Ausflugstipp, zAufi

Pyramide aus der Heimat für Frontsoldaten

Im Erzgebirge entstanden im II. Weltkrieg auch Pyramiden für die Frontsoldaten, die - in Einzelteile zerlegt - in eine Feldpostschachtel passten. Repro: Christian Ruf

Im Erzgebirge entstanden im II. Weltkrieg auch Pyramiden für die Frontsoldaten, die – in Einzelteile zerlegt – in eine Feldpostschachtel passten. Repro: Christian Ruf

In der Pirnaer Weihnachtsausstellung ist auch eine Pyramide ausgestellt, die vom Heimatwerks Sachsen zu NS-Zeiten verschickt wurde.

Pirna, 3. Dezember 2022. „Mit allen guten Wüschen für Gesundheit, Soldatenglück und eine gesunde Heimkehr – Heil Hitler!“ heißt es auf einem Beipackzettel zu einer Stabpyramide aus Seiffen, wie sie im Zweiten Weltkrieg zu Tausenden als Weihnachtsgruß an die Front geschickt wurde. In ihre Einzelteile zerlegt, passte sie exakt in eine damals übliche Feldpostschachtel, der zudem eine Anleitung in Fraktur begleitet wurde. Entworfen wurde die Stabpyramide vom Spielwarenhersteller und Direktor der Seiffener Fachschule Max Schanz, der von 1895 bis 1953 lebte und auf dem Beipackzettel ebenso nolens volens unterschrieb, wie der Bürgermeister der Gemeinde sowie der stellvertretende NSDAP-Ortsgruppenleiter in Seiffen.

Extra für die Feldpostschachtel entwickelt

Die Pyramide entwickelte Schanz zusammen mit der Kunsthandwerkerin Elfriede Jahreiss extra für den Versand in Feldpostschachteln. Die „Liebesgabe“ aus der Heimat ist in viele Einzelteile aus in Handarbeit gedrechselten, geschnitzten, gesägten und bemalten Holz zerlegt. Das Kopftuch der Maria und die Hutkrempen der Hirten bestehen aus Papier, das Jesuskind ist mit einem Leinentuch zugedeckt. Eine solche Pyramide ist auch in der „Bewegte Ruhe“ im Pirnaer Stadtmuseum zu sehen, in der zum einen alte Schattenspiele aus Sebnitz präsentiert werden, zum anderen nicht minder aparte Weihnachtspyramiden aus über 100 Jahren.

Weihnachtsgruß in der Feldpost im II. Weltkrieg. Repro: Christian Ruf

Weihnachtsgruß in der Feldpost im II. Weltkrieg. Repro: Christian Ruf

Sinnvoll, auch historisch belastete Objekte zu zeigen

So historisch belastet das Objekt sein mag, es ist des Ausstellungsmachern hoch anzurechnen, dass sie, obwohl es Zeiten moralischer Dauerempörung sind, das heikle Thema anschneiden. Auf der Texttafel wird vermerkt, dass Pyramiden an sich in den 1930er und 1940er Jahren durchaus zur Grundausstattung einer erzgebirgischen Weihnachtsausstellung gehörte. Aber die NS-Machthaber instrumentalisierten die starke Verbundenheit der Bevölkerung mit dieser Tradition „für ihre strategischen Ziele“, weshalb zumindest manche Soldaten in den Genuss einer solchen einfachen, leicht zusammenbaubaren Pyramide kamen, schon um den Frontkämpfern „das Bild einer weiterhin intakten Heimat“ zu vermitteln, „für die es sich zu kämpfen“ lohne.

Gauleiter und Staatskanzlei gründeten 1936 „Heimatwerk Sachsen“

Die Nationalsozialisten gründeten 1936 mit dem „Heimatwerk Sachsen“ eine Organisation, die darauf abzielte, alle regionalkulturellen Bestrebungen in Sachsen zu koordinieren und zu kontrollieren. Die Initiative dazu war von Sachsens Gauleiter Martin Mutschmann und der sächsischen Staatskanzlei ausgegangen. Die formale Gründung machte es möglich, im Vorfeld der NSDAP (mit eigener Kasse) zu agieren. Während der Vorsitzende Friedrich Emil Krauß nur repräsentative Aufgaben wahrnahm, lag die eigentliche Führung des „Heimatwerks“ bei Graefe und dem Leiter der Staatskanzlei Curt Robert Lahr. Beiräte, in denen verschiedene Gauämter, NSDAP-Gliederungen, Bildungseinrichtungen, Fremdenverkehrsorganisationen und die regionalen Vereine und Verbände vertreten waren, dienten der Unterordnung unter die „Heimatwerk“-Zentrale in Dresden.

Ausstellungen und soldatische Erziehung

Nach einer Aufbauphase 1936/37 trat das Heimatwerk seit 1937 hauptsächlich mit Ausstellungen (so etwa die „Feierohmd“-Schau in Schwarzenberg 1937, die „Schneeberger Weihnachtsschau“ 1938 oder auch „Große Männer Sachsens im Bild“ 1939), einem breiten Publikationsprogramm, Preisausschreiben und der Sprecherziehung der sächsischen Bevölkerung hervor. Alle in allem betrieb das Heimatwerk laut Texttafel „eine Kulturpolitik, die auf den Krieg vorbereitete und die Traditionspflege zur soldatischen Erziehung missbrauchte“. Und die NS-Strategen seien keinesfalls geneigt gewesen, „die volkskünstlerisch traditionelle Arbeit und ihre historische Wurzeln zu respektieren“.

Autor: Christian Ruf

Quelle: Vor-Ort-Recherche Pirnaer Weihnachtsausstellung

-> Weitere Infos zur Ausstellung gibt es hier im Netz 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
Kategorie: Ausflugstipp, zAufi

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[caption id="attachment_175986" align="aligncenter" width="499"]Christian Ruf. Foto: hw Christian Ruf. Foto: hw[/caption]

Über Christian Ruf:

Christian Ruf wurde 1963 in München geboren und hat Geschichte sowie Politologie in München und Bonn studiert. Bereits vor dem Mauerfall reiste er mehrmals in die DDR, nach Polen und in die Sowjetunion. Nach der Wende zog er nach Sachsen um. Heute ist er als freier Journalist mit den Schwerpunkten Kultur und Geschichte in Dresden tätig, wenn er nicht gerade in anderen Ecken der Welt unterwegs ist.