Jeder fünfte Industrie-Arbeitsplatz könnte wegfallen – doch Massenarbeitslosigkeit hält Clemens Fuest für unwahrscheinlich
Dresden, 8. Juni 2017. Die nahende vierte Industrielle Revolution („Industrie 4.0“) wird nicht nur Arbeitsplätze vernichten, sondern auch neue schaffen. „Ich halte die gelegentlich geäußerten Befürchtungen, dass dadurch massenhaft Jobs verloren gehen, für übertrieben“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest auf Oiger-Anfrage in Dresden.
Angst gab es schon zur 1. Industriellen Revolution
„Diese Angst gab es schon bei der ersten Industriellen Revolution“, argumentierte der Chef des Wirtschaftswissenschafts-Instituts. „Damals konnte sich auch kaum einer vorstellen, wo all die Leute hinsollten, die bis dahin in der Landwirtschaft gearbeitet haben. Doch tatsächlich sind ganz andere Arbeitsplätze entstanden.“
Auch Jobverluste für Hochqualifizierte denkbar
Ähnliche Effekte erwartet Fuest auch durch die hochautomatisierten und vernetzten Fabriken der Industrie 4.0. Allerdings sei nach allen bisherigen Prognosen tatsächlich zu erwarten, dass 15 bis 20 Prozent der bisherigen Industrie-Arbeitsplätze wegfallen werden – im besten Falle zu Gunsten neuer Berufsbilder. Schwer abzuschätzen sei indes, welche Jobs in den Betrieben wegrationalisiert werden, betonte Fuest. Vieles spreche dafür, dass Spezialisten von der Industrie 4.0 eher profitieren werden. Entgegen den bisherigen Trends in der deutschen Wirtschaft könne die nächste Transformations-Stufe der Industrie durchaus auch Jobverluste für Hochqualifizierte auslösen könne.
Zum Weiterlesen:
Was ist Industrie 4.0 eigentlich?
Zahlen Roboter künftig unsere Gehälter?
Zugleich spricht sich der Ifo-Präsident gegen eine Maschinensteuer aus, wie sie derzeit oft diskutiert wird. Die Idee dahinter: Wenn die hochautomatisierten Fabriken der Zukunft nur noch wenige Menschen beschäftigen, dann müsse der Staat eben den investierten Maschinenpark statt der Arbeiter und Unternehmer besteuern, um einen Zusammenbruch der öffentlichen Systeme zu verhindern. „Roboter künftig die Gehälter der Leute bezahlen zu lassen, ist doch ein absurder Gedanke“, kritisierte Fuest. „Ich halte eine Maschinensteuer für den falschen Weg.“ Dies mute an wie der Versuch, eine industrielle Revolution per Steuer aufzuhalten.
Kommt die menschenleere Dunkel-Fabrik?
Die Diskussionen um starke Job- und Steuerverluste werden in der Bundesrepublik vor allem durch den Umstand befeuert, dass die Industrie bis heute als das Rückgrat und der Wachstumsmotor er deutschen Wirtschaft gilt. Zugleich verstehen sich die Deutschen als technologische Pioniere der Hochautomatisierung und Vernetzung industrieller Wertschöpfungsketten.
In den „Industrie 4.0“-Fabriken sollen weitgehend Computer, Maschinen und Roboter untereinander die Produktionsprozesse aushandeln. Sie werden womöglich fast menschenleer sein, vielleicht gar in ewiger Dunkelheit produzierten, um Strom zu sparen – anders als Menschen sind Roboter nicht auf sichtbares Licht angewiesen. Menschliche Helfer würden solche Werke vielleicht nur noch brauchen, um repariert zu werden. Diese Konzepte könnten allerdings dramatische Auswirkungen für den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme in Deutschland nach sich ziehen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!
1 Kommentare