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Heraeus liebäugelt mit bionischen Lasergravuren aus Dresden

Mit Lasern lassen sich auch solche Regenbogeneffekte erzielen. Foto: Fusion Bionic

Mit Lasern lassen sich auch solche Regenbogeneffekte erzielen. Foto: Fusion Bionic

Hessen nehmen Fraunhofer-Ausgründung „Fusion Bionic“ in ihren „Accelerator“ auf

Dresden/Hanau, 8. September 2021. Golddrähte und andere Edelmetall-Bauteile werden sich mit Laser-Hilfe wohl demnächst ein paar Tricks aus dem Tier- und Pflanzenreich abgucken: Der hessische Technologiekonzern „Heraeus“ aus Hanau hat die Dresdner Fraunhofer-Ausgründung „Fusion Bionic“ in sein diesjähriges „Accelerator“-Programm aufgenommen. Das haben Heraeus und Fusion Bionic heute mitgeteilt. Dies läuft auf eine Einladung an die Ingenieure aus Dresden hinaus, ihre lasergravierten Biostruktur-Effekte demnächst in der Edelmetall-Sparte des Konzerns auszutesten.

Die Gründer von "Fusion Bionic" (von links nach rechts): Dr. Tim Kunze, Laura Kunze, Dr. Sabri Alamri und Benjamin Krupop. Foto: Ronald Bonß für Fusion Bionik (Pressefoto)

Die Gründer von „Fusion Bionic“ (von links nach rechts): Dr. Tim Kunze, Laura Kunze, Dr. Sabri Alamri und Benjamin Krupop. Foto: Ronald Bonß für Fusion Bionik (Pressefoto)

Bionische Technik an TU Dresden und Fraunhofer IWS entwickelt

Die Technologie dahinter hatten Wissenschaftler vom „Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik“ (IWS) in Dresden sowie aus der TU Dresden über Jahre hinweg entwickelt und perfektioniert. Inzwischen gilt die Methode als marktreif. Daher gründete im Juni 2021 ein Team um den Fraunhofer-Forscher Dr. Tim Kunze auf dieser Basis ein eigenes Unternehmen – eben „Fusion Bionic“.

Auch um wasserabweisende Lotoseffekt-Muster auf Titanteile von Flugzeugen zu erzeugen, nutzen Ingenieure der TU Dresden und des Fraunhofer-Institus IWS in Dresden die Laser-Strukturierung - hier unter dem Rasterelektronenmikroskop (REM) betrachtet. Abb.: A. Lasagni

Wasserabweisende Lotoseffekt-Muster auf Titanteilen von Flugzeugen unterm Rasterelektronenmikroskop (REM). Abb.: A. Lasagni

Laser gravieren Anti-Vereisungs-Muster auf Tragflächen

Im Kern beruht die Dresdner Technologie auf dem Konzept, Laserstrahlen aufzuteilen und durch spezielle Optiken wieder so zusammenzuführen, dass vorher am Computer definierte Verstärkungs- und Auslöschungsmuster auf großen Flächen entstehen. Mit diesen Interferenzmustern lassen sich zum Beispiel auf Flugzeugflügeln spezielle Nanogravuren erzeugen, die dem Lotuseffekt aus der Natur nachempfunden sind. Dadurch bleiben Wasser und Dreck nicht mehr so einfach an der Tragfläche haften, was wiederum die Vereisungsgefahr für die Flieger im Winter senkt. Auch die reibungsgeminderte Haut von Haien, die „entspiegelten“ Augen von Motten und andere Tricks aus der Natur kann man so imitieren. Von daher leitet sich auch der Name der Ausgründung ab: „Bionik“ steht für die Kunst, biologische Methoden technologisch nachzuahmen und zu verbessern.

Gravuren halten weit länger als herkömmliche Lotos-Schichten

Nun mag man einwenden, dass es zum Beispiel „Lotuseffekt“-Beschichtungen an Badausrüstungen und Autos schon länger gibt. Doch die Lasergravuren aus Sachsen gehen laut Fraunhofer nicht so schnell kaputt wie bloße Schichten, sind weniger empfindlich gegen Kratzer, zudem funktioniert die Technik inzwischen sehr schnell. „Die angebotenen Lösungen sind bis zu 100-mal schneller als etablierte Verfahren und ebnen so den Weg für Hochleistungsoberflächen mit selbstreinigenden Eigenschaften, reduzierter Reibung, verbesserter Kontaktierung und mehr“, begründete Heraeus die Kooperation: Fusion Bionic verfüge über eine „einzigartige Hochgeschwindigkeitslasertechnologie“ zur Erzeugung biomimetischer Oberflächen.

5 aus 1800

Insgesamt rund 1800 junge Unternehmen hatten sich in diesem Jahr um einen Platz im Wachstumsbeschleuniger („Accelerator“) von Heraeus beworben. Der Technologiekonzern wählte letztlich fünf Firmen aus: Oreltech aus Berlin ist auf Edelmetalltinten spezialisiert, Fusion Bionic auf die erwähnten bionischen Lasergravuren, Highline Technologie aus Freiburg entwickelt hochpräzise Dosiersysteme für Lötpasten, Intelligent Fluids aus Leipzig fokussiert sich auf umweltfreundliche Reinigungsflüssigkeiten und Nanocap aus dem spanischen Milladoiro arbeitet an Nanotech-Katalysatoren. „Der Fokus des Programmes 2021 liegt auf Startups, die Lösungen und Produkte für die Halbleiterindustrie und den Edelmetallbereich entwickeln“, begründete die Jury ihre Auswahl.

Nach drei Monaten im Beschleuniger werde das Dresdner Team eine erste Demonstration des Erreichten vorführen kündigte Tim Kunze im Oiger-Gespräch an. Wenn die Demo Heraeus überzeugt, könnte sich daraus eine langfristige Zusammenarbeit zwischen dem Konzern und der Ausgründung ergeben.

Heraeus geht auf fast 400 Jahre alte Apotheke zurück

Heraeus selbst geht bis auf 17. Jahrhundert und eine alte Hanauer Familienapotheke zurück. Über die Jahrhunderte hinweg ist daraus ein Mischkonzern geworden, der sich mit Medizintechnik ebenso herstellt wie Gold-Erzeugnisse, Quarzglas, Sensoren und Lichtquellen. Heraeus hat fast 15.000 Beschäftigte und erzielte 2020 etwa 31,5 Milliarden Euro Umsatz.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Heraeus, Fusion Bionic, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt