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Auf dem Weg zum Quantenprozessor Kupferkristalle kalt gestapelt

Das Forschungsteam des "Superpuddles Lab" im IFW Dresden (von links nach rechts): Yejin Lee, Mickey Martini an der Glovebox, Tommaso Confalone und Dr. Nicola Poccia. Foto: R. Uhlemann für das IFW Dresden

Das Forschungsteam des „Superpuddles Lab“ im IFW Dresden (von links nach rechts): Yejin Lee, Mickey Martini an der Glovebox, Tommaso Confalone und Dr. Nicola Poccia. Foto: R. Uhlemann für das IFW Dresden

Leibniz-Forscher entwickeln Nano-Supraleiter, die auch Luft und Wasser vertragen

Dresden, 28. März 2023. Viele Computerexperten und Physiker, aber auch Spione und Politiker erwarten Großes von den noch jungen Quantenrechner: Sie wollen damit komplexe Klima-Simulationen in Windeseile erledigen, jeden Code knacken und andere Spezialaufgaben erledigen, für die klassische Digitalrechner Monate oder Jahre brauchen. Doch bisher sind gibt es erst wenige Quantencomputer und die sind meist riesig, sehr teuer und müssen extrem tief gekühlt werden, damit sie überhaupt funktionieren. Ein Forscherteam um Dr. Nicola Poccia vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) Dresden hat nun Ministapel aus Kupferverbindungen (Cuprat-Kristalle) entwickelt, die womöglich den Weg zu supraleitenden Quanten-Prozessoren ebnen könnten, die künftig massenhaft in Chipfabriken hergestellt werden sollen. Dies könnte den alltäglichen Praxiseinsatz von Quantencomputern schon in naher Zukunft unterstützen.

Bis auf ein paar Zehntel Nanometer genau

„Die verbesserte Kontrolle dieser so geschaffenen, dreidimensionalen Cupratstrukturen von wenigen Zehntel Nanometern soll es zukünftig ermöglichen, ganz neue elektronische Schaltkreise zu entwerfen“, berichten die IFW-Forscher. Diese Cuprat-Stapel könnten auch innovative Sensoren ermöglichen – und den Physikern helfen, das Phänomen der Hochtemperatur-Supraleitung besser zu untersuchen.

Anfangs brach Strom-Widerstand nur bei Nullpunkt-Quecksilber zusammen – heute geht’s um Hochtemperatur-Supraleiter

Hintergrund ist ein vor über 100 Jahren entdeckter Effekt: Bei sehr tiefen Temperaturen leiten bestimmte Materialien Strom ohne jeden Widerstand. Was anfangs nur mit Quecksilber und Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt klappte, ist inzwischen auch auch mit vielen Spezial-Keramiken bei höheren Temperaturen möglich, die sich mit flüssigem Stickstoff erreichen lassen. Diese Keramiken nennen die Physiker deshalb „Hochtemperatur-Supraleiter“ – obgleich die Suche nach Supraleitern, die auch bei Zimmertemperturen funktionieren, weiter anhält.

Bessere Supraleiter für Medizin, Elektroautos und Quantencomputer gefragt

Interessant sind solche Superleiter, um extrem starke Magneten zum Beispiel für Teilchenbeschleuniger und medizinische Tomographen zu bauen, um künftig einmal hocheffiziente Elektroautos zu konstruieren – und eben für Quantencomputer. Ein Problem dabei: Die heutigen Hochtemperatur-Supraleiter reagieren oft recht empfindlich auf Wasser, Sauerstoff und andere alltägliche Umwelteinflüsse, was eine Massenproduktion eben zum Beispiel von Quanten-Sensoren oder -Prozessoren in heutigen Chipfabriken schwer machen würde.

Neue Anlage kann einfache Supraleit-Schaltkreise stricken

Deshalb hat sich das Kollektiv um Dr. Poccia im „Super Puddle Lab“ des IFW nun dünne Cupratkristalle bei extremer Kälte gestapelt, durch Grenzflächen isoliert und gekapselt. Daraus entstehen feinstrukturierte 3D-Supraleiter von wenigen Zehntel Nanometern Strukturgröße. Und die lassen sich dann zu Schaltkreisen weiterverarbeiten lassen, ohne gleich beim ersten Kontakt mit Luft oder Wasser zu degenerieren. Eigens für ihre Cuprat-Superleiter entwickelten die Forscher auch eine Anlage, die „unter Ausschluss von Wassermolekülen und ohne den Einsatz von Polymeren oder anderen Chemikalien, die die Eigenschaften des Hochtemperatursupraleiters beeinträchtigen würden, einfache Schaltkreise zusammensetzen“ kann.

Interessant könnten diese Cupratstapel und die dafür entwickelten Anlagen auch konkret für die Dresdner Chipindustrie und -entwicklung werden, die sich bereits seit einiger Zeit an quantentechnologischen Forschungsprojekten und dem Entwurf von Quanten-Prozessoren beteiligt. Ein Durchbruch hin zur Praxisreife ist in diesem noch jungen Technologiesektor allerdings noch nicht gelungen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IFW DD, Oiger-Archiv

Wissenschaftliche Publikation:

Yejin Lee u. a.: „Encapsulating High-Temperature Superconducting Twisted van der Waals Heterostructures Blocks Detrimental Effects of Disorder“, in: „Advanced Materials“, 2023, Im netz hier zu finden: https://doi.org/10.1002/adma.202209135

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt