Wirtschaft

Unkaputtbar

WLT-Chef Michael Schwarz zeigt vor der Frauenkirche Dresden eines der Wälzlager zum 25. Firmenjubiläum. Foto: Heiko Weckbrodt

WLT-Chef Michael Schwarz zeigt vor der Frauenkirche Dresden eines der Wälzlager zum 25. Firmenjubiläum. Foto: Heiko Weckbrodt

Vor 25 Jahren gründete Ingenieur Schwarz die Wälzlagertechnik Dresden – heute ist die WLT ein Schlüsselzulieferer für die Hightech-Industrie

Dresden, 27. September 2015. Vor einem Vierteljahrhundert stellten sich die Lebensweichen für so gut wie alle 16 Millionen Ostdeutschen in eine neue Richtung – und so auch für den jungen Ingenieur Michael Schwarz. „Ich war damals 26 Jahre und naiv und blauäugig“, erinnert sich der Chef der Wälzlagertechnik (WLT) Dresden, die heute Hightech-Unternehmen in ganz Deutschland besonders anspruchsvolle Aufhängungen für rotierende Achsen und Wellen beliefert. Damals, als frischgebackener Maschinenbau-Absolvent der TU Dresden träumte er davon, inmitten der sozialistischen Planwirtschaft ein eigenes Ingenieurbüro zu gründen, mehr oder minder unabhängig von den Kadermühlen der „volkseigenen“ Betriebe (VEB) zu tüfteln.

Zunächst sah es ganz danach aus, als ob dies auch ein Traum bleiben würde: Schwarz bekam nach dem Studium eine Anstellung in der Dresdner Außenstelle des VEB Tisoma Chemnitz – eines Rationalisierungsmittelbau-Betriebes für die Textilmaschinen-Industrie, wie das damals genannt wurde. Doch dann kam die Wende, die kleine Welt der DDR ging den Bach runter und die Treuhand setzte die Tisoma-Belegschaft auf Kurzarbeit. Und damit sprang auch die biografische Weiche für Michael Schwarz um: Vor genau 25 Jahren, am 25. September 1990, gründete er mit der WLT ein eigenes Unternehmen, das inzwischen zu einer jener Firmen gewachsen ist, die Wirtschaftspolitiker und -theoretiker heute so gerne „Hidden Champion“ nennen: Eine Firma also, die sich in ihrer Marktnische eine überregionale Spitzenposition erarbeitet hat.

Hilfe statt Raubritter aus dem Westen

Und so oft in den Nachwende-Jahren auch über die „Raubritter“ aus dem Westen geschimpft wurde, die in den Osten kamen, um hier den schnellen Reibach zu machen – für Michael Schwarz waren es gerade die Kontakte mit einem westdeutschen Partner, die ihm überhaupt erst den Weg die Türen in die neue Wirtschaftswelt öffneten: „Ich ging eines Tages am Dresdner Rathaus vorbei und sah dort bunte Fähnchen, die für eine Unternehmer-Kontaktbörse warben“, erzählt er. Kurzentschlossen ging er hin, traf dort den BRD-Unternehmer Robert Braun, der einen Ostvertreter für seinen Wälzlager-Handel suchte – und bald war die Partnerschaft perfekt. „Wir haben schon im ersten Jahr schwarze Zahlen geschrieben“, erinnert sich der WLT-Chef. Auch als die Banken später der noch jungen Firma den Geldhahn zudrehen wollten, half wieder der westdeutsche Kompagnon, das Ruder herumzureißen.

Foto: Wältlagertechnik Dresden

Foto: Wälzlagertechnik Dresden

Standard-Wälzlager für viele Hightech-Firmen nicht gut genug

Und mit dem Wälz- und Kugellager-Handel erwirtschafteten Geld konnte Schwarz statt des anfänglichen WLT-Domizils – ein Tisoma-Clubraum an der Grenzstraße – einen eigenes Betriebsgebäude im Industriegelände Nord hochziehen, eine Belegschaft aus qualifizierten Spezialisten aufbauen, der er für den nächsten Schritt brauchte: Viele Kunden aus der sächsischen Hochtechnologie-Industrie stießen mit den Standard-Wälzlagern, die Schwarz ihnen verkaufte, an Grenzen: In den Dresdner Chipfabriken zum Beispiel wurden besonders präzise und abnutzungsfreie Lager gebraucht, um die Halbleiterscheiben von Anlage zu Anlage zu transportieren. Andere Kunden arbeiteten wollten Wälzlager in Vakuumkammern oder in der Pharma-Produktion einsetzen, wo Laufruhe, Genauigkeit und Sauberkeit aller rotierenden Anlagenteile nicht weniger wichtig sind. Und als Ingenieur wusste Schwarz natürlich, an welchen technologischen Stellschrauben man drehen kann, um Wälzlager haltbarer und besser zu machen – bloß war dies eben für die großen Hersteller in der Branche angesichts der kleinen Stückzahlen, die hier gebraucht werden, nicht lukrativ genug.

Ein WLT-Mitarbeiter untersucht an einem Mess- und Prüfstand ein Präzisions-Wälzlager. Foto: WLT

Ein WLT-Mitarbeiter untersucht an einem Mess- und Prüfstand ein Präzisions-Wälzlager. Foto: WLT

Vom Händler zum Hersteller

Und so wurde aus dem Händler ein Hersteller: Indem er zum Beispiel Kugeln und Walzen aus Keramik und anderen Hochleistungswerkstoffen einsetzte, bessere Schmiermittel verwendete und auf besonders präzise Fertigungsverfahren – zum Beispiel mit Lasern – setzte, entwickelte die WLT ein Sortiment an Wälzlagern in „Premiumqualität“, die auch Hitze, aggressiven Chemikalien und hohen Beschleunigungen standhalten und auch für den Einsatz in Reinräumen und Vakuumkammern geeignet sind. Die werden zwar nicht in großen Mengen benötigt, aber Kunden aus der Hochtechnologie-Branche in ganz Deutschland sind eben darauf angewiesen, dass jemand wie Schwarz solche Sonder-Wälzlager in kleinen Serien anbieten kann. Mittlerweile machen eigene Wälzlager etwa 35 Prozent des WLT-Umsatzes aus.

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Spezialist in der Nische

Und an dieser Nachfrage ist die WLT auch gewachsen: 2,5 Millionen Euro hat die WLT im Jahr 2014 realisiert und beschäftigt inzwischen elf Mitarbeiter. Damit ist seine Firma alles andere als ein Großunternehmen, aber Michael Schwarz ist darüber gar nicht so böse: Wenn wir zu groß werden, dann wachsen wir nur für die ganz Großen der Branche zu einem Dorn im Auge, so meint er. Und ob ein eher kleines Unternehmen wie seines einen „Krieg“ mit den Großen durchstehen könnte – da ist er skeptisch. Schwarz und sein Team tüfteln da lieber im Stillen an neuen Technologien, zum Beispiel an Nanotech-Beschichtungen, die die Wälzlager noch reibungsärmer machen sollen. Sein Ziel dabei ist in gewisser Weise etwas unmarktwirtschaftlich, hat eher was vom Ansatz der besseren DDR-Betriebe, möglichst langlebige Sachen zu bauen: Wälzlager, die niemals kaputt gehen, die ein Maschinenleben lang rollen und rollen und rollen…

Autor: Heiko Weckbrodt

Schematischer Aufbau eines Wälzlagers (hier der Spezialfall Kugellager). In der Mitte ist die Achse eingesteckt, die sich durch die mitrollenden Kugeln möglichst reibungsarm drehen soll. Abb.: PlusMinus, Wikipedia- GNU-Lizenz

Schematischer Aufbau eines Wälzlagers (hier der Spezialfall Kugellager). In der Mitte ist die Achse eingesteckt, die sich durch die mitrollenden Kugeln möglichst reibungsarm drehen soll. Abb.: PlusMinus, Wikipedia, GNU-Lizenz

Was sind eigentlich Wälzlager?

Wälzlager bestehen aus einem kleineren und einem größeren Ring – meist aus Stahl – zwischen denen sich kleine geschmierte Kugeln oder Walzen drehen. Im inneren Ring werden dann rotierende Wellen oder Achsen eingeschoben, die sich durch diese Konstruktion in einer Anlage drehen können. Umso präziser und verschleißfester die Walzen bzw. Kugeln zwischen beiden Stahlringen sind, umso weniger Antriebsenergie an den Wellen bzw. Achsen geht durch Reibung verloren. Beeinflussen kann man die Laufruhe und Langlebigkeit der Konstruktion auch durch besonders leistungsfähige Schmierstoffe und hochwertigere Werkstoffe für die Wälzlager.

Fertigungspräzision, Werkstoffe und Schmierstoffe bestimmten zudem auch mit, wieviel Material sich mit der Zeit im Wälzlager abreibt und als feine Schmutzteilchen nach außen entweicht. In Reinräumen oder Vakuumanlagen sind solcher Abrieb besonders unerwünscht, da er die gesamte Produktion „vergiften“ kann.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt