.

Fast 700 Veranstaltungen für Neugierige

Während der Campus zwischen Berg- Münchner und Nöthnitzer Straße vor allem eine große Schaubühne für die Forschungen der Uni und ihrer Kooperationspartner in der Wirtschaft war, ließen sich in der Johannstadt die Planck-Gentiker, Krebsforscher und Uniklinik-Mediziner in die Karten schauen. Sie erklärten beispielsweise die personalisierte Medizin der Zukunft, bei der Erbgut- und Fett-Analysen helfen sollen, für jeden einzelnen Patienten die individuell passendste Therapie zu finden. Ingesamt hatten 118 Institute, Fakultäten und andere Forschungseinrichtungen an 66 Standortenzirka 690 Veranstaltungen organisiert, wie aus einer Statistik der Stadtverwaltung Dresden hervorgeht.

Und, ach ja, wo blieben Vater und Sohn hängen, die doch nach dem großen Plauz suchten? Beim ewigen Klassiker, der Uni-Feuerwehr – es geht doch nichts über den Moment, wenn das Wasser aus dem C-Rohr gegen die Papp-Fassade knallt…

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Recherche, TUD, Ceti, Robotron, Oiger-Archiv, LNdWDD, LHD u. a.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt