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Erste Dresdner Ämter ab 2025 ganz ohne Papierakten

Immer mehr digitale Archivalien - wie auch diese Tonband-Kassetetten ajus Nachwende-Zeiten - wandern ins elektronische Stadtarchiv Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Immer mehr digitale Archivalien – wie auch diese Tonband-Kassetetten aus Nachwende-Zeiten, die Archivarin Carola Schauer hier schiebt – wandern ins elektronische Stadtarchiv Dresden.Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Digital „geborene“ Akten wandern ab sofort in ein elektronisches Stadtarchiv

Dresden, 24. Mai 2019. Die Stadt Dresden wird in etwa fünf Jahren die ersten Fachämter auf die durchgängig digitale Verwaltung ohne Papierakten umstellen. Das teilte die Stadtverwaltung gestern während der Eröffnung des elektronischen Stadtarchivs mit. Demnach gilt die neue Arbeitsweise, wenn die ersten Mitarbeiter in das geplante Zweitrathaus am Ferdinandplatz einziehen, das voraussichtlich 2025 bezugsbereit sein wird. „Schon im neuen Verwaltungszentrum wird es keine Aktenschränke mehr geben“, kündigte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) in einer Mitteilung an.

Nur noch wechselnde Schreibtische für die Belegschaft

Der Eigenbetrieb für informationstechnologische (IT) Dienstleistungen entwickelt bereits die ersten Lösungen für die digitale Verwaltung. „Wir wollen dabei auch mobile Arbeitsplatzkonzepte einführen“, erklärte IT-Eigenbetriebsleiter Michael Breidung auf Anfrage. Die Beschäftigten werden in dieser neuen Verwaltungswelt keinen festen Arbeitsplatz mehr haben, sondern mobile Rechner beziehungsweise Telefone nutzen. Papier werde es war sicher für Notizen und dergleichen weiter geben, aber keine Papierakten mehr, betonte Breidung. „In Zukunft ergehen zum Beispiel die Bescheide für die Bürger von vornherein in elektronischer Form. Das digitale Dokument wird dann das Original sein.“ Ein Papierausdruck habe dann lediglich den Status einer Kopie.

Der Dresdner IT-Eigenbetriebsleiter Michael Breidung. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Dresdner IT-Eigenbetriebsleiter Michael Breidung. Foto: Heiko Weckbrodt

Wenn das Digitale zum Original wird

Und das hat rechtliche Folgen: Für viele Dokumente gilt nämlich die Pflicht, sie in ihrer Originalform aufzubewahren und nicht nur als Kopie. Darauf hat die Kommune mit dem nun offiziell freigeschalteten elektronischen Archiv geantwortet: Binnen 15 Jahren haben Stadtarchivare, IT-Eigenbetriebs-Experten und die Berliner Firma SER eine mögliche Lösung geschaffen, um die Verwaltungsakte der Digitalära auch in ihrer originalen elektronischen „Geburtsform“ aufbewahren zu können: Akten, Tonprotokolle, Pläne und andere Archivalien in digitaler Form. Da Festplatten nicht ewig halten, müssen die digitalen Unterlagen zwar künftig regelmäßig umkopiert werden. Aber sie sind nicht mehr darauf angewiesen, dass irgendwo im Rathaus oder Stadtarchiv bis zum letzten aller Tage ein uralter DOS-Rechner steht, und dies nur deshalb, damit Dokumente auf antiken Disketten später noch auslesbar bleiben. Vielmehr haben die Experten die Texte, Bilder und anderen Dokumente in genormte Formate gebracht und nach internationalen Archivstandards wie dem „Open Archival Information System“ (OAIS) abgelegt. Das Ziel dahinter: „Auch in 300 Jahren müssen diese Unterlagen für unsere Nachfahren noch lesbar sein“, sagt Breidung.

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert startet das elektronische Stadtarchiv. Foto (bearbeitet, freigestellt): Heiko Weckbrodt

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert startet das elektronische Stadtarchiv. Foto (bearbeitet, freigestellt): Heiko Weckbrodt

Hoffnung auf Lizenznehmer

Dresden hat damit nun das erste elektronische Kommunalarchiv zum Laufen gebracht – und hofft auf Nachahmer: „Wir haben dieses System so entwickelt, dass es auch für andere Kommunen in Sachsen nutzbar ist“, betonte Finanz- und Digitalbürgermeister Peter Lames (SPD). Und Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hofft auf eine „Pilotwirkung“. Sprich: Dresden würde sein aufwendig entwickeltes eStadtarchiv gerne an andere Städte weiterlizenzieren.

Hunderte Tonbandkassetten aus Wende- udn Nachwendezeiten digitalisiert

Zum Start in Dresden wird das eStadtarchiv in diesem Jahr mit zunächst fünf Billionen Byte (Terabyte) Daten gefüttert. Zum Archivstart kündigte Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Die Linke) auch ein besonderes Schmankerl an, das viele historisch ambitionierte Dresdner interessieren dürfte: Spezialisten haben Hunderte Tonband-Kassetten mit wichtige Aufnahmen aus der Wendezeit digitalisiert und ins Netz gestellt. Dazu gehören Protokolle von Sitzungen der Stadtverordneten von 1989 bis 1994 oder die erste gemeinsame Pressekonferenz von SED-Bürgermeister Wolfgang Berghofer und Vertretern der „Gruppe der 20“.

1,5 TB pro Jahr

In den Folgejahren wollen die Aktenbewahrer das eStadtarchiv schrittweise ausbauen. Sie möchten nicht ausgewählte Digitalakten aus der „laufenden Verwaltungsproduktion“ dort einpflegen, sondern auch nachträglich digitalisierte historische Dokumente. Breidung versprach den Archivaren etwa 1,5 Terabyte neuen Speicherplatz pro Jahr dafür.

Ausgewählte Dokumente nun online

Einsehbar sind einige Dokumente des Dresdner eStadtarchivs ab sofort im Internet unter der Adresse dresden.de/stadtarchiv, leider etwas versteckt über „Zur Recherche“ und „Archivplansuche“. Andere digitale Dokumente, die aus rechtlichen Gründen nicht ins Internet gestellt werden dürfen, sind im Lesesaal an der Elisabeth-Boer-Straße 1 einsehbar.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: LHD, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt