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Wasserstoff-Motor soll Weg zum abgasfreien Laster ebnen

Der Lkw-Prototyp von MAN mit Wasserstoffmotor vor dem Verkehrsmuseum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Lkw-Prototyp von MAN mit Wasserstoffmotor vor dem Verkehrsmuseum Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

MAN-Ingenieur: Damit schaffen wir mit bekannter und preiswerter Technologie sehr emissionsarme Lkws

Dresden, 4. November 2022. Bis schwere Elektro- und Brennstoffzellen-Laster praxistauglich geworden sind, können Lkws mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor eine sinnvolle Brückenlösung hin zu einem abgasfreien Schwerlastverkehr sein. Das hat der Nürnberger MAN-Ingenieur Dr. Andreas Broda bei einem Vortrag über „CO2-freie Antriebslösungen für schwere Nutzfahrzeuge“ im Verkehrsmuseum Dresden eingeschätzt. Der bayrische Laster- und Bushersteller habe Prototypen bereits auf der Straße – und die gemessenen Abgase liegen laut Broda deutlich unter den heutigen Grenzwerten. „Wir erreichen damit niedrigste Emissionen mit einer konventionellen Technologie, die wir bereits beherrschen“, sagt der Ingenieur, der bei MAN in der Hauptabteilungsleitung für kraftstoffbasierte Antriebssysteme tätig ist.

H2-Laster-Prototyp von MAN in Dresden (Video: hw):

Kein CO2 – aber dennoch nicht ganz abgasfrei

Motoren, die Wasserstoff (H2) mit Luft-Sauerstoff zu Wasser verbrennen und damit Bewegungsenergie freisetzen, sind bereits seit Jahren bekannt. Auch in Sachsen arbeiten mehrere Institutionen, darunter Akteure in Roslau, auch an seiner Verbesserung. Diese wasserstoff-betankten Motoren sind anders als etwa Brennstoffzellen (BZ) zwar keineswegs abgasfrei. Sie stoßen kein Kohlendioxid aus, allerdings Stickoxide – in vergleichsweise kleinen Mengen. Weshalb MAN aber vor allem mit dieser Technologie liebäugelt: H2-Motoren sind robust, brauchen anders als BZ keinen hochreinen, sondern nur „normalen“ Wasserstoff und sind de facto leicht veränderte Dieselmotoren. „Rund 80 Prozent der Teile entsprechen dem Dieselmotor“, erklärte Broda. Das würde relativ preiswerte H2-Laster ermöglichen.

Foto: Heiko Weckbrodt

Andreas Broda. Foto: Heiko Weckbrodt

MAN setzt auf Tankturm hinterm Fahrerhaus – vorerst

Und anders als bei heute realisierbaren Elektrolastern mit Akkus können H2-Motoren – ähnlich wie Brennstoffzellen-Fahrzeuge – ähnlich schnell wie ein Diesel aufgeladen werden und kommen auf vergleichbare Reichweiten. Das Konzept, das MAN ansatzweise bereits im Prototypen umgesetzt hat, sieht hinter dem Fahrerhaus eine Art „Turm“ aus röhrenförmigen Tanks vor, in denen Wasserstoff unter Hochdruck zusammengepresst ist. Perspektivisch setzt der Hersteller dabei auf Behälter, in denen der Energieträger mit bis zum 700-fachen des normalen Luftdrucks, also mit 700 Bar, bei normalen Temperaturen komprimiert gelagert sind. Inklusive zweier Seitentanks kann der H2-Laster dann 60 bis 80 Kilogramm Wasserstoff mit sich führen, was für 600 bis 800 Kilometer reicht. Beim künftigen Einsatz von Tiefkühl-Drucktanks seien sogar Reichweiten über 1000 Kilometer möglich, ist Broda überzeugt.

Projekt steht und fällt mit den nächsten EU-Vorgaben

Ende 2025 könnten solche H2-Motor-Laster serienreif sein, schätzt der Ingenieur. Das Projekt steht und fällt aber mit den kommenden neuen Abgas-Grenzwerten, die die EU für Lkws festlegen wird. Denn falls die Union auf Null-Emissions-Lkws bestehen sollte, lohnt sich die Weiterentwicklung für die Fahrzeugindustrie nicht mehr.

Wasserstofftank am Lkw-Prototyp von MAN. Foto: Heiko Weckbrodt

Wasserstofftank am Lkw-Prototypen von MAN. Foto: Heiko Weckbrodt

Auf lange Sicht setzt MAN auf Akku-Stromer – und die Brennstoffzelle

Langfristig wollen sich MAN und andere Nutzfahrzeug-Hersteller ohnehin auf Elektrolaster und – für Weitstrecken-Fahrzeuge – auf Brennstoffzellen-Trucks konzentrieren. Akkugespeiste Lkws kommen aber oft nur auf wenige Hundert Kilometer Reichweite und können kaum Schwerlasten transportieren. Brennstoffzellen-Laster wiederum versprechen viel Reichweite und schnelles Tanken, sind aber teuer, technologisch anspruchsvoll – und könnten sich zum Beispiel für den Einsatz auf Baustellen als nicht robust genug herausstellen.

Neuer Akku-Laster mit 750 km Reichweite kommt 2024

MAN selbst hat zwar bereits seit 2015 Elektrolaster im Angebot. Dabei handelt es sich aber – ähnlich wie seinerzeit bei den Elektro-Golfs von VW – im Wesentlichen nur um umgebaute Verbrenner. Einen von Grund auf elektrisch konzipierten Lkw mit bis zu 750 Kilometer Reichweite und 24 Tonnen Ladekapazität will das Unternehmen 2024 auf den Markt bringen. 2026 soll eine 1100-km-Variante folgen. Der Brennstoffzellen-Truck der Bayern wird wohl frühstens 2027 fahren und dann auch auf etwa 1100 km kommen.

Ob und in welchem Maße sich wasserstoffgetriebene Laster durchsetzen, sei es nun mit H2-Motor oder Brennstoffzelle, ist noch ungewiss: Die deutsche Regierung und Autoindustrie haben sich, nicht zuletzt auf Drängen von VW, ganz auf die sogenannten „Batterieelektrischen Vehikel“ (BEV) fokussiert. Diese technologische Eingleisigkeit teilen andere Länder in Europa und weltweit nicht unbedingt. Abzuwarten sind daher die Vorgaben der EU, nicht zuletzt in der Frage, ob Nutzfahrzeuge für eine gewisse Zeit noch Abgase wie eben Stickoxide wird ausstoßen dürfen.

Emissionsfreie Laster bleiben vorerst teuer

Nicht zuletzt bleiben Akku-Laster wie auch wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Lkw auf absehbare Zeit in der Anschaffung teurer als klassische Verbrenner. Wo sich der Strompreis und damit die Kosten pro Kilometer für Akku-Lkw einpegeln, ist ebenfalls noch unklar: Sah es anfangs sogar nach einem Kostenvorteil gegenüber den Verbrennern aus, ist dies in Energiehochpreis-Ländern wie Deutschland mittlerweile kaum noch absehbar.

225 Kilowatt leistet dieser Wasserstoff-Erzeuger und ist damit laut Sunfire der weltweite größte Hochtemperatur-Elektrolyseur. Er soll künftig als Teil einer größeren Anlage Wasserstoff für Nestes Raffinerie in Rotterdam liefern. Foto: Sunfire

Hochtemperatur-Elektrolyseur. Foto: Sunfire

Wasserstoff teurer als Strom

Noch mehr gilt das für Wasserstoff, zumindest wenn man auf Erdgas-basierte Herstellung zu Gunsten abgasfreier Lösungen verzichten will: Dieser sogenannte „grüne“ Wasserstoff muss nämlich erst in teuren Elektrolyseuren elektrisch aus Wasser abgespalten werden. Dabei gehen – je nach konkreter Technologie – 30 bis 50 Prozent der eingesetzten Elektroenergie verloren. Und auch bei der Rück-Verbrennung beziehungsweise Rückverstromung in Motor oder Brennstoffzelle entstehen wieder Verluste. Neue Hochtemperatur-Brennstoffzellen, wie sie Sunfire Dresden herstellt, kommen zwar inzwischen auf Wirkungsgrade um die 80 Prozent – ganz verlustfrei geht es aber nicht. Daher werden Wasserstoff-Laster auf absehbare Zeit – womöglich für immer – teurer als der klassische Diesel an der Tankstelle sein. Heute liegt der Preis für brennstoff-tauglichen Öko-Wasserstoff teils bei über 12 Euro pro Kilogramm, während der Liter Diesel derzeit in Deutschland um die zwei Euro schwankt. Neuer PEM-Elektrolyseure der Megawatt-Klasse, wie sie Linde in Leuna installiert, sollen Preise um die 5 Euro ermöglichen, zitiert Fahrzeugtechnik-Professor Gennadi Zikoridse von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden die Linde-Prognosen. Doch das ist eben immer noch mehr als doppelt soviel wie beim Diesel.

Umstieg auf abgasfreie Technik wird Transporte verteuern und Inflation weiter antreiben

Und das heißt: Wenn die neuen Laster teurer sind als ihre Dieselbrüder und zudem mehr im Betrieb kosten, dann wird das auch die Preise in der Logistikbranche nach oben treiben. Höhere Transportkosten wiederum dürften vor allem die gerade erstarkende Onlinehandels-Branche treffen, aber auch die gesamte Industrie, den Lebensmittelhandel und weitere Wirtschaftssektoren.

Industrie dürfte vorerst den meisten Wasserstoff aufsaugen

Hinzu kommt die Frage, ob und in welchem Maße in absehbarer Zukunft in Deutschland überhaupt genug Wasserstoff zur Verfügung stehen wird, um auch große Lasterflotten zu betreiben. Neuere Elektrolyseure der Megawatt-Klasse sind gerade erst im Entstehen. Womöglich werden aber durch die Wende hin zu unstetigem Sonnen- und Windstrom in Deutschland künftig auch mehr Energiespitzen in Form von Wasserstoff zwischengepuffert. „Die Elektrolyseure sind die modernen Pumpspeicherwerke“, ist beispielsweise HTW-Professor Zikoridse überzeugt. Daraus könnte sich letztlich ein breitetes H2-Angebot entwickeln.

Kein hochreiner Wasserstoff benötigt

Sicher ist allerdings: Die Bundesrepublik wird auf Jahre auf Importe angewiesen sein, um überhaupt nur den Wasserstoffbedarf von Chemie-, Stahl- und anderen Industrien zu decken. Dennoch ist Broda optimistisch: „In Europa gibt es ein dichtes Pipelinenetz, das einige Betreiber schon versuchsweise auf Wasserstoff umstellen.“ Das darin strömende Gas sei zwar nicht rein genug, um es direkt in Brennstoffzellen zu leiten, für H2-Motoren aber ausreichend. Und: „Viele unserer Kunden transportieren ohnehin Wasserstoff. Da stellt sich für sie die Frage, warum sie den nicht gleich für den Antriebsstrang nutzen sollten.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vortrag Broda, MAN, HTW, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt