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Frauentag: Im Konsens, mit Respekt

Um eine Fabrik zu führen, ist technischer Sachverstand nützlich, sagt die Rosti-Geschäftsführerin und Ingenieurin Antje Heinze. Aber wohl noch wichtiger ist, zuhören zu können und ein Klima des Respekts im Unternehmen zu pflegen. Foto: Heiko Weckbrodt

Um eine Fabrik zu führen, ist technischer Sachverstand nützlich, sagt die Rosti-Geschäftsführerin und Ingenieurin Antje Heinze. Aber wohl noch wichtiger ist, zuhören zu können und ein Klima des Respekts im Unternehmen zu pflegen. Foto: Heiko Weckbrodt

Antje Heinze führt eine Fabrik in Dresden – und hat ihren ganz eigenen Führungsstil entwickelt

Dresden, 8. März 2017. „Mein Führungsstil?“ Über diese Frage muss Antje Heinze kurz nachdenken. „Auf jeden Fall nicht autoritär, so bin ich nicht.“ Die Chefin des Dresdner Industriebetriebes „GP Rosti“ überlegt. „Bei mir steht die Kompromissfindung im Vordergrund: Ich höre meinen Leuten zu, korrigiere auch mal meine Ideen und entscheide erst dann.“ Wenn irgendwie möglich so, dass sie ihre Vorhaben „mit wenig Druck“ umsetzen kann. „Im Konsens, mit Respekt, so dass die Leute das freiwillig tun“, sagt die 50-jährige Chefin, Mutter und Ingenieurin lächelnd. „Ob das ein weiblicher Führungsstil ist, weiß ich nicht. Bei mir hat das jedenfalls funktioniert.“

Betrieb in weiblicher Regie: Umsatz verdoppelt, Belegschaft gewachsen

Und funktioniert hat dieser Stil nicht nur in der Belegschaft, sondern auch für die Firma: Seit sie den Chefsessel im Februar 2006 übernahm, ist es mit der Plasteverschluss-Fabrik im Gewerbegebiet Coschütz-Gittersee spürbar aufwärts gegangen: Der Umsatz hat sich seitdem fast verdoppelt, die Belegschaft ist jetzt fast dreimal so groß wie damals, als jener überraschende Anruf kam: „Antje, Du bist ab sofort hier der Chef.“

„In der Fabrik ging es drunter und drüber“

„Anfangs dachte ich, das ist nur vertretungsweise“, erzählt sie. „Erst nach ein paar Tagen dämmerte mir, dass das für immer sein sollte.“ Denn eigentlich hatte der schwedische Mutterkonzern GP Plastindustrie die Ingenieurin als Qualitätsmanagement-Expertin für die deutsche Tochterfirma in Dresden angeheuert. Mit der waren die Schweden gerade nicht sehr glücklich: Die Fabrik sollte mit neuen Kunststoff-Spritzgussmaschinen Millionen von Schraubverschlüssen für Tetrapack produzieren. Doch ständig fielen die Taktstraßen aus, immer wieder gab es Kundenreklamationen… „In der Fabrik ging es drunter und drüber“, erinnert sich Antje Heinze.

Beförderung über Nacht

„Vielleicht war es ganz gut, dass ich von Kunststoff-Spritzguss keine Ahnung hatte: Ich musste mir von den Mitarbeitern erstmal alle Arbeitsabläufe genau erklären lassen, dabei hat mir wiederum meine technische Ausbildung sehr geholfen.“ Dann begann Heinze, den Betrieb umzukrempeln, ein richtiges Führungsteam aufzubauen, die Abläufe zu verbessern, Leute einzustellen. Nach 14 Tagen war der Konzernchef in Schweden so beeindruckt von „der Neuen“, dass er sie – ungefragt – zur Betriebsleiterin beförderte.

Spritzguss-Maschinen stellen in der Dresdner Rosti-Fabrik im Gewerbegebiet Coschütz-Gittersee Milliarden Kunststoff-Verschlüsse für Tetrapack und andere Kunden her. Foto: Heiko WeckbrodtSpritzguss-Maschinen stellen in der Dresdner Rosti-Fabrik im Gewerbegebiet Coschütz-Gittersee Milliarden Kunststoff-Verschlüsse für Tetrapack und andere Kunden her. Foto: Heiko Weckbrodt

Spritzguss-Maschinen stellen in der Dresdner Rosti-Fabrik im Gewerbegebiet Coschütz-Gittersee Milliarden Kunststoff-Verschlüsse für Tetrapack und andere Kunden her. Foto: Heiko Weckbrodt

Drei Milliarden Verschlüsse für Tetrapack & Co.

Diese Entscheidung hat er wohl nicht bereut: Statt 13 bis 14 Millionen Euro vor der Ära Heinze macht Rosti Dresden nun 23 Millionen Euro Umsatz. Die Belegschaft wuchs von 25 auf 71 Mitarbeiter. 2013 und 2014 investierte das Unternehmen nochmal 8,5 Millionen Euro in Coschütz-Gittersee, um eine neue Lagerhalle zu bauen und die Produktionslinien zu erweitern. Inzwischen beliefert die Dresdner Tochter nicht nur Tetrapack, sondern stellt auch Plasteverschlüsse für Würzketchup und andere Lebensmittel her – rund drei Milliarden Stück pro Jahr.

Eigentlich wollte sie in die Landwirtschaft

Dabei hatte sich Antje Heinze ihre Karriere ursprünglich ganz anders vorgestellt. Bunte Plasteverschlüsse kamen in diesem Jugendtraum gewiss nicht vor – vielmehr Tiere und viel Grün. „Schon als Schülerin habe ich gerne in den LPGs ausgeholfen“, erinnert sich die Geschäftsführerin und streicht sich durchs weißblonde Haar. „Ich wollte in die Landwirtschaft gehen.“

Antje Heinze leitet die Rosti-Fabrik in Dresden. Unter ihrer Führung hat sich das Unternehmen stabilisiert und ist deutlich gewachsen. Foto: Heiko Weckbrodt

Antje Heinze leitet die Rosti-Fabrik in Dresden, in der hohe Reinheitsgebote gelten. Unter ihrer Führung hat sich das Unternehmen stabilisiert und ist deutlich gewachsen. Foto: Heiko Weckbrodt

DDR-„Way of Career“

Daraus wurde nichts. Dafür schlug das Mädchen aus Cossebaude einen ganz DDR-typischen Berufspfad ein: Berufsausbildung mit Abitur zur Maschinen- und Anlagen-Monteurin in der ostdeutschen Chip-Schmiede ZFTM, dann ein Landmaschinenbau-Studium an der TU Dresden. „Ich fand Technik schon immer faszinierend, weil man sich da soviel mit Systematik und Logik erschließen kann.“ 1991 war das Studium fertig – und die DDR am Ende. „Wir waren der erste Nachwende-Jahrgang, der sich selbst um Jobs bewerben musste und nicht durch die zentrale Absolventenvermittlung dorthin geschickt wurde, wo der Staat die Leute brauchte.“

Dienstreisen und Kinder

Sie arbeitete dann in der Dresdner Außenstelle des Kraftfahrtzeug-Bundesamtes, bildete sich zur Qualitäts-Auditorin für die Automobilbranche weiter. Die Notbremse zog sie, als sich die Dienstreisen zu sehr häuften. „Die vielen Reisen auf der einen Seite und meine drei Kinder auf der anderen Seite – das funktionierte immer weniger.“

Das Wochenende ist tabu

Und so wechselte Antje Heinze in die Verschluss-Fabrik, wurde dort zur eigenen Überraschung plötzlich Chefin. „Klar habe ich auch hier lange Arbeitstage, zehn bis zwölf Stunden sind normal“, räumt die Ingenieurin ein. „Aber ich reserviere mir feste Zeiten für die Familie: Das Wochenende ist tabu, da bin ich für die Firma nicht zu erreichen – zum Glück hab ich daheim ohnehin kein Netz.“

Zeit für sich selbst rexervieren

Und auch das könne sie jungen Frauen, die noch am Anfang ihres Karriere- und Familienweges stehen, nur immer wieder raten: „Reserviert Euch feste Stunden in der Woche für Euch selbst, das erdet!“ Sie selbst hat sich auch solche festen Erdungszeiten eingetaktet. Und dort schließt sich auch der Kreis auch wieder zu ihrem alten Jugendtraum vom Bauernhof: „Ich habe einen großen Garten daheim in Cossebaude“, erzählt sie. „Mit Bienen und Schafen.“

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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