
Guy Montag (rechts, Oskar Werner) an der Seite seines brandgierigen Hauptsmanns in Truffauts Verfilmung von „Fahrenheit 451“. Abb.: BSF/Universal
Die brandschatzenden Feuerwehrmänner erinnern in ihren schwarzen Uniformen an SS-Männer, das Denunzianten-Auto hat auf dem Dach einen Grammofon-Schalltrichter für Durchsagen – nein, der Franzose François Truffaut hat in seiner Verfilmung von Ray Bradburys Klassiker „Fahrenheit 451“ gar nicht erst versucht, mit aufwendigen Spezialeffekten eine hochtechnisierte Zukunftswelt zu erschaffen. Seine Version einer Gesellschaft, in der Feuerwehrmänner Bücher verbrennen, statt Brände zu löschen, setzte eher auf Symbole statt Hightech – auch nach den Maßstäben von 1966.
Wer Bücher verbrennt, verbrennt auch Menschen
Gerade dies ist aber einer der Gründe, warum seine dystopische Interpretation funktioniert: Es mag schade sein, dass er – wohl aus Budetgründen – auf die technischen Tiere der Romanvorlage wie den seelenlosen Spürhund oder die Auspump-Schlange verzichtete. Aber Truffaut kam es ohnehin mehr auf den Wesenskern der Bradbury-Geschichte an: Wer Bücher verbrennt, verbrennt auch Menschen. Und wer diese Schandtaten als Bürger akzeptiert, beraubt sich des Denkens, der tiefgründigen Analyse, zu Gunsten oberflächlichen TV-Amüsements, das als Kitt dieser seelenlosen, totalitären Gesellschaft herhalten muss.
Trailer (Universal):
Theatermime Werner als zweifelnder Brandschatzer
Für seinen einzigen Ausflug ins Science-Fiction-Genre, der dem Vernehmen nach François Truffauts Liebe zur Literatur geschuldet war, besetzte der Mitbegründer der „Nouvelle Vague“ die Hauptrolle des zweifelnden Bücherverbrenners Guy Montag mit dem Theatermimen Oskar Werner, um die Ambivalenzen, den tastenden Gesinnungswandel dieses traurigen, grübelnden Menschen herauszuarbeiten.
Interessant auch die Doppelbesetzung der Aufwieglerin Clarisse und der Montags-Gattin Linda (alias Milli) mit Julie Christie (zuletzt in „Harry Potter 3“ und „Red Riding Hood“ zu sehen), die hier zwei Frauen von nahezu konträrem Naturell verkörpert.
In vielen Punkten weicht Truffaut von der Vorlage ab, begradigt sie leider im Interesse des leichteren Verständnisses auch etwas. So ist Clarisse hier kein verspieltes Mädchen, sondern eine hilflose Lehrerin, Montags Vorgesetzter mit Cyril Cusack zwar gut besetzt, aber doch etwas eindimensional angelegt. Silistisch setzt der Franzose auf die Mittel, die den Filmen der „Nouvelle Vague“ seinerzeit das besondere Etwas verliehen – der Einsatz der Handkamera bei Verfolgungen oder bei den Fahrten der ausrückenden Feuerwehr oder auch die dramaturgisch überlegt eingesetzte Filmmusik seien als Beispiele genannt.
Fazit:
Dennoch ist dem Franzosen eine ganz eigene und interessante Interpretation des Bradbury-Klassikers gelungen, die sehr von ihrem Hauptdarsteller und der urigen Anmutung lebt. Die DVD-Fassung enthält als Extras unter anderem ein Interview mit Ray Bradbury und ein Making-Of – leider nur in Englisch ohne Untertitel. Heiko Weckbrodt
„Fahrenheit 451“ (Univeral), Science Fiction – Literaturverfilmung, Großbritannien 1966 (DVD 2003) Regie: François Truffaut, mit Oskar Werner, Julie Christie, 112 Minuten, USK 12 Â- Von der Feuerwehr abgefackelte Bücher. Abb.: BSF, Universal
- Abb.: Universal
- Grammophon-Trichter auf dem Dach: Die Obrigkeit fordert die Untertanen auf, Montag zu fangen. Abb.: BSF, Universal
Zum Weiterlesen:
Die Romanvorlage: Ray Bradburys Loblied aufs Lesen