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Amazonas-Regenwald breitet sich in Dresden aus

Blick vom Turm auf das Amazonas-Panoramabild. Foto: Panometer

Blick vom Turm auf das Amazonas-Panoramabild. Foto: Panometer

Im Panometer Reick lädt das Panorama „Amazonien“ zur Reise durch den tropischen Regenwald.

Dresden, 12. Februar 2024. Im Panometer Dresden nimmt das faszinierende 360-Grad-Panorama „Amazonien“ von Yadegar Asisi die Besucher mit auf eine Entdeckungsreise durch den tropischen Regenwald. Eine Lichtinstallation, die Tag- und Nacht binnen 24 Stunden simuliert, sowie eine eigens von Eric Babak komponierte Musik unterstützen das, was im hyperrealistischen „Wimmelbild“ an Flora und Fauna des Dschungels gezeigt wird.

Neue Licht-Bild-Ton-Installation löst im alten Gasspeicher das barocke Dresden ab

Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da. Das wissen auch die Tiere im Amazonas. Jedenfalls die nachtaktiven. Und das sind die meisten. Wer über schon mal in einem Dschungel geschlafen hat, der weiß, wie laut es in der Nacht wird. Es zirpt und zischt, surrt und gurrt, schreit und kreischt, quakt und quiekst. Mal muss ein Weibchen angelockt werden, mal ein Artgenosse vor einem Raubtier gewarnt werden, mal … Welche bemerkenswerte Geräuschkulisse im Regenwald herrscht, das führt nun die neue Sonderausstellung „Amazonien“ im 1880 erbauten Panometer in der Gasanstaltstraße 8b in Reick vor Augen. Ja, es gab einen Ausstellungswechsel im historischen Ex-Gasspeicher. Nach 18 Jahren heißt es „Aus die Maus“ für die ungemein erfolgreich gelaufene Ausstellung „Dresden im Barock – Mythos der sächsischen Residenzstadt“. Zuletzt wurden dort noch etwa 100 000 Besucher im Jahr gezählt, aber alles hat mal ein Ende… Nun geht es also in den Regenwald, erstmal wird ein Naturthema präsentiert.

Yadegar Asisi bei der Arbeit am Amazonas-Panorama. Foto: Felix Broede via panometer-dresden.de

Yadegar Asisi bei der Arbeit am Amazonas-Panorama. Foto: Felix Broede via panometer-dresden.de

Reminiszenz an Humboldts „Zauberbild der Natur“

Es ist eine Welt zum Staunen, die der Berliner Künstler Yadegar Asisi dank unzähliger Helfer „eines wahrhaft tollen Teams“ vor Augen führt. Viermal bereiste er die Amazonasregion, um den genius loci zu absorbieren und das Konzept des Regenwald-Panoramas zu entwickeln. Asisi, geboren 1955 in Wien als Kind persischer Emigranten, der dann in Dresden Architektur und an der Hochschule der Künste in Berlin Malerei studierte, räumte bei einem Rundgang ein, dass er die ersten Touren bewusst „ohne zuvor erworbenes Wissen“ unternommen habe, es sei ihm „um den ersten Eindruck“ gegangen, „was das Zauberbild der Natur angeht“. Zauberbild der Natur – die Sentenz stammt von Wilhelm von Humboldt. Die Reproduktion eines Bildes des berühmten Naturforschers ist zum Auftakt des Ausstellungsrundgangs zu sehen, an ihm schätzt Asisi nicht zuletzt, dass er „der erste war, der die Komplexität der Natur begriffen hat“.

Gleichermaßen Spektakel wie Wissensvermittlung

Asisi will die Besucher nicht nur mit einem optischen Spektakel in Bann schlagen, „Wissen vermitteln“, ein bisschen jedenfalls, will er schon auch. Bevor es ins „Allerheiligste“ geht, die Rotunde, wo 360-Grad-Panorama „Amazonien“ hängt, wird man mit Texttafeln und auch einem Film nicht nur über den Schaffensprozess des Kunstwerks informiert, sondern auch über Flora und Fauna in Mutter (Regenwald-)Natur. Es soll dem Besucher so ergehen wie Asisi, der sich hinterher schlau machte und dann jedes Mal dachte: „Ach so ist das?! Also das hätte ich so nicht gedacht!“

Von Glasflügelfaltern, Spinnen und Termiten

In der Tat, wer hätte gedacht, dass unter dem Begriff Glasflügelfalter Arten aus mehreren Schmetterlingsfamilien zusammengefasst werden, die teilweise durchsichtige Flügel haben und sich so perfekt tarnen können? Oder wer außer den üblichen Nerds weiß, dass die häufigsten Ureinwohner im Amazonasgebiet zumeist sechs Beine haben – die Insekten. Aber auch achtbeinige Spinnen sowie Hundert- und Tausendfüßler sind zahlreicher vertreten als vierbeinige Wirbeltiere. Ameisen und Termiten sind zusammen wiederum – auch wir nehmen an dieser Stelle den Bildungsauftrag ernst – schwerer als alle vier- und zweibeinigen Bewohner. 32 Insektenkästen, das Gros davon voller aufgespießter Schmetterlinge, können in Augenschein genommen werden. Und ja, die ganze Sache ist definitiv auch für Kinder geeignet, sogar an eine extra Kinderlinie mit Informationen auf Augenhöhe wurde gedacht. Generell habe man „viele Ideen, das Panorama mit Konzerten, spannenden Informationsveranstaltungen oder Aktionstagen zu ergänzen“, teilte Mandy Streit mit, die Leiterin des Panometers Dresden.

Zehntausende Fotos als Vorlagen geschossen

Das Rundbild im XXXXXL-Format ist das Ergebnis Zehntausender Fotoaufnahmen sowie unzähliger Skizzen und Aquarelle Asisis, der nicht zuletzt den Artenreichtum der tropischen Natur sowie „die komplexen miteinander verzahnten Mechanismen des Ökosystems“ vor Augen führen wollte. Kann nie schaden. Die Wälder der Erde sind bedroht: Manche Waldbrände wurden von Menschen gelegt, andere durch den Klimawandel begünstigt, erstaunt nimmt man allerdings zur Kenntnis, dass es das ökologische Desaster immer nur dann in die Medien schafft, wenn es im Amazonas brennt, dabei brennen Jahr für Jahr auch die Wälder in Zentralafrika und in Sibirien, aber Russland hat ja seit Neuesten einen Angriffskrieg zu führen.

3000 Quadratmeter Bildfläche

Aber zurück zum zylindrischen Amazonien-Panorama Asisis im Maßstab 1:1. Hier ein paar Fakten, die nie schaden können und nicht nur für Zahlfetischisten und studierte Mathematiker interessant sein dürften. Die Bildfläche beträgt rund 3000 Quadratmeter, der Umfang etwa 107 Meter und die Höhe 27 Meter. Was das Material angeht, handelt es sich um Spezialtextil aus Polyester, bedruckt laut Mitteilung „im Sublimationsdruckverfahren“. Rund 4000 Meter Garn wurden vernäht, das entspricht laut Mitteilung in etwa der Strecke vom Panometer zum Blauen Wunder. Zum Rundgang gehört, dass mittels originaler Skizzen, Naturstudien und Malereien Asisis der künstlerische Aneignungsprozess vermittelt wird.

Optische Qualität verbessert

An sich war „Amazonien“ war bereits 2009 in Leipzig, 2015 in Rouen in Frankreich sowie 2017 in Hannover zu sehen. Eigens für den Dresdner Panometer wurde das Werk mit modernster Bildbearbeitungstechnik überarbeitet und sowohl optisch als auch inhaltlich um zahlreiche Details erweitert. So wurden neueste wissenschaftliche Erkenntnisse über die präkolumbische Besiedlung der Region in Form von archäologischen Artefakten als Reminiszenz an diese Zeit in das Panorama integriert. Dank hochauflösenden Drucks kann das Kunstwerk nun in noch höherer optischer Qualität präsentiert werden.

Wie immer kann man nicht nur unten am Rand der Rotunde umherlaufen, sondern auch einen 15 Meter hohen Turm besteigen. Der beste Ausblick ist dieses Mal nicht ganz oben, wie sonst bei Stadtansichten Asisis, sondern die beste Perspektive hat man auf der mittleren Etage in zwölf Metern Höhe, auf „der sechsten Ebene“ um es mal mit den Worten Asisis zu sagen.

Wimmelbild mit Opossum und Pfeilgiftfrosch

Es ist das reinste Wimmelbild, das sich bietet. Mit Wonne sucht man nach Tieren. Wer findet den Kaiman? Wo ist das Gürteltier? Wo das Opossum? Und dieser Frosch da auf dem Blatt, ist das ein Pfeilgiftfrosch? In bewährter Manier unterstützen eine Lichtinstallation, die Tag- und Nacht binnen 24 Stunden simuliert, sowie eine eigens von Eric Babak komponierte Musik das, was im hyperrealistischen Kunstraum gezeigt wird, als da wären Bergregenwälder und Flussniederungen, Lichtungen und Gewässer, Baumriesen oder ein sich öffnendes Tal. Mitten im Grün ist eine Fläche sehr rötlich, da scheint ein Hang abgerutscht zu sein. Aus der Dichte des (also fast) grünen Kosmos mit Bäumen, die weit in den Himmel wachsen scheinen, und langen Wurzeln, die scheinbar aus der Luft herabhängen, treten verschiedenste exotische Bewohner des Naturraumes ins Sichtfeld: zum Beispiel fleischfressende Pflanzen in leuchtenden Farben, Kolonien von Riesenameisen oder Indios bei den verschiedensten Tätigkeiten. Kinder spielen, ein Mann chillt in der Hängematte, ein anderer zielt mit Pfeil und Bogen nach oben, was deutlich macht, dass Indios eher keine Vegetarier sind.

Ganz außen vor ist die moderne Welt nicht geblieben, die Kinder tragen keinen Lendenschurz, sondern kurze Hosen, definitiv nicht im Regenwald produziert, sondern eher in einem Sweatshop in Bangladesch. Apropos Sweat, also Schweiß: Es gibt nur ein (zu verschmerzendes) Manko, dass das neue Amazonas-Panorama hat. Um den Gesamteindruck komplett zu machen, müssten eigentlich schweißtreibende Temperaturen herrschen. Es ist schwül und heiß dort, das ist es im kühlen Panometer nicht.

Kurzinfos

  • Ausstellungstitel: „Amazonien“
  • Ort: Panometer Dresden, Gasanstaltstraße 8b
  • Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 10 bis 17 Uhr, Sa., So. & feiertags. 10 bis 18 Uhr
  • Eintritt: 14 Euro, Kinder (6 bis 16 Jahre) Euro
  • Führungen: tgl. 11 und 14 Uhr (4 Euro pro Person zzgl. Eintritt.
  • Telefon: 0351-4864 4242
  • Internet: www.panometer-dresden.de
  • Mehr Infos: www.asisi.de und panometer-dresden.de

Autor: Christian Ruf

Quelle: Vor-Ort-Besuch und Pressematerial Panometer

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt