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Chip-Aufholprogramm à la DDR gefordert

Vor allem die modernen 300-mm-Fabriken von TSMC sind stark ausgelastet. Foto: TSMC

Wenn Nvidia Spitzenchips für autonomes Fahren herstellen lässt, dann nicht in Europa oder den USA, sondern in den Spitzen-Fabriken von TSMC. Foto: TSMC

Deutsche Leitindustrien machen sich von USA und Taiwan zu abhängig, warnt der frühere Megabit-Entwickler Prof. Junghans

Dresden, 26. Januar 2018. Sachsen, die Bundesregierung und die EU sollten ein großes Mikroelektronik-Programm auflegen, damit Europa und Deutschland endlich den Anschluss an die Weltspitze schafft. Das hat der Unternehmer und ehemalige Megabitchip-Entwickler Prof. Bernd Junghans bei einer Diskussionsrunde über die DDR-Mikroelektronik in Dresden gefordert, unterstützt von weiteren Altgranden der Dresdner Mikroelektronik. „Dafür muss man aber Mittel, Willen und gute Leute konzentrieren.“

Bernd Junghans. Foto: privat

Bernd Junghans. Foto: privat

Vorschlag: Neues Großforschungszentrum in Dresden soll Halbleiterentwicklung bündeln

Dieser Konzentrationspunkt könne beispielsweise ein neues großes Entwicklungs- und Produktionszentrum in Dresden sein, weil hier bereits viele Halbleiter-Ressourcen konzentriert sind und viele Experten für diese Branche ausgebildet werden, schlugen Junghans und weitere altgediente sächsische Mikroelektroniker bei der gemeinsamen Veranstaltung des Verlages „Rohnstock Biografien“ und der Friedrich-Ebert-Stiftung vor. Dieses Zentrum solle all die verstreuten Halbleiter-Technologieentwicklungen in Deutschland bündeln und zu einem leistungsfähigen Akteur mit internationaler Ausstrahlung werden.

Diskussionsrunde über die DDR-Mikroelektronik am 25.1.2018 im Haus an der Kreuzkirche in Dresden  Katrin Rohnstock, Jens Knobloch, Bernd Junghans, Jög Ludewig (con links nach rechts). Foto: Heiko Weckbrodt

Diskussionsrunde über die DDR-Mikroelektronik am 25.1.2018 im Haus an der Kreuzkirche in Dresden
Katrin Rohnstock, Jens Knobloch, Bernd Junghans, Jög Ludewig (con links nach rechts). Foto: Heiko Weckbrodt

Macht sich Europa von den Trumps Launen und Taiwans Erdbeben abhängig?

Solch ein Akteur auf Spitzenniveau sei unabdingbar, wenn die Autoindustrie und andere deutsche Leitbranchen nicht hoffnungslos bei neuen Technologien wie dem autonomen und vernetzen Fahren zurückfallen sollen. Führender Anbieter der dafür benötigten Hochleistungs-Chips sei der US-Konzern Nvidia, der diese Bauteile wiederum in 5-Nanometer-Technologie bei TSMC in Taiwan herstellen lasse. Insofern drohe eine wachsende Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von den Protektionismus-Launen eines Donald Trump, von der instabilen politischen Lage in Korea und den Erdbeben und anderen Naturkatastrophen, die in Asien immer wieder Chipfabriken für Wochen oder Monate lahmlegen. Andererseits gebe es keine Fabrik in Europa, die diese Technologie beherrscht beziehungsweise Chips dieser Leistung herstellen kann, kritisierte Junghans. „Und es ist noch gar nicht absehbar, wie Europa dieses Spitzenniveau erreichen könnte.“ Europa habe dafür keine schlüssige Strategie entwickelt. „In der DDR gab es wenigstens ein Programm dafür.“

Situation wie in der DDR Mitte der 80er Jahre

Aus Sicht des früheren Mitentwicklers des ostdeutschen Megabit-Schaltkreises befindet sich die EU nämlich jetzt in einer ähnlichen Situation wie die DDR Mitte der 80er Jahre. Die ostdeutsche Halbleiterbranche hinkte damals nach seiner Schätzung dem internationalen Technologieniveau um sechs bis acht Jahre hinterher. Dies hatte wiederum starke Auswirkungen auf die Exporterlöse von Werkzeugmaschinen, Schreibmaschinen, Spiegelreflex-Kameras und anderen Gütern, die die DDR bis dahin mit einem gewissen Erfolg international verkaufen konnte. Ohne moderne Mikroelektronik darinnen ließen sich diese Exportgüter nur noch schwer beziehungsweise nur noch zu sehr niedrigen Preisen verkaufen. Durch den Rückstand des gesamten Ostblocks und das Technologie-Embargo des Westens kam die DDR aber an die neusten Chips nicht heran.

Der ostdeutsche Megabit-Chip vom ZMD. Abb.: hw

Der ostdeutsche Megabit-Chip vom ZMD. Abb.: hw

„Der Megabit-Chip war nicht das Ziel, sondern ein Prüfstein“

Mit der Entwicklung des Megabit-Chips, eines 32-Bit-Rechners und anderen Projekten sollte sich das ändern. Das milliardenteure Mikroelektronik-Programm, mit der die kommunistischen Wirtschaftslenker den Rückstand zum Westen beziehungsweise zu Japan aufzuholen versuchten, war und ist umstritten, das ist Junghans bewusst. Doch er betont: Die Milliarden an DDR-Mark und D-Mark wurden nicht dafür ausgegeben, damit SED-Chef Erich Honecker schließlich einen prestigeträchtigen Megabit-Chip in die Hand bekam. „Der Megabit-Chip war nicht das Ziel, sondern ein Prüfstein“, sagt Junghans. „Er war eine Messlatte dafür, wie sehr wir uns dem damaligen Marktführer Toshiba angenähert hatten.“ Und dafür, ob und wie die ostdeutschen Ingenieure die damit verbundenen technololgischen Herausforderungen gemeistert hatten. Und auf diesen Weg sei man damals sehr weit vorangekommen. „Vielleicht mag man das als eine Lehre aus dem DDR-Mikroelektronik-Programm sehen: Solch ein Rückstand ist aufholbar!“

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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