Forscher aus Sachsen wollen globale Wasserprobleme mit Komplex-Technologien lindern
Dresden, 13. Oktober 2021. Um eine stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren und die natürlichen Ressourcen der Erde schonender als bisher zu nutzen, sind neue technologische Ansätze nötig. Daher arbeiten mehrere Forschergruppen des „Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme“ (IKTS) Dresden an Projekten, die heutige Probleme in der Wasser-, Agrar- und Energiewirtschaft im Komplex zu lösen versuchen. Dazu gehören beispielsweise neue Verwertungsmethoden für Klärschlamm und Bergbau-Abwässer, um den Wasserhaushalt ganzer Regionen zu stabilisieren, wichtige Rohstoffe für eine nachhaltige vertikale Landwirtschaft sowie die wachsende Wasserstoffökonomie in Deutschland zu liefern.
Quell für Rohstoffe, Dünger und Energie
„Wasser ist der Schlüssel für das wirtschaftliche Ökosystem der Zukunft“, ist Dr. Burkhardt Faßauer überzeugt, der im Fraunhofer IKTS die Abteilung für Kreislauftechnologien und Wasser leitet. „Und mit unseren Technologien können wir endlich die Sektoren Wasser, Energie und Ernährung hocheffizient koppeln.“ Richtig behandelt, kann insbesondere auch das Abwasser aus Kommunen und alten Bergwerken zum Quell für Rohstoffe, Dünger und Energie werden. Forscher Faßauer verweist auf Schätzungen, laut denen in der EU im Abwasser rund 87,5 Terawattstunden Energie, 1,8 Millionen Tonnen Stickstoff sowie 275.000 Tonnen Phosphor pro Jahr schlummern – bisher aber weitgehend ungenutzt im Orkus landen. Allein der Energiegehalt entspreche der Jahresproduktion von einem Dutzend Großkraftwerken. In der Kombination mehrerer teils neuer, teils altbekannter technologischer Ansätze wollen die Fraunhofer-Forscher in Sachsen nun einen Teil dieser Schätze im Abwasser heben.
Beispiel 1: Phosphor aus dem Klärwerk
Mit einer neuen IKTS-Technologie lässt sich Phosphor aus kommunalen Abwässern – einer oft unterschätzten Ressource – gewinnen. Im Klärwerk bleibt nach der Abwasserbehandlung Klärschlamm übrig, der neben wertvollem Phosphor auch umwelt- und gesundheitsschädliche Schwermetalle wie Blei, Kadmium und Nickel enthält. Um all dies zu trennen, geben die Kreislauftechnologen den Klärschlamm in einen Wirbelschichtverbrennungsreaktor, geben spezielle Zuschlagstoffe („Additive“) dazu und verwandeln die Schwermetalle bei Temperaturen zwischen 800 und 1000 Grad Celsius in Gase. Hitzefeste keramische Filter lassen diese Metallgase passieren, halten jedoch feste Stoffe zurück. Zurück bleibt eine Asche, die zu 15 Prozent aus Phosphat besteht. Ohne die Schwermetalle lässt sich dieser Mineralstoff leichter aus der Asche herauslösen, um damit dann Felder zu düngen und ertragreicher zu machen. In künftigen weiteren Prozessschritten wäre es auch möglich, einige der abgetrennten Schwermetalle für den industriellen Einsatz aufzuwerten.
Derzeit rüsten die Fraunhofer-Ingenieure diese Trenntechnologie gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden und der „Lufttechnik Crimmitschau“ (LTC) in einer Pilotanlage in Pirna nach, um das neue Verfahren in einem größeren Format auszutesten.
Beispiel 2: Klärwerk heizt Gewächshäuser
Durch Klärschlamm-Faulung lässt sich aus Abwasser auch Klärgas gewinnen. Das besteht zu 60 Prozent aus Methan besteht. Die restlichen Anteile entfallen auf Kohlendioxid und andere Verbindungen. Mit kohlenstoffbasierten Filtern des Fraunhofer IKTS lässt sich das CO2 aus dem Klärgas inzwischen herausfiltern. Dies steigert einerseits den Wirkungsgrad der klärgasbefeuerten Blockheizkraftwerke (BKHW), die Strom und Wärme erzeugen. Andererseits lassen sich auf dieser Basis in Zukunft auch komplexe Kreisläufe aufbauen: Aus dem abgetrennten CO2 und grünem Wasserstoff lassen sich per Fischer-Tropsch-Synthese zum Beispiel synthetische Kraftstoffe herstellen.
Alternativ könnte man das abgetrennte CO2 aber auch in Gewächshäuser pumpen, um damit die Ernteerträge zu steigern. Wenn Klärschlamm-Aufbereiter und Gewächshäuser nahe beieinander am Stadtrand stehen, sind hier auch platzsparende Kultivierungstechniken wie die vertikale Landwirtschaft („Vertical Farming“) vorstellbar, bei denen Gewächshäuser oder Zuchtcontainer senkrecht übereinander angeordnet sind. Auf jeden Fall könnten sich daraus ganz neue Geschäftsmodelle für kommunale Klärwerke ergeben.
Beispiel 3: Dünger und Wasserstoff aus stillgelegten Bergwerken
Sulfatbelastete Bergbauabwässer sind nicht nur in der Lausitz, sondern auch in vielen anderen Bergbau-Regionen weltweit ein ernstes Problem: Sie färben die Flüsse braun, bringen natürliche Ökosysteme aus dem Gleichgewicht und versäuern ganze Wasserkreisläufe. Doch auch diese Bergbau-Hinterlassenschaften können sich dank moderner elektrochemischer Verfahren von einer Last in eine Ressource verwandeln. Die dafür entwickelten IKTS-Anlagen leiten die Abwässer aus dem Bergbau direkt in eine Kaskade aus aufeinanderfolgenden elektrochemischen Flusszellen. Darin befinden sich Membranen sowie Elektroden. Liegt Strom an, reichern sich in einer Richtung die geladenen Sulfate immer weiter an. Danach ist es ein Leichtes, die Sulfate mit Stickstoff-Verbindungen zu hochwertigem Ammoniumsulfat-Dünger zu kombinieren. Als Nebenprodukt entsteht zudem Wasserstoff. Dieser gilt als besonders umweltverträglicher Energieträger und als begehrter Ausgangsstoff für viele Industrieprozesse.
Derzeit testet das IKTS diese Reinigungs- und Veredelungsverfahren für Bergbauabwässer in Versuchsanlagen wie „Terzinn“ und „Rainitza“. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Daher wollen die Forscher diese Methoden in Zukunft in einen größeren Maßstab übertragen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: IKTS, Auskünfte Faßauer, Oiger-Archiv
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