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Künstliche Trinkwasserquelle inmitten der Katastrophe

Jeder im Team packt mit an: Hier zum Beispiel bohrt John-Henning Peper gerade in der Werkstatt von "Disaster Relief Systems" an einem Rahmen. Foto: Disaster Relief Systems

Jeder im Team packt mit an: Hier zum Beispiel bohrt John-Henning Peper gerade in der Werkstatt von „Disaster Relief Systems“ an einem Rahmen. Foto: Disaster Relief Systems

„Disaster Relief Systems“ Leipzig hat eine besonders robuste und preisgünstige Wasser-Aufbereitung für Katastrophenfall entwickelt

Leipzig, 10. Dezember 2021. Damit Hilfsorganisationen die Menschen nach Erdbeben, Überschwemmungen oder anderen Katastrophen rascher wieder mit dem Lebensnotwendigsten versorgen können, hat das Leipziger Ingenieur-Team „Disaster Relief Systems“ eine neuartige mobile Wasseraufbereitungsanlage entwickelt. Das System bereitet trübes Brackwasser laut Unternehmens-Angaben rund 20 Prozent rascher als bisherige Anlagen zu trinkbarem Wasser auf. Auch soll es nur halb so viel kosten wie die bisher meist eingesetzten Militärmodelle sowie leichter zu bedienen und zu reparieren sein.

Hurrikan Matthew löste Entwicklungsprojekt aus

„Die ersten Ideen dafür entstanden 2016“, erzählt Gründer John-Henning Peper, der als freiwilliger Feuerwehrmann bereits einige Erfahrung mit Rettungsaktionen hatte und anderseits an der TU Chemnitz das ingenieurtechnische Rüstzeug für aufwendigere Projekte bekam. „Als ich die Bilder vom Hurrikan Matthew und von den Hilfsarbeiten in Haiti sah, habe ich mich gefragt, warum das da so chaotisch zuging.“

Projektleiter Friedrich Machein von arche noVa hilft bei der Wasserverteilung in der Erdbeben-Region in Bhaktapur. Foto: arche NoVa

Hilfsorganisationen wie beispielsweise Arche nova aus Dresden – hier ein Archivfoto mit Projektleiter Friedrich Machein bei der Wasserverteilung in der Erdbeben-Region in Bhaktapur – greifen bisher oft auf Industrietechnik oder Eigenkonstruktionen zurück. Foto: arche NoVa

Viele Hilfsorganisationen sind noch auf teure Militärtechnik angewiesen

Er befragte Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, vom Technischen Hilfswerk in Deutschland und andere Experten. Und fand heraus, dass eben gar keine breite professionelle Industrie für Rettungstechnik im Katastrophenmaßstab, jenseits der etablierten Feuerwehrtechnik, existiert. „Gerade im Segment der Wasseraufbereitungsanlagen gibt es nur zwei große Anbieter aus Deutschland und aus den USA. Und die konstruieren diese Technik eher für Fallschirmjäger und andere Soldaten“, sagt Peper. „Deshalb benutzen viele humanitäre Hilfsorganisationen entweder teure Militärtechnik oder selbstgebaute Geräte.“ Zwar gibt es jenseits dieses Segments auch andere Wasseraufbereiter. Doch die sind entweder zu schwer, nicht robust genug, passen nicht in die gängigen Frachträume oder können nicht durch Hilfsaggregate betrieben werden, wenn vor Ort der Strom ausgefallen ist.

Abgesehen von den eigenentwickelten selbstreinigenden Filtern setzt "Disaster Relief Systems" für seine Wasseraufbereitungsanlagen bewusst auf bewährte Standardtechnik, damit sie einfach zu reparieren ist. Abb.: Disaster Relief Systems

Abgesehen von den eigenentwickelten selbstreinigenden Filtern setzt „Disaster Relief Systems“ für seine Wasseraufbereitungsanlagen bewusst auf bewährte Standardtechnik, damit sie einfach zu reparieren ist. Abb.: Disaster Relief Systems

Anlage muss in jeder Mopedwerkstatt weltweit reparabel sein

Daher trommelte John-Henning Peper an der Uni Leipzig ein Team zusammen, das sich auf Maschinen- und Leichtbau versteht. Gemeinsam konstruierte das Quintett eine mobile Wasseraufbereitungsanlage mit selbstreinigenden Edelstahl-Filtern, die einen Fallschirmabwurf über einem Krisengebiet übersteht, kaum Wartung braucht und in jeder Moped-Werkstatt rund um die Welt repariert werden kann, wenn doch mal etwas kaputt geht. Dabei soll alles schön einfach funktionieren, so dass auch ungeschulte Helfer vor Ort damit klar kommen: Schlauch rein in den Fluss, Notstromaggregat anwerfen und aus dem Schlauch auf der anderen Seite kommt dann klares Wasser wieder heraus.

Weitere Modelle mit Spezialfiltern geplant

Diese erste Anlage der Leipziger ist zunächst für das kleine Einmaleins ausgelegt, soll erstmal „nur“ Schmutzpartikel bis hinunter zu wenigen Mikrometern aus Flüssen oder Teichen herausfiltern, so dass aus verschlammtem Brackwasser zumindest koch- und trinkbares Wasser wird. „Das ist das, was nach einer Überschwemmung oder einem Erdbeben oft erst mal nur gebraucht wird“, ist John-Henning Peper überzeugt. Spätere Endfilter-Modelle sollen auch Gifte und Viren aus dem Wasser sieben oder Meereswasser entsalzen können.

Jedes Modul soll bis zu 17.000 Menschen am Tag versorgen

Ein einzelnes Gerät soll etwa 750 Liter pro Stunde schaffen und damit in einem Katastrophengebiet bis zu 17.000 Menschen am Tag mit grundgereinigtem Wasser versorgen können. Laut „Disaster Relief Systems“ sind die Aufbereiter so konstruiert, dass sie leicht gestapelt und gekoppelt werden können, um auf höhere Kapazitäten zu kommen. „Wir werden eine Werkhalle in oder um Leipzig mieten und dann erst mal etwa 25 Anlagen pro Jahr bauen“, kündigt John-Henning Peper an. „Die Hilfsorganisationen warten schon in den Startlöchern, um unsere Aufbereiter in der Praxis einzusetzen.“ Aber auch staatliche Zivilschutzorganisationen, Feuerwehren und technische Hilfswerke in über 35 Ländern rund um den Erdball sehen die Leipziger als potenzielle Kunden für ihre Technik.

Technologische Antwort auf immer mehr Naturkatastrophen

Die Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS) rechnet ebenfalls mit viel Potenzial für die junge Unternehmung aus Leipzig: Das Team habe sich große Ziele gesteckt, nämlich „den technischen Katastrophenschutz in das 21. Jahrhundert zu überführen“, schätzt WFS-Projektleiterin Sandra Lange ein. Damit fokussiere sich „Disaster Relief Systems“ auf „ein Thema, dass angesichts einer zunehmenden Zahl von Naturkatastrophen – zuletzt auch in Deutschland – wieder stärker in den Fokus gerückt ist“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Disaster Relief Systems, WFS

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt