Jubiläum: Seit 30 Jahren forscht Fraunhofer in Sachsens Landeshauptstadt
Dresden, 26. September 2022. Hocheffiziente Brennstoffzellen, biegsame organische Computertechnik, durchsichtige Panzerkeramik, Tricorder à la Raumschiff Enterprise, Quantenprozessoren und der längste Bus der Welt – die Liste der ambitionierten Projekte, an denen Fraunhofer in Dresden forscht, ist lang und schillernd. In den vergangenen 30 Jahren ist die sächsische Landeshauptstadt zum größten Fraunhofer-Standort in Deutschland aufgestiegen: Inzwischen tüfteln hier 2440 Menschen mit einem Gesamtetat von 339 Millionen Euro in elf Instituten an wegweisenden Keramiktechnologien, der Nanoelektronik der Zukunft, Lasersystemen, industriellen 3D-Druckern, vernetzter Landwirtschaft, Quantentelefonen und vielen anderen wegweisenden Innovationen. Die neuesten Zuwächse sind das Nanoelektronikzentrum „Center for Advanced CMOS & Heterointegration Saxony“ (Cachs) im Dresdner Norden und eine Außenstelle des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS: In den „Universellen Werken Dresden“ entwickelt seit 2019 ein 14-köpfiges Team neuartige Systeme für den Dialog zwischen Mensch und Maschine sowie Künstlicher Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt.
Schon in der DDR war Dresden ein wichtiger Akademie- und Uni-Standort
„Dresden war schon zu DDR-Zeiten ein bedeutender Forschungsstandort und hat diese Position seither ausgebaut“, meint der Dresdner Fraunhofer-Sprecher Markus Forytta. Gemeint ist damit nicht nur die TU Dresden, die schon vor 1989 eine führende Uni der DDR war und mittlerweile die einzige Exzellenz-Universität in Ostdeutschland ist. Vielmehr war die Stadt vor der Wende auch – nach Berlin – ein besonders wichtiger Standort für die Akademie der Wissenschaften (AdW) der DDR. Sechs Zentralinstitute, Institute und Institutsteile waren hier konzentriert. Außerdem betrieb Baron Manfred von Ardenne am Elbhang das größte Privatinstitut der DDR. Auch waren in Dresden mehrere Querschnitts-Forschungseinrichtungen wichtiger Industriezweige und Kombinate angesiedelt.
Auch Helmholtz, Leibniz und Co. übernahmen einige DDR-Institute
Nach der Wende übernahmen schrittweise Fraunhofer, Helmholtz, Leibniz, Planck und weitere Forschungsgesellschaften einen Teil der ehemaligen Akademie-, Kombinats- und Privatinstitute beziehungsweise deren Wissenschaftler und Ingenieure. Das Zentralinstitut für Kernforschung (ZfK) Rossendorf zum Beispiel wurde zum Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Teile des Zentralinstituts für Festkörperphysik und Werkstofforschung (ZFW) wechselten in die Leibniz-Gemeinschaft. Andere Forschungseinrichtungen in und um Dresden fanden private Träger und schlossen sich in der Zuse-Gemeinschaft zusammen.
Beispiel IKTS: Europas größtes Keramikinstitut
Die Fraunhofer-Gesellschaft engagierte sich ab 1992 – versüßt durch Landes- und Bundesgelder – besonders stark in Dresden. Zu den Gründungen und Übernahmen der ersten Welle gehörte beispielsweise das „Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Sinterwerkstoffe“ (IKTS), das heute als größtes Keramikforschungsinstitut in Europa gilt: 555 Menschen forschen dort mit einen Jahresetat von 59,1 Millionen Euro. Gewachsen ist das IKTS, das die „Sinterwerkstoffe“ aus dem ursprünglichen Namen 2006 in „Systeme“ änderte, aus mehreren Wurzeln: Einige Teams stammen aus dem schon erwähnten Akademie-Zentralinstitut für Festkörperphysik und Werkstoffforschung. Andere kamen durch die Fusion mit dem Hermsdorfer-Institut für Technische Keramik HITK und der Inocermic GmbH hinzu. Und 2014 übernahm das IKTS dann auch noch den Dresdner Standort des Fraunhofer-Instituts für Zerstörungsfreie Prüfverfahren (IZFP). Insofern ist das Dresdner Keramikinstitut sowohl organisch aus sich heraus wie auch durch Übernahmen immer mehr gewachsen.
Beispiel IWS: Die Laserexperten
Die Wurzeln des heutigen IWS an der Winterbergstraße reichen ebenfalls bis zum Dresdner Akademieinstitut ZFW zurück: Das nämlich gliederte 1990 ein „Institut für Werkstoffphysik und Schichttechnologie“ (IWS) aus. Die Fraunhofer-Gesellschaft übernahm ein Jahr später – zunächst auf Probe – diese Einrichtung und benannte sie später in „Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik“ (IWS) um. Mit 335 Mitarbeitern ist das auf Lasertechnik, Oberflächenveredelungen und ähnliche Technologien spezialisierte IWS heute das drittgrößte Fraunhofer-Institut in Dresden.
Beispiel IMPS: Photoniker beackern Mems, Mikroelektronik und Lichttechnologien
Noch einen Tick größer ist das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS), dessen Wurzeln wiederum teils auf die DDR-Akademie der Wissenschaften, teils auf das Zentrum für Mikroelektronik Dresden (ZMD) zurückreichen. 1992 als Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme (IMS) gegründet, war es zunächst auf klassische CMOS-Chips spezialisiert. Nach und nach fokussierte sich das Team aber auf Spezialsensoren, mikroelektromechanische Systeme (Mems), Spiegelchips und andere photonische Systeme. 2013 übernahm das IPMS zudem das einst von AMD, Infineon beziehungsweise Qimonda und Fraunhofer privat gegründete „Fraunhofer-Center Nanoelektronische Technologien“ (CNT). Heute beschäftigt das IPMS in Summe 447 Menschen und gehörte zu den Gründern des neuen Elektronikzentrums Cachs.
FEP geht auf den „Roten Baron“ vom Weißen Hirsch zurück, das IVI auf die akademischen Kybernetiker
Aus dem Privatinstitut des „Roten Barons“ Manfred von Ardenne wiederum rekrutierte sich unter anderem das Gründungspersonal für das „Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik“ (FEP). Das heutige Fraunhofer-Verkehrsinstitut IVI ist wiederum eher Teil der akademischen Linie in Dresden – es entstand 1991/92 aus dem AdW-Zentralinstitut für Kybernetik und Informationsprozesse.
Auch Rückschläge: CNT stand nach Qimonda-Pleite kurz vor dem Aus, Comedd konnte sich nicht behaupten
Die Liste von wissenschaftlich-technischen Linien, die auf die eine oder andere Weise in heute Forschungseinrichtungen gemündet sind, ließe sich noch lange fortsetzen. Allerdings gab es zwischenzeitlich auch Rückschläge: Als zum Beispiel Qimonda pleite ging, stand zeitweise ein Aus für das CNT zur Debatte, bis es schließlich als verkleinerte Abteilung vom IPMS übernommen wurde. Auch das erwähnte IZFP konnte sich nicht als eigenständige Einrichtung behaupten. Ähnliches gilt für das mit großen Hoffnungen gegründete Organikelektronik-Zentrum „Comedd„, das Fraunhofer 2014 ins FEP eingliederte.
Neue Investitionen und Forschungsstellen seit 2019
Auf der anderen Seite hat die Forschungsgesellschaft unter Präsident Reimund Neugebauer – der einst an der TU Dresden studierte – den Standort zuletzt noch einmal deutlich gestärkt: 2019 hat Fraunhofer die IAIS-Außenstelle sowie das Forschungszentrum für „Cognitive Produktionssysteme“ – (CPS) – als Teil des Chemnitzer IWU – in Dresden neu angesiedelt.
Zudem ist im Sommer 2022 mit dem Cachs eine vielversprechende gemeinsame Forschungsfabrik für das CNT und das Assid im Dresdner Norden entstanden. Eine Übersicht über die aktuellen Fraunhofer-Institute und Einrichtungen in Dresden gibt es hier:
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: IWS, IKTS, IPMS, Linkedin, Oiger-Archiv, stadtwikidd.de, Wikipedia
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