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Planck-Forscherinnen entschlüsseln Selbstreparatur der Leber

In diesem Schnitt durch Schnitt durch Lebergewebe sind die Mesenchymzellen  rosa markiert. Wenn sie dei "Duktalzellen" (gelb und blau) berühren,  hemmen sie deren Regeneration. Wenn  sie auf Berührungen verzichten, wird die Selbstreparatur wieder angeregt. Abb.: Anna Dowbaj, Meritxell-Huch-Gruppe, MPI-CBG

In diesem Schnitt durch Schnitt durch Lebergewebe sind die Mesenchymzellen rosa markiert. Wenn sie dei „Duktalzellen“ (gelb und blau) berühren, hemmen sie deren Regeneration. Wenn sie auf Berührungen verzichten, wird die Selbstreparatur wieder angeregt. Abb.: Anna Dowbaj, Meritxell-Huch-Gruppe, MPI-CBG

Teams aus Dresden und Cambridge identifizieren Mesenchym-Zellen als Regenerations-Schalter

Dresden, 11. August 2021. Zellbiologinnen haben in Dresden eine vereinfachte Leber – ein „Organoid“ – im Labor gezüchtet. Dabei haben sie wichtige Mechanismen entziffert, die eine menschliche Leber reparieren oder unkontrollierte Wucherungen, also Krebs auslösen können. Dies geht aus einer Studie hervor, die Lucía Cordero-Espinoza, Anna Dowbaj und weitere Forscher vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden, vom Gurdon-Institut Cambridge sowie der Uni Cambridge nun vorgelegt haben.

Mini-Leber schrumpfte bei Zellkontakt

Demnach fungieren sogenannte „mesenchymale Zellen“ als Schalter: Sie können durch eine Berührung die Regeneration benachbarter Leberzellen stoppen oder ihnen freien Lauf lassen. „Zu unserer Überraschung konnten wir ein völlig unerwartetes Verhalten beobachten“, berichtet Anna Dowbaj über die gesichteten Mikroskopaufnahmen. „Das Gewebe schrumpfte bei Kontakt mit den Mesenchym-Zellen, wuchs aber, wenn kein Kontakt bestand. Dieses seltsame Verhalten war sehr verblüffend, es könnte uns aber dabei helfen zu klären, warum das Gewebe während des Regenerationsprozesses wuchs oder nicht mehr wuchs.“

Selbst nach Zwei-Drittel-Amputation rafft sich Leber wieder auf

Hintergrund: Schon der antike Wissenschaftler Aristoteles wusste, dass die menschliche Leber ganz erstaunliche Regenerationsfähigkeiten hat, die uns leider ansonsten eher fehlen: Selbst wenn 70 Prozent des Gewebes zerstört sind oder amputiert werden mussten, kann dieses Organ wieder zu alter Stärke wachsen. Die Mechanismen dahinter blieben allerdings auch zwei Jahrtausende nach dieser Entdeckung unbekannt. Dies ist umso misslicher, da allein in Europa rund 29 Millionen Menschen an einer chronischen Lebererkrankung wie Zirrhose oder Leberkrebs leiden. Weltweit sterben etwa zwei Millionen Menschen pro Jahr an Leberkrankheiten beziehungsweise -schäden.

Neue Zell-Therapien in Sicht

Womöglich könnten die nun gewonnenen Erkenntnisse helfen, in Zukunft neue Therapien dagegen zu entwickeln. Allerdings sind dafür noch einige medizinische und biotechnologische Probleme zu lösen. Im nächsten Schritt wollen die Forscherinnen aus Sachsen und England erst mal ein komplexeres Organoid in der Petrischale züchten, um das Zusammenspiel der vielen hochspezialisierten Zellen in einer echten menschlichen Leber besser nachzustellen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quelle: MPI-CBG

Wissenschaftliche Publikation:

Lucía Cordero-Espinoza, Anna M. Dowbaj, Timo N. Kohler, Bernhard Strauss, Olga Sarlidou, German Belenguer, Clare Pacini, Nuno P. Martins, Ross Dobie, John R. Wilson-Kanamori, Richard Butler, Nicole Prior, Palle Serup, Florian Jug, Neil C. Henderson, Florian Hollfelder and Meritxell Huch: Dynamic cell contacts between periportal mesenchyme and ductal epithelium act as a rheostat for liver cell proliferation, Cell Stem Cell, 2. August 2021,
doi: 10.1016/j.stem.2021.07.002

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt