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Haptische Exoskelette im Kommen

Schwere Lasten heben, spielen, die Körperkontrolle zurückgewinnen: Exoskelette erobern sich immer mehr Anwendungsfelder. Grafik: IDTechEx

Schwere Lasten heben, spielen, die Körperkontrolle zurückgewinnen: Exoskelette erobern sich immer mehr Anwendungsfelder. Grafik: IDTechEx

IDTechEx rechnet mit Innovationen in Schlaganfall-Therapie und im Spielesektor durch „fühlende“ Außenskelette

Cambridge, 16. Mai 2021. Haptische Exoskelette können künftig Schlaganfall- und Parkinson-Patienten helfen, ihre Beschwerden zu lindern, aber auch Videospiele auf eine ganz neue Erfahrungsebene heben. Das hat James Hayward vom britischen Marktforschungsunternehmen „IDTechEx“ aus Cambridge in seiner Analyse „Haptics 2021-2031: Technologies, Market & Players“ prognostiziert.

Auch die US-Weltraumbehörde NASA hat Exoskelette entwickeln zu lassen, um zu testen, ob sich damit die Kraft von Astronauten verstärken lässt. Foto: NASA

Auch die US-Weltraumbehörde NASA hat Exoskelette entwickeln zu lassen, um zu testen, ob sich damit die Kraft von Astronauten verstärken lässt. Foto: NASA

Was ist ein Exoskelett?

Zur Erklärung: Exoskelette sind roboterähnliche künstliche Außenskelette aus Stahl oder anderen Werkstoffen, deren Gliedmaßen meist durch Elektromotoren beziehungsweise hydraulische Mechanismen angetrieben werden. Sie können dem Träger Kräfte und Bewegungsfähigkeiten verleihen, die weit über das natürliche Maß hinausgehen. Getestet werden solche Exoskelette beispielsweise beim US-Militär und für die Raumfahrt. Aber auch Bauarbeiter – wie jüngst erst mit passiven Exoskeletten beim Gemeinhardt in Roßwein in Dresden – testen solche Hilfen, um schwere Lasten zu heben.

Exoskelette - hier ein Modell der TU Berlin - sollen die menschliche Kraft verstärken, vielleicht sogar Gelähmte wieder gehen lassen. Foto: TU Berlin

Exoskelette – hier ein Modell der TU Berlin – sollen die menschliche Kraft verstärken, vielleicht sogar Gelähmte wieder gehen lassen. Foto: TU Berlin

Was gilt bei Geräten als „haptisch“?

Als „haptisch“ werden in der Technik Geräte bezeichnet, die dem Nutzer eine fühlbare Rückmeldung geben, was er oder sie gerade tut. Für Videospiele gibt es bereits seit vielen Jahren haptische Joysticks, Gamepads und Lenkräder, die zum Beispiel in Autorennspielen vibrieren, wenn sich der virtuelle Wagen zu stark in die Kurven legt. Erzeugt werden diese Effekte meist durch eingebaute kleine Elektromotoren, Linearmotoren, piezoelektrische Aktuatoren und ähnliche Signal-Kraft-Wandler.

Neben Widerstand auch Wärme und Kälte vermittelbar

Daneben kommen nun aber auch ganz andere „haptische“ Controller auf den Markt. Das taiwanesische Unternehmen „Tegway“ hat zum Beispiel thermoelektrische Eingabegeräte entwickelt, die in virtuellen Schnee- und Feuerballschlachten den Spielern das Gefühl von Wärme oder Kälte vermitteln – je nachdem, was sie gerade trifft.

In Exoskeletten durch virtuelle Welten wandern

Auch komplette Spieler-Exoskelette werden wohl kommen, die den Träger in virtuellen Welten beispielsweise ein Gefühl für weiche Hindernisse oder harte, undurchdringbare Wände geben. Da – zumindest aktive – Exoskelette noch sehr teuer sind, wird das aber wohl noch eine Weile dauern.

Video: Wie Exoskelette 
Parkinson-Patienten helfen
(Quelle: Tiktok, maxfostercnn):
@maxfostercnn##parkinsonism ##technology ##sweden ##learnontiktok♬ Home – Edith Whiskers

Technik unterstützt auch Parkinson-Kranke

Näher liegt der Einsatz im Gesundheitssektor. „Die größten und wichtigsten Auswirkungen haptischer Exoskelette sind im medizinischen Bereich zu beobachten“, betont IDTechEx – und liefert auch einige Beispiele: So gebe haptische Anzüge aus Schweden, die Parkinson-Patienten einen Teil der Körperkontrolle zurückgeben können. Die kalifornische Firma „Eksobionics“, die mit ihren Exoskeletten bisher vor allem verstümmelte US-Soldaten unterstützte, setzt diese Hilfsmittel nun auch für zivile Patienten mit Schlaganfällen oder Rückenmark-Verletzungen ein. Samsung aus Südkorea wiederum demonstrierte 2020 Unterkörper-Exkoskelette für ein Mobilitätstraining. Und das taiwanesische Unternehmen „Rehabotics Medical Technology“ hat haptische Handschuhe und Exoskelette demonstriert, die insbesondere Schlaganfall-Patienten unterstützen, die nur auf einer Seite das Körpergefühl verloren haben. „Die Handschuhe spüren beide die Bewegung der Hände und unterstützen sie“, beschreibt Analyst Hayward die Funktionsweise. „Darüber hinaus kann das Exoskelett so programmiert werden, dass es einem einfachen Muster folgt, um dem Benutzer beim Ausführen von Übungen zu helfen.“

Marktvolumen seit 2010 fast verdreifacht

Zu erwarten ist, dass der Markt für haptische Techniken und Exoskelette einerseits technologisch breiter wird. In Zukunft werden zum Beispiel dort viel mehr und ganz unterschiedliche Aktuatoren auf Keramik-, Verbundsstoff-, Polymer- und thermoelektrischer Basis eingebaut. Andererseits ist auch mit einem deutlichen Umsatzwachstum zu rechnen. In der vergangenen Dekade hatte sich das weltweit Marktvolumen für haptische Produkte fast verdreifacht, wenngleich sich das Wachstum zuletzt etwas abgeschwächt hatte. Aber weitere Schübe sind durch die neue technologische Entwicklungen und Kostensenkungen zu erwarten.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IDTechEx, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt