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Gentherapie gegen Bluterkrankheit in Sicht?

Modell einer Designer-Rekombinase. Visualisierung: Prof. Dr. Frank Buchholz, TU Dresden, Medizinische Fakultät

Modell einer Designer-Rekombinase. Visualisierung: Prof. Dr. Frank Buchholz, TU Dresden, Medizinische Fakultät

Dresdner Team will Reparatur-Enzym für verdrehtes Erbgut nun an Tieren testen

Dresden, 24. Januar 2022. Ein Forschungsteam um Prof. Frank Buchholz von der Uni Dresden arbeitet an einer Gentherapie, die künftig womöglich einige Bluter heilen könnte. Das geht aus einer Mitteilung der Medizinischen Fakultät „Carl Gustav Carus“ an der TU Dresden hervor.

Hämophilie A im Fokus

Im Fokus steht dabei ein Erbgut-Reparaturverfahren für Menschen, die unter Hämophilie A leiden. Bei etwa der Hälfte dieser Patienten ist ein bestimmter Genabschnitt von Geburt an falsch herum angeordnet, also „invertiert“. Dadurch können sie ein bestimmtes Protein nicht bilden, das für die Blutgerinnung nötig ist. Solche „Hämophilie A“-Patienten leiden häufig an „spontanen Blutungen, welche zu chronisch schmerzhaften und degenerativen Gelenkerkrankungen, Hämatomen und auch potenziell lebensbedrohlichen inneren Blutungen führen können“, hieß es von der Forschungsgruppe.

Designer-Enzym „RecF8“ entwickelt

Als Antwort darauf schleusen die Dresdner Molekularbiologen und Genetiker das Enzym „RecF8“ in Zellen ein. Diese „Designer-Rekombinase“ dreht dann dieses „Faktor VIII Gen“ bei solchen Blutern dauerhaft um. Im Labormaßstab an Patientenzellen funktioniert das bereits.

Schematische Darstellung der möglichen Anwendung der Designer-Rekombinase RecF8 zur Korrektur der Gen-Inversion im F8-Gen. Der Ablauf der einzelnen Schritte ist durch Pfeile dargestellt. Grafik: TU Dresden, Buchholz Lab

Schematische Darstellung der möglichen Anwendung der Designer-Rekombinase RecF8 zur Korrektur der Gen-Inversion im F8-Gen. Der Ablauf der einzelnen Schritte ist durch Pfeile dargestellt. Grafik: TU Dresden, Buchholz Lab

„Bisherige Resultate sind vielversprechend“

Bis zu einer zugelassenen Therapie ist es allerdings noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Als nächstes will das Team in Tierversuchen überprüfen, ob RecF8 sicher und ohne schwere Nebeneffekte funktioniert. „Sollte sich die Spezifizität als auch Effizienz jedoch auch im Tiermodell zeigen, könnte einer klinischen Studie mit Patienten nichts mehr im Wege stehen“, schätzte Prof. Buchholz ein. „Die bisherigen Resultate sind vielversprechend und zeigen das hohe Potenzial der Technologie für eine künftige klinische Anwendung.“

Ausgründung geplant

Sollte sich dieser therapeutische Ansatz weiter als erfolgversprechend beweisen, will die Gruppe auch eine eigene Firma „Rectech“ ausgründen, die das Verfahren zur Praxisreife führen und kommerziell verwerten soll.

„Krankheit der Könige“

An Blut-Gerinnungsstörungen leiden laut der „Deutschen Hämophiliegesellschaft“ (DHG) in Deutschland rund 6000 Menschen. Etwa die Hälfte davon haben die schwere Variante „Hämophilie A“, die fast ausschließlich Jungen und Männer trifft. Hämophilie galt zeitweise auch als Krankheit der Könige, weil sie im europäischen Hochadel durch häufige verwandtschaftliche Heiraten besonders häufig auftrat. Ein prominentes Beispiel war der letzte Zarensohn Alexej.

Bisher nur Behandlung der Symptome möglich

Heute gibt es zwar bereits wirksame Bluter-Behandlungen durch Protein-Ersatztherapien. Die laufen aber meist darauf hinaus, den Patienten den Gerinnungsfaktor VIII entweder nach akutem Bedarf oder – bei schweren Verläufen – wöchentlich in die Venen zu spritzen. Dies lindert die Symptome, heilt die Krankheit aber nicht. Deshalb gibt es bereits seit geraumer Zeit weltweit Bemühungen, eine Gentherapie für eine dauerhafte Heilung zu entwickeln.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: TUD, DHG, IQWiG, Wikipedia

Wissenschaftliche Publikation:

„Correction of a Factor VIII genomic inversion with designer-recombinases” von Lansing F, Mukhametzyanova L, Rojo-Romanos T, Iwasawa K, Kimura M, Paszkowski-Rogacz M, Karpinski J, Grass T, Sonntag J, Schneider PM, Günes C, Hoersten J, Schmitt LT, Rodriguez-Muela N, Knöfler R, Takebe T & Buchholz F. in: “Nature Communications” Nr. 13, Artikelnummer 422 (2022)

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt