Abtrünnige investieren 300.000 Euro an der Rosenstraße
Dresden, 2. Januar 2015: Die Kaffee-Sachsen versuchen, ihrem Ruf wieder gerecht zu werden: In der Dresdner Rosenstraße entsteht jetzt eine gläserne Kaffeeröst-Manufaktur. Dafür haben sich vier ehemalige Mitarbeiter der „Dresdner Kaffee- und Kakaorösterei“ selbstständig gemacht – darunter der prämierte Röster Ralf Salomo – und die neue Rösterei „Kaffanero“ gegründet.
Brennhitze der Röstfabriken verpönt
„Wir wollen hier zeigen, wie Kaffee jenseits der industriellen Kaffeefabriken auch geröstet werden kann – nämlich langsam, bei niedrigen Temperaturen und besonders schonend, so dass man das ganze Aroma aus den Bohnen herausholt“, erklärt Salomo, der seit zehn Jahren Röster ist.
Statt bei 400 bis 600 Grad wie in den Massenröstereien bereiten die Kaffaneros ihre Bohnen bei etwa 180 bis 200 Grad auf. Dadurch braucht der Röstprozess zwar zehn bis 25 Minuten statt nur zwei bis vier Minuten, kann dabei aber die Säuren in den Bohnen besser abbauen und kann auch an der Luft statt mit kalten Wasserbädern wie in der Kaffee-Fabriken abgekühlt werden. Und da immer nur jeweils eine Sorte geröstet wird, werden kleinere Bohnen nicht verbrannt, wie man es von Supermarkt-Sorten kennt. Der so aufbereitete Kaffee ist dadurch nicht so sauer wie die Fabrik-Ware und zudem –wir können das aus eigener Verkostung nur bestätigen – auch deutlich aromatischer.
Videobericht aus der neuen Rösterei (Heiko Weckbrodt):
Sachsens größte Röstmaschine trommelt neben dem Kraftwerk
Damit sie dennoch auf ordentliche Mengen kommen, haben die Kaffanero-Chefs Ines Richter und Jens Kinzer die laut eigenen Angaben größte Kaffee-Röstmaschine Sachsens installiert. In deren Trommel passen pro Durchgang etwa 30 Kilogramm Bohnen. Zudem ist sie mit speziellen Schamottsteinen versehen, die für eine gleichmäßige Wärme sorgen sollen.
Computerfritzen im „Silicon Saxony“ trinken Kaffee ohne Ende
Insgesamt investieren Richter und Kinzer rund 300.000 Euro in ihre Manufaktur nahe am Kraftwerk Nossener Brücke: Die Trommelröste ist bereits im Betrieb, als nächstes werden noch Glaselemente zum Zugucken, eine Kaffeebar und Verkaufsräume eingerichtet. Im Februar startet dann der eigentliche Verkauf, je nach Sorte wollen die Kaffaneros zwischen 19 und 22 Euro pro Kilo verlangen. „Dafür bekommen die Leute aber auch sehr qualitätvollen und sortenreinen Kaffee“, betonte Kinzer. Schon jetzt liegen den „Neuen“ in Dresdens Röstszene zahlreiche Aufträge von Großabnehmern auf dem Tisch und Kinzer ist um die Zukunft seiner genussvollen Unternehmung im „Silicon Saxony“ auch nicht bange: „Die ganzen Computerleute hier trinken doch enorm viel und enorm gern Kaffee.“
Dresden galt einst als Röst-Hochburg im Reich
Das vierköpfige Team knüpft an eine alte Tradition im Elbtal an, die schon fast ausgestorben war: Im Deutschen Reich galt Dresden als eine der wichtigsten Hochburgern der Kaffee- und Kakaoproduktion, zeitweise waren mindestens zwei Dutzend Röstereien am Markt. Während der DDR-Zeit zentralisierten die SED-Wirtschaftslenker diese einstige Vielfalt allerdings in Kombinaten und eichten sie auf Massenproduktion. Zudem standen den ostdeutschen Kaffee-Fabriken wegen Devisenmangel meist nur minderwertige Bohnen zur Verfügung.
Kleine Renaissance für eine alte Tradition
Erst Jahre nach der politischen Wende kam es zu einer kleinen Renaissance der alten Rösttraditionen. Inzwischen gibt es in Dresden wieder vier Privat-Röstereien: Die auf Kaffee- statt Espresso-Bohnen spezialisierten „Phoenix Coffee Roasters“ an der Bautzner Straße, „Mrs. Brown“ an der Königsbrücker Straße, „Kaffanero“ an der Rosenstraße und die erwähnte „Dresdner Kaffee- und Kakaorösterei“ an der Meschwitzstraße, die erst kürzlich das Café auf dem Postplatz hatte räumen müssen und von der auch alle vier Kaffaneros kürzlich abgeheuert haben. Zudem gibt es mit „Schmole“ in Pirna eine sehr traditionsreiche Rösterei nahe Dresdens, auch röstet die Dresdner Bäckerei-Kette „Reimann“ für ihre Filialen.
Autor: Heiko Weckbrodt
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