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Ifo Dresden: Deutsche müssen länger arbeiten, um Sozialsysteme zu stabilisieren

Der demografische und politische Sonderwünsche belasten die Rentensysteme und andere Sozialversicherungen zunehmend. Visualisierung: Dall-E

Der demografische und politische Sonderwünsche belasten die Rentensysteme und andere Sozialversicherungen zunehmend. Visualisierung: Dall-E

Beitragspflichten für Zins-, Mieten und Wohlhabende würden hingegen kaum helfen

Dresden, 19. August 2023. Wenn künftig auch für Zinsen und Mieteinnahmen neben Steuern zusätzlich Kranken-, Pflege- und Rentenbeiträge bezahlt werden müssten, würde dies die deutschen Sozialversicherungssysteme kaum stärken. Das haben Dresdner Ifo-Forscher ausgerechnet.

Mehreinnahmen durch ausgeweitete Beitragspflicht wären gering

„Aktuell wird eine Ausweitung der Beitragspflicht auf alle Einkunftsarten diskutiert, also auch auf Zins-, Gewinn- und Mieteinnahmen“, erklärte Prof. Joachim Ragnitz von Ifo Dresden. „Die dadurch erzielbaren Mehreinnahmen wären jedoch verschwindend gering“, sagt von der Niederlassung des ifo Instituts in Dresden.“

Kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein

Für die gesetzliche Rentenversicherung würde dies beispielsweise 5,6 Milliarden Euro Mehreinnahmen bedeuten – bei Gesamtausgaben in Höhe von 341 Milliarden Euro. „Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung sind die erzielbaren Mehreinnahmen mit 5,3 Milliarden Euro angesichts der Gesamtausgaben von 275 Milliarden Euro zu vernachlässigen“, meinen die Ifo-Ökonomen. „Grund hierfür ist, dass sozialversicherungspflichtig Beschäftigte typischerweise nur geringe zusätzliche Einnahmen aufweisen.“

Mit Beitragspflichten steigen letztlich auch Rentenzahlungen

„Höhere Einnahmen ließen sich erzielen, wenn auch die Beitragsbemessungsgrenze abgeschafft würde oder weitere Personengruppen in die Sozialversicherungspflicht einbezogen würden“, argumentiert Ragnitz. „Allerdings steigen dann zumindest in der Rentenversicherung mittelfristig auch die Zahlungsansprüche.“ Denn wenn beispielsweise Unternehmer und Reiche in die Rentenversicherung einzahlen müssten, müssten mit einigen Jahrzehnten Verzögerung auch deren viel höhere Rentenansprüche zu begleichen sein. Insofern wäre das allenfalls eine Lösung für eine Regierung, die nur ein, zwei Legislaturperioden weit denkt. „Ein Beitrag zur Erhöhung der Nachhaltigkeit der Rentenversicherung ist das also nicht“, meint Ragnitz.

Längere Lebensarbeitszeit kaum zu umgehen

Und Ifo-Niederlassungsleiter Marcel Thum ergänzt: „Um die Sozialversicherungssysteme demografiefest zu machen, führt kein Weg an Anpassungen auf der Ausgabenseite vorbei. Dazu gehört in der Rentenversicherung auch eine längere Lebensarbeitszeit.“

Das Kernproblem dabei ist schon seit Dekaden bekannt: Wenn in Deutschland immer mehr Rentner leben und die Rentenversicherung immer mehr politisch gewünschte Zusatzleistungen wie eine Mütterrente zahlen soll, die Zahl der Erwerbstätigen stagniert oder aber im besten Falle ganz leicht wächst, reichen die Beitragseinnahmen langfristig auf keinen Fall aus, um die versprochenen Renten zu finanzieren.

Autor: hw

Quellen: Ifo Dresden, Destatis

Wissenschaftliche Publikation:

„Wie viel Beitragsaufkommen lässt sich durch die Einbeziehung zusätzlicher Einkommenskomponenten in der Sozialversicherung erzielen?“ von Anne Steuernagel und Marcel Thum, in: Heft 05/2023 der Zeitschrift „ifo Dresden berichtet“, Fundstelle im Internet hier

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt