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Blitzfelder starten Kernfusion

Diese künstlerische Darstellung veranschaulicht, wie ein elektrisches Wechselfeld - ähnlich einem Blitz - einem Proton (links) dabei hilft, durch den "Abstoßungsberg" eines Bor-Isotops zu tunneln. Die folgende Kernfusion setzt drei positiv geladene Atomkerne frei, auch Alpha-Strahlung genannt. Visualisierung: Bild: Sahneweiß für das HZDR

Diese künstlerische Darstellung veranschaulicht, wie ein elektrisches Wechselfeld – ähnlich einem Blitz – einem Proton (links) dabei hilft, durch den „Abstoßungsberg“ eines Bor-Isotops (Mitte) zu tunneln. Die folgende Kernfusion setzt drei positiv geladene Atomkerne (rechts) frei, auch Alpha-Strahlung genannt. Visualisierung: Sahneweiß für das HZDR

Helmholtz-Forscher halten Bor-gespeiste Fusionsreaktoren für möglich, die Strom direkt erzeugen

Dresden-Rossendorf, 6. November 2022. Auf der Suche nach einer sauberen und fast unerschöpflichen Energiequelle nach Art der Sonne versuchen viele Forscher weltweit eine Ketten-Fusion schwerer Wasserstoffteilchen in Gang zu setzen, um dann mit der entstehenden Hitze Strom zu erzeugen. Aber durch Abfolgen schnell wechselnder Blitze aus elektrischen Feldern lassen sich auch weit schwerere Atomkerne wie etwa Bor mit Protonen fusionieren. Und dabei entstehen statt gefährlicher Neutronen elektrisch geladene Atomrümpfe, die sich direkt für die Stromerzeugung einspannen lassen. Das hat ein Team um den Physiker Prof. Ralf Schützhold vom „Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf“ (HZDR) nachgewiesen. Allerdings ist noch nicht klar, ob und wann dieser Prozess für eine selbsttragende kommerzielle Energieerzeugung nutzbar ist.

Brennstoff reicht noch Milliarden Jahre: Sonne verschmilzt Wasserstoff zu Helium

Hintergrund: Die Hitze und das Licht unserer Sonne stammt größtenteils von der Fusion von Wasserstoff- zu Heliumkernen. Eigentlich müssten sich die positiv geladenen Wasserstoffkerne ständig abstoßen und die Fusion unmöglich machen. Tatsächlich aber haben die Teilchen in der Millionen Grad heißen Sonne eine derartige Bewegungsenergie, dass sie die Abstoßungskräfte überwinden können. Und manchmal schaffen das sogar langsamere Wasserstoffkerne: Statistisch gesehen gibt es immer ein paar von ihnen, die durch die Barriere einfach quantenmechanisch durchtunneln. „Eine Folge des Tunneleffekts ist es, dass gleichartig geladene Teilchen ihre gegenseitige Abstoßung überwinden können, auch wenn ihre Energie dafür eigentlich gar nicht ausreicht – zumindest nicht nach den Gesetzen der klassischen Mechanik“, erklärte Prof. Ralf Schützhold.

Elektrische Wechselfelder fördern Tunnelfreude der Protonen

Und dieser Prozess lässt sich durch Pulsfelder fördern, hat das HZDR-Team nun nachgewiesen. Demnach können „zeitlich schnell verändernde elektrische Felder dafür sorgen, dass die Teilchen, bildlich gesprochen, aus der Potenzialbarriere herausgeschubst werden und so leichter tunneln“, berichtete Dr. Friedemann Queisser vom HZDR. Für ihre Forschungen hatten die Wissenschaftler allerdings keinen Fusionsreaktor gebaut, sondern vielmehr auf theoretische Berechnungen gesetzt. Konkret wiesen sie auf diesem Weg nach, dass mit schnellen elektrischen „Blitzen“ Protonen relativ häufig die Abstoßungskräfte eines Bor-Isotops überwinden können. Bei der dadurch ausgelösten Fusionsreaktion entstehen je drei geladene Alpha-Teilchen, die zumindest theoretisch die Blitz-Reaktion weiter am Laufen halten könnten.

Visualisierung des künftigen ITER-Fusionsreaktors in Cadarache. Die Ringe stehen für Magnetspulen, die das heiße Plasma in der Schwebe halten. Abb.: ITER

Visualisierung des ITER-Fusionsreaktors in Cadarache. Die Ringe stehen für Magnetspulen, die das heiße Plasma in der Schwebe halten. Abb.: ITER

Chinesen sind vorn

Weltweit versuchen zahlreiche Forscherteams, stabile Kernfusionsreaktoren zu bauen, die unterm Strich mehr Energie liefern als schlucken. Die USA setzen dabei auf starke Laserimpulse, das europäische Iter-Projekt auf die sowjetische Tokamak-Bauweise. Zudem gibt es noch die skurril geformten Stellarator-Reaktoren wie zum Beispiel vom Planck-Institut in Greifswald.

Kein Vixierbild, sondernein Blick in die in sich verdrehte Reaktorkammer des Fusions-Testreaktors Wendelstein 7-X in Greifswald. Spezialisten wechseln dort nun die die alten Hitzeziegeln gegen wassergekühlte Kohlenstoff-Ziegel aus. Foto: Torsten Bräuer für das IPP

Kein Vixierbild, sondern ein Blick in die in sich verdrehte Reaktorkammer des Fusions-Testreaktors Wendelstein 7-X in Greifswald. Foto: Torsten Bräuer für das IPP

Fast immer setzen die Wissenschaftler dabei auf die Fusion von schwerem Wasserstoff zu Helium. Mit der entstehenden Wärme wollen sie dann Generatoren für die Stromerzeugung antreiben. Am weitesten sind da anscheinend derzeit die Chinesen, die laut eigenen Angaben zuletzt in ihrem East-Reaktor erstmals eine Fusionsreaktion mit Wasserstoff über eine Viertelstunde lang stabil halten konnten. Der HZDR-Vorschlag setzt dagegen auf einen Brennstoff wie Bor, der leichter aufzubereiten wäre.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: HZDR, Oiger-Archiv

Die wissenschaftliche Publikation dazu:

C. Kohlfürst, F. Queisser, R. Schützhold: Dynamically assisted tunneling in the impulse regime, in Physical Review Research, 2021 (DOI: 10.1103/PhysRevResearch.3.033153)

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt