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8000 Jahre alt: Älteste Festung der Welt entdeckt

So oder so ähnlich könnten die Befestigungen von Siedlungen wie Amnya ausgesehen haben. Visualisierung: Dall-E

So oder so ähnlich könnten die Befestigungen von Siedlungen wie Amnya ausgesehen haben. Visualisierung: Dall-E

Sibirische Fischer legten in Amnya bereits vor den ersten Bauern komplex befestigte Siedlungen an

Amnya/Berlin, 6. Dezember 2023. Deutsche und russische Archäologen haben in Sibirien die älteste bisher bekannte Festung der Welt entdeckt: Die Siedlung Amnya wurde anscheinend bereits vor rund 8000 Jahren von Jägern und Sammlern befestigt. Es handele sich um eine „bahnbrechende archäologische Entdeckung“, schätzen Forscher und Forscherinnen der Freien Universität (FU) Berlin ein, die die Ausgrabungen geleitet hatte.

FU-Forscher: Das verändert unser Verständnis der frühen menschlichen Gesellschaften

Diese Erkenntnis verändert unser Verständnis der frühen menschlichen Gesellschaften“, betont Professor Henny Piezonka vom FU-Institut für Prähistorische Archäologie. Sie stelle „die Vorstellung infrage, dass die Menschen erst mit dem Aufkommen der Landwirtschaft begannen, dauerhafte Siedlungen mit monumentaler Architektur zu bauen und komplexe soziale Strukturen zu entwickeln“.

Reiche Ressourcen der Taiga spielten Schlüsselrolle

Beteiligt an den Ausgrabungen und Analysen waren Teams aus Berlin, Kiel und Jekaterinburg. Durch Radio-Kohlenstoffdatierungen konnten sie das Alter der Siedlung bestimmen. Auch über den Alltag der damaligen Bewohner Amnyas fanden die Teams Näheres heraus: „Menschen Unsere neuen paläobotanischen und stratigraphischen Untersuchungen zeigen, dass die Bewohner Westsibiriens einen hoch entwickelten Lebensstil führten, der auf den reichhaltigen Ressourcen der Taiga basierte“, berichtet Studien-Mitautorin Tanja Schreiber. Demnach fingen die Einwohner Fische im Fluss Amnya und jagten Elche und Rentiere mit Knochen- und Steinspeeren. Um ihre Vorräte an Fischöl und Fleisch zu konservieren, stellten sie kunstvoll verzierte Töpferwaren her. Die Befestigungen umfassten mindestens zehn Festungsanlagen mit Grubenhäusern, die von Erdwällen und Holzpalisaden umgeben waren.

Trend zur Festung setzte schon vor Übergang zu Ackerbau und Viehzucht ein

„Die sibirischen Funde tragen zusammen mit anderen weltweiten Beispielen wie etwa Göbekli Tepe in Anatolien zu einer umfassenderen Neujustierung bisheriger evolutionistischer Vorstellungen bei, die eine allmähliche Entwicklung von einfachen zu komplexen Gesellschaften nahelegen“, schätzt Prof. Piezonka ein. Demnach gab es schon vor den ersten bäuerlichen Gesellschaften weltweit von der koreanischen Halbinsel bis nach Skandinavien entwickelte Jäger-Sammler-Gemeinschaften, die zum Beispiel vom Fischfang lebten und teils große und oftmals sesshafte Siedlungen bauten.

Stammes-Konflikte wohl älter als gedacht

„Der Reichtum an natürlichen Ressourcen in der sibirischen Taiga, wie jährliche Fischzüge und wandernde Herden, spielte wahrscheinlich eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Jäger-Sammler-Forts“, meint Piezonka. „Die befestigten Siedlungen mit Blick auf die Flüsse dienten möglicherweise als strategische Standorte zur Kontrolle und Ausbeutung der ergiebigen Fischgründe.“ Zudem widerlege der Wettbewerbscharakter der prähistorischen Bauten „frühere Annahmen, dass es in Jäger- und Sammlergesellschaften keine größeren Konflikte gab“.

Jericho ist die ältere Stadt – doch wurde wohl erst später zur Festung

Hintergrund: Lange Zeit galten die Mauern von Jericho, Uruk und anderen frühen Städten im Nahen Osten, Mesopotamien und Anatolien als älteste Beispiele für befestigte Siedlungen beziehungsweise Festungen. Dieses Bild relativiert sich jedoch zunehmend – insbesondere, wenn man zu den Festungen auch jene Siedlungen zählt, die mit komplexeren Abfolgen von Erdwällen, Gräben und Palisaden – also noch ohne Steinmauern – geschützt waren. So gilt Jericho zwar weiter als ältestes ummauerte Stadt, die uns bekannt ist. Die Kommune selbst wurde zwar womöglich schon vor 11.000 Jahren gegründet. Die Stadtmauern wurden aber wohl erst deutlich später errichtet.

Autor: hw

Quellen: FU Berlin, Wikipedia

Wissenschaftliche Publikation:

„The world’s oldest-known promotory fort: Amnya and the acceleration of hunter-gatherer diversity in Siberia 8000 years ago” von Henny Piezonka, Natalya Chairkina, Ekaterina Dubovtseva, Lyubov Kosinskaya, John Meadows und Tanja Schreiber, in: „Antiquity“, 12/2023, Fundstelle im Netz: https://doi.org/10.15184/aqy.2023.164

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt