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Nur jedes 5. Unternehmen setzt auf Virtuelle Realitäten

Auch der Teddybär will mit VR-Brillen und Headsets videotelefonieren. Foto (freigestellt): Heiko Weckbrodt

Foto (freigestellt): Heiko Weckbrodt

Großer Marktdurchbruch für VR- und AR-Technologien lässt weiter auf sich warten

Berlin, 29. August 2022. Ungeachtet Marc Zuckerbergs „Metaversum“-Visionen und zuvor bereits jahrzehntealter Prophezeiungen, dass wir alle spätestens übermorgen ein Parallelleben in einer computergenerierten Welt à la „Star Trek“, „Der Rasenmähermann“, „Second Life“ oder „Matrix“ führen werden, haben sich Anwendungen und Spiele in „Virtuellen Realitäten“ (VR) bisher immer noch nicht auf breiter Front durchgesetzt: Die VR-Welten sind immer noch zu ruckelig oder zu grob-pixelig, die nötigen Datenbrillen eher energiehungrig statt immersiv. Echte „Killerapplikationen“ haben sich bisher immer noch nicht eingestellt. Und dies gilt nicht nur für die Endkonsumenten: Auch in der Wirtschaft fristet VR-Technologien weiter ein Nischen-Dasien. Bisher setzt erst jedes fünfte Unternehmen in Deutschland VR-Technologien ein, meist für die Aus- und Weiterbildung. Das geht aus einer Umfrage von „Bitkom Research“ in 604 Betrieben hervor.

Die Visualisierung soll zeigen, wie sehr die neue Bosch-Chipfabrik in Dresden auf "Industrie 4.0"-Konzepte setzt. Foto/Visualisierung: Bosch

Die Visualisierung soll zeigen, wie sehr die neue Bosch-Chipfabrik in Dresden auf „Industrie 4.0“-Konzepte setzt. Foto/Visualisierung: Bosch

Datenbrillen mit „Augmentierter Realität“ für Wartung und Installationshilfe im Kommen

Immerhin 16 Prozent der befragten Firmen nutzen inzwischen zumindest „Augmentierte Realitäten“: Dabei kann der Nutzer über eine Datenbrille oder einen Smartphone-Bildschirm sowohl seine eigene Umgebung sehen wie auch computergenerierte Weltmodelle, Zusatzinformationen oder Bedienungsanleitungen. Hier liegt der Nutzen für Industrie und Handel zumindest klarer auf der Hand: Bosch zum Beispiel setzte während der Corona-Reisesperren AR- und VR-Techniken ein, um seine Dresdner Chipfabrik durch per Datenbrille eingeblendete Experten und Installierhilfen schneller in Gang zu bringen.

Bitkom-Experte sieht vor allem viele Spezialanwendungen

„Auch wenn sich Virtual und Augmented Reality auf dem Massenmarkt noch nicht durchgesetzt haben, gibt es für Unternehmen schon seit vielen Jahren spezialisierte Anwendungen“, betonte AR/VR-Experte Sebastian Klöß vom deutschen Digitalwirtschaftsverband „Bitkom“. „Dabei geht es zum Beispiel um die Simulation von gefährlichen Situationen im Unternehmen mit Hilfe von VR oder das Einblenden von Wartungsanleitungen mit AR-Brillen direkt an einer Maschine.“

Mitarbeiter-Schulung mit VR-Datenbrillen

Unternehmen, die VR einsetzen, nutzen dies mehrheitlich für Mitarbeiter-Schulungen (76 %), für Konstruktion und Planung (59 %) oder für die Zusammenarbeit von Teams an verschiedenen Standorten (50 %). Nur jedes zehnte Unternehmen verwendet VR im Verkauf, beispielsweise um Produkte für potenzielle Kundinnen und Kunden anschaulich zu machen.

Ein Mitarbeiter erprobt bei Audi die virtuelle Montage eines Elektroautos. Foto: Audi

Ein Mitarbeiter erprobt bei Audi die virtuelle Montage eines Elektroautos. Foto: Audi

„Bei AR-Anwendungen liegen im Einsatz aktuell ebenfalls Schulungen zur Aus- und Weiterbildung an der Spitze (57 Prozent), gefolgt von Kollaboration (51 Prozent), Konstruktion und Planung (49 Prozent) sowie Marketing und Messe-Auftritten (35 Prozent)“, berichtet der Bitkom. „In jedem vierten Unternehmen (25 Prozent), das AR nutzt, werden Anwendungen zur Fernwartung verwendet, 14 Prozent setzen AR für Schritt-für-Schritt-Anleitungen ein. Nur 9 Prozent greifen auf AR im Verkauf zurück, 2 Prozent zur Orientierungshilfe oder Navigation.“

Virtuelle Reisen mit exotischen Fresspaketen sind in Corona-Zeiten ein Trend geworden. Foto: (bearbeitet, freigestellt) Heiko Weckbrodt

Virtuelle Reisen mit exotischen Fresspaketen sind in Corona-Zeiten ein Trend geworden. Foto: (bearbeitet, freigestellt) Heiko Weckbrodt

Auch einige Reisebüros und Stadtführer setzen seit Corona auf virtuelle Ausflüge

Der Digitalisierungsschub im Zuge der Corona-Ausgangssperren hat derweil neue Geschäftsmodelle von Reisebüros und Stadtführern befördert, die seitdem eben auch virtuelle und hybride Reisen und Ausflüge anbieten. Der eine oder andere wird womöglich schon in seiner Stadt Gruppe von Touristen mit Datenbrillen auf der Nase gesehen haben. Dienstleister wie „Timeride“ bieten beispielsweise in Dresden, Berlin, Köln, München und Frankfurt am Main Zeitreise-Stadtführungen an, bei denen die Teilnehmer per Datenbrille die jeweilige Stadt zum Beispiel zur Zeit des Barock erkunden können.

Ob all dies dem Technologiekreis von AR, VR und hybriden analog-digitalen Welten nun doch zum breiten Durchbruch verhilft, bleibt abzuwarten. Bisher ist das noch nicht mal ansatzweise in Sicht: Drei Viertel aller Deutschen wissen noch nicht einmal, wovon Facebook-Erfinder Zuckerberg da redet, wenn er vom Metaversum schwadroniert.

IDTechEx rechnet mit starkem Wachstum für VR/AR-Optikindustrie

Womöglich bedarf es aber erst noch einiger Hardware-Innovationen, bevor virtuelle und reale Welt wirklich miteinander verschmelzen. Die Marktforscher von „IDTechEx“ aus Cambridge sehen einige Chancen dafür aus neuen Optiken erwachsen, an denen mehrere Institute und Unternehmen weltweit arbeiten. Diese Linsen und Lichtleitersysteme könnten für überzeugendere VR-Welten sorgen und für billigere Datenbrillen beziehungsweise andere optische Systeme, mit denen die Nutzer in solche Realitäten eintauchen können. Die Analysten verweisen in ihrem Bericht „Optics for Virtual, Augmented and Mixed Reality 2022-2032: Technologies, Players and Markets“ auch auf Holografie-Systeme einer neuen Generation, die derzeit in den Markt eindringen – zum Beispiel in Form von Fahrerassistenzsystemen in Autos. Mit Blick auf die wachsende Zahl von Akteuren und Anwendungen auf dem Markt rechnet „IDTechEx“ bis 2032 mit jährlichen Wachstumsraten um die 24 Prozent für jene Teile der Industrie, die solche Optiksysteme für AR, VR & Co. entwickeln.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Bitkom, Oiger-Archiv, IDTechEx, Timeride

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt