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Forscher steuern Treiben der Fette

Regnerationswürmer unterm Mikroskop. Foto: Heiko Weckbrodt

Foto: Heiko Weckbrodt

Dresdner und Berliner Fettexperten spüren dem Lipid-Code der Zellen nach

Dresden/Berlin, 23 April 2020. Fette gelten gemeinhin als ziemlich unbeliebt: Sie lassen uns dick aussehen und haben den Ruf, eher schmierig zu sein. Doch tatsächlich können wir ohne sie nicht leben. Unser Körper kennt Tausende verschiedene Fettbausteine, auch „Lipide“ genannt, die viele überlebenswichtige Funktionen haben: Sie schützen als Membranen unserer Zellen, speichern Energie und dienen als Boten. Als Informationsträger steuern sie zum Beispiel das Zellwachstum und Hormon-Ausschüttungen. Forscher taten sich aber schwer damit, diese Lipide im lebenden Organismus zu analysieren – bisher. Nun aber haben Forscher aus Dresden und Berlin gemeinsam Technologien entwickelt, die das doch möglich machen.

Licht setzt chemische Werkzeuge in Gang

Dafür setzen Experten um André Nadler vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden und Alexander Walter vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin spezielle chemische Werkzeuge ein, die sie mit Licht aktivieren. Dadurch können sie die Fettkonzentrationen in lebenden Zellen steuern. Diese Manipulationen sollen Biologen und Medizinern helfen zu verstehen, was die Moleküle in den Zellen treiben, ob sich womöglich eine Diabetes oder eine andere schwere Krankheit anbahnt.

Fettmoleküle unterschieden sich oft nur in winzigen Details

„Lipide sind eigentlich keine einzelnen molekularen Strukturen, sondern unterscheiden sich in winzigen chemischen Details, zum Beispiel haben einige längere Fettsäureketten und manche etwas kürzere“, erklärt Studienautorin Milena Schuhmacher, warum diese Steuermöglichkeit so wichtig ist. „Wir konnten mithilfe ausgeklügelter Mikroskopie in lebenden Zellen und mathematischen Modellierungsansätzen zeigen, dass die Zelle diese winzigen Veränderungen durch spezielle Effektor-Proteinen tatsächlich erkennen und so möglicherweise zur Übertragung von Informationen nutzen können.“ Dabei sei es wichtig gewesen, „dass wir ganz genau kontrollieren konnten, wieviel von jedem einzelnen Lipid vorhanden war“. Wahrscheinlich nutzen biologische Zellen die Fette also, um Daten zu transportieren. „Diese Ergebnisse deuten auf die Existenz eines Lipidcodes hin, der von Zellen genutzt wird, um Information, die auf der Außenseite der Zelle detektiert werden, auf der Innenseite der Zelle wieder neu zu codieren“, ergänzte André Nadler.

Eine Möglichkeit, einen Fettbauch oder -Schwimmring chemisch-photonisch einzudampfen, bahnt sich mit dieser Technologie aber leider wohl nicht an.

Autor: Oiger

Quellen: MPI-CBG, FMP

 

Wissenschaftliche Publikation:

Milena Schuhmacher, Andreas T. Grasskamp, Pavel Barahtjan, Nicolai Wagner, Benoit Lombardot, Jan S. Schuhmacher, Pia Sala, Annett Lohmann, Ian Henry, Andrej Shevchenko, Ünal Coskun, Alexander M. Walter, André Nadler: “Live cell lipid biochemistry reveals a role of diacylglycerol side chain composition for cellular lipid dynamics and protein affinities”, PNAS, 25. März 2020. Doi: 10.1073/pnas.1912684117

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt