Mitteldeutsche Experten konstruieren einen weltweit Kreislauf-Antrieb mit Argon-Technik
Roßlau, 5. November 2019. Als Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz haben sachsen-anhaltinische Ingenieure einen abgasfreien Motor entwickelt, der mit Wasserstoff, Sauerstoff und Argon arbeitet. Das hat Projektleiter Manuel Cech vom Wissenschaftlich-Technischen Zentrum (WTZ) Roßlau am Rande der Wasserstoff-Tagung „Hypos-Forum“ mitgeteilt. Es handele sich um den ersten Motor dieser Art weltweit. „Die Nasa hat damit mal experimentiert, das dann aber aufgegeben“, berichtet Cech.
Alte U-Boot-Antriebe als Vorbild
Die mitteldeutschen Ingenieure waren da erfolgreicher. Sie haben dafür das Kreislaufprinzip alter deutscher U-Boot-Antriebe, die ihre Abgase wieder in den Motor zurückleiteten, weiterentwickelt. Statt aber Diesel und Luft zu mischen, reagieren im Roßlauer Viertakter nur Wasserstoff und reiner Sauerstoff. Dabei entstehen Wasser und Wärme. Durch diese Hitze dehnt sich ein Hilfsgas aus und treibt die Kolben bei jedem Arbeitstakt an. Ein Generator wandelt diese mechanische Arbeit dann in elektrischen Strom.
Edelgas ist ausdehnungsfreudiger als Stickstoff – und verbrennt nicht
Ein besonders wichtiger Unterschied zu älteren Konstruktionen aus Kriegszeiten: Anders als die U-Boot-Konstrukteure einst verwenden die Roßlauer Ingenieure nicht Stickstoff als Hilfsgas, sondern fluten den Motor mit Argon. Weil sich dieses reaktionsarme Edelgas bei Hitze viel schneller ausdehnt als andere Hilfsgase, arbeitet auch der ganze Motor effektiver als ein klassischer Kreislaufmotor. Und da dieses mit Sensoren gespickte Hightech-Aggregat weder Diesel noch Luft braucht, stößt er auch keine Stickoxide, Kohlendioxide oder Ruß aus.
Ein Zehntel mehr Energieausbeute
Der Roßlauer Motor schone die Umwelt und habe „im Vergleich zu herkömmlichen Verbrennungsmotoren einen höheren Wirkungsgrad“, erklärt Cech im Oiger-Gespräch. Im Labor sei das Entwicklerteam auf eine 6,5 Prozent höhere Energieträger-Ausbeute als bei einem Automotor der gleichen Leistungsklasse gekommen – vor allem durch den Argon-Einsatz. Wahrscheinlich sei im Praxisbetrieb sogar ein um zehn Prozent höherer Wirkungsgrad möglich. Dabei gilt das Prinzip: Je größer der Motor, desto höher die Energieausbeute.
Gekoppelt mit Elektrolyse-Anlagen als Speicher für Windstromspitzen geeignet
Gedacht ist der Null-Emissions-Motor aber nicht, um U-Boote oder Autos anzutreiben, sondern als wichtiges Bauteil für mittlere Energiespeicher. Die werden vor allem in Kraftwerken und an den Knotenpunkten von Stromnetzen gebraucht, um die kaum berechenbaren Lieferspitzen und -täler von Solar- und Windkraftanlagen auszugleichen. Das Konzept: Dort, wo diese Spitzen ankommen, bauen Investoren große Elektrolyse-Anlagen, die mit dem überschüssigen Strom beispielsweise Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen und in Kavernen zwischenlagern. Wird der Strom wieder gebraucht, springt der Roßlauer Motor an und macht daraus wieder Strom und Wärme. Der Roßlauer Null-Emissions-Motor ist Teil des Entwicklungsprojektes „LocalHy„, in dessen Zuge solche Anlagen zu einem wasserstoffbasierten Speichersystem gekoppelt werden sollen.
Die Verlustwärme wollen die Ingenieure in Fernwärmenetze einleiten
„Betrachtet man solch einen Speicher als Gesamtsystem, also von der Stromspitze über die Wasserstofferzeugung bis hin zur Rückverstromung, dann kommt man selbst mit unserer Technik nur auf einen Wirkungsgrad von etwa 40 Prozent“, erläutert Cech. Sprich: Von jeder so eingespeisten Megawattstunde gibt das System letztlich nur etwa 400 Kilowattstunden als Strom zurück. Der Rest verpufft vor allem als Wärme. „Deshalb denken wir, dass unserer Motor in Ballungsräumen installiert werden sollte, wo man die thermische Energie in die Fernwärmenetze einspeisen kann.“
Nächster Schritt ist ein Megawattmotor
Bis zur Marktreife sei allerdings noch einige Entwicklungsarbeit zuleisten, betont der Projektleiter. So komme der Prototyp erst auf ein paar Kilowatt Leistung. Für den sinnvollen Einsatz in Kraftwerken müsse das Aggregat aber etwa ein Megawatt leisten. Zudem sei der Motorbetrieb noch recht aufwendig und teuer, da er reinen Sauerstoff und Wasserstoff benötige. Auf jeden Fall wollen die Roßlauer ihre Innovation bis zur Serienreife führen. „Wir sind da schon mit einigen Motorherstellern im Gespräch.“
Die WTZ-Historie
Das WTZ hat in den vergangenen sieben Jahrzehnten bereits viel Erfahrung mit Motoren gesammelt. 1950 von Junkers-Ingenieuren als selbstständiges Konstruktionsbüro gegründet, entwickelten die Konstrukteure dort unter anderem große Schiffsdiesel. 1965 wandelte die kommunistische Wirtschaftsführung das Ingenieurbüro in ein Wissenschaftlich-Technischen Zentrum um. Solche Branchen-Forschungseinrichtungen gab es viele in der DDR, sie konzentrierten sich auf betriebsübergreifende Entwicklungsprojekte. Seit der Wende ist das WTZ eine gemeinnützige GmbH, die für den Motor- und Maschinenbau forscht.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Interview Manuel Cech, WTZ Roßlau, Hypos
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