Kommentar & Glosse, Wirtschaftspolitik
Schreibe einen Kommentar

Gastkommentar: „Auftragsrückgang bei GloFo ist reines Ablenkungsmanöver“

Der Globalfoundries-Fabrikkomplex in Dresden: Die Erweiterungen (Mitte hinten) sind baulich weitgehend fertig, die Reinraumbrücken, die alle Module verbinden, sind auch schon erkennbar. Abb.: Globalfoundries

Der Globalfoundries-Fabrikkomplex in Dresden. Abb: Globalfoundries

Mikroelektronik-Veteran Bernd Junghans über den Personalabbau bei Globalfoundries Dresden

Dresden, 4. Oktober 2015. Am Freitag hat der US-Chipkonzern Globalfoundries einen massiven Personalabbau in seiner Dresdner Fabrik angekündigt: Bis zu 800 Mitarbeiter und damit etwa ein Fünftel der Belegschaft verlieren demnach bis Ende 2016 ihre Jobs. Das Unternehmen begründete diesen Schritt mit sinkender Nachfrage für hochwertige Chip in PCs, Tablets und Smartphones, wie sie von Globalfoundries Dresden hergestellt werden. „Die Begründung für den Auftragsrückgang bei GloFo ist ein reines Ablenkungsmanöver“, meint hingegen Professor Bernd Junghans. Das Unternehmen setze auf veraltete Technologien und wolle nur staatliche Subventionen abfassen, ist er überzeugt. In einem Gastkommentar erklärt der Dresdner Mikroelektronik-Veteran (u.a. Leiter des DDR-Megabitchip-Entwicklungsprojektes im ZMD), warum:

Bernd Junghans. Foto: privat

Bernd Junghans. Foto: privat

GloFo setzt auf veraltete Technologien

„Es gibt keinen Rückgang in der weltweiten Chipnachfrage, sondern weiterhin Jahr für Jahr ein Wachstum zwischen 5 und 10 %. In diesem Jahr wird der Weltmarkt für Halbleiter ca. 350 Milliarden $ erreichen. Auch der Umsatz an Smartphones und Tablets steigt weiter. Um in diesem Markt zu bestehen, muss man natürlich Spitzentechnologien anbieten. TSMC* macht das vor. Bei weiterhin zweistelligen Wachstumsraten in Umsatz und Gewinn pro Jahr macht TSMC in diesem Jahr voraussichtlich 29 Milliarden Umsatz und ca. 10 Milliarden Gewinn! Natürlich nicht mit veralteten Technologien wie GloFo in der Fab 1, sondern mit einer 14-Nanometer-Fertigungstechnologie für Smartphones – genauso wie das auch Samsung erfolgreich macht.“

Schwerpunkt auf FD-SOI-Technik soll nur Subventionen abgreifen

„Das Ablenkungsmanöver mit der 22-nm-FD-SOI-Technologie dient nur dazu, weitere Subventionen abzufassen und Dilettanten wie unseren famosen Herrn Dulig**, dem es vor allem darum geht, neoliberale Ordnungspolitik zu zelebrieren und seine Freunde in der veralteten Industrie nicht zu verärgern, hinters Licht zu führen. Diese Technologie wird nicht oder nur sehr eingeschränkt für das Internet der Dinge (IoT) Anwendung finden.

Wer wissen will, wo die Technologieentwicklung hingeht, möge sich mal die Anforderungen der 5G-Mobilfunktechnologie ansehen – Professor Fettweis von der TU Dresden ist dafür ein hervorragender Wissensträger). 5G (taktiles Internet) wird im Zentrum des anspruchsvollen Teils des IoT stehen, z. B. für autonom fahrende Autos und die zugehörige Infrastruktur. Unsere Automobilindustrie wird von der Verfügbarkeit solcher Technologien überlebenswichtig abhängen. SOI ist dafür grundsätzlich nicht geeignet. Für die Kommunikation von Kaffeemaschinen und Geschirrspülern mag SOI im Zeitalter des IoT gehen. Aber ist es das, was Herr Dulig fördern möchte?“

* TSMC ist der weltweit führende Chip-Auftragsfertiger („Foundry“) und sitzt in Taiwan.

** gemeint ist der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD)

Bernd Junghans gehört zum Urgestein der Mikroelektronik in Sachsen: 1962 bis 1968 studierte er Halbleiterphysik und Elektronik an der Moskauer Hochschule für Energetik (MEI). Im Anschluss promovierte er an der TH Karl-Marx-Stadt. 1976 bis 1992 arbeitete er in der zentralen Chipentwicklungs-Schmiede der DDR, im ZMD (vorher: ZFTM) in Dresden – erst als Schaltkreisentwickler, später als Entwicklungsdirektor. Hier leitete er u.a. die Entwicklung des DDR-Megabitchips. Nach der Wende war er in diversen Halbleiter-Unternehmen und Instituten tätig. Heute ist Bernhard Junghans 74 Jahre alt, ist Geschäftsführer des Dresdner Softwareunternehmens „Metirionic“ und Mitglied des sächsischen Hightech-Verbandes „Silicon Saxony“. Er gilt als Verfechter einer aktiveren deutschen und sächsischen Wirtschaftspolitik zu Gunsten der Halbleiter-Branche.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

Schreibe einen Kommentar