Oigers Wochenendtipp: Gunzenhauser Chemnitz zeigt Werkschau des fast vergessenen Expressionisten Fritz Ascher
Chemnitz, 17. März 2017. „Leben ist Glühn – der deutsche Expressionist Fritz Ascher“ heißt die Sonderausstellung, zu der das Museum Gunzenhauser der Kunstsammlungen Chemnitz einlädt. Der Name Ascher ist mir wie Schall und Rauch, lautet dazu die nachvollziehbare Reaktion Vieler. Der Maler, der Expressionist Fritz Ascher ist unbekannt, er ist schlicht und einfach vergessen. Tatsache ist, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden besitzen nicht ein Bild des Malers, auch die Kunstsammlungen Chemnitz haben keins. Selbst bei Kennern der Kunstszene löst der Name Fritz Ascher nur hilfloses, bedauerndes Kopfschütteln aus.
Bedeutender Vertreter des deutschen Expressionismus
Es muss schon gute Gründe geben, dass die Chemnitzer mit ihrer ebenso tatkräftigen wie gespürsicheren Generaldirektorin Ingrid Mössinger sich für diese Sonderausstellung entschieden haben. Sie wollen Fritz Ascher für uns wieder entdecken, ihm zu dem Platz in der Hierarchie deutscher Expressionisten verhelfen, den er, wie wir augenscheinlich erkennen werden, zu Recht verdient: Fritz Ascher ist ein bedeutender Vertreter des deutschen Expressionismus.
Von den Nazis verfemt, frühes Werk zerstört
Die Ausstellung gibt mit einer repräsentativen Auswahl von rund 40 Gemälden und Grafiken einen Einblick in das vielfältige künstlerische Schaffen des Malers. Sie lädt zur Wiederentdeckung des ehemals verfemten und vergessenen Künstlers ein, der von den Nationalsozialisten verfolgt und dessen frühes Werk durch den Zweiten Weltkrieg zum Teil zerstört wurde. Die Ausstellung kam, bis auf eine einzige Ausnahme, ausschließlich durch Leihgaben aus Privathänden zu Stande.
Die unter Mössingers Egide bisher gezeigten Sonderausstellungen mit dem Schwerpunkt Expressionismus zwischen Russischer Avantgarde, Blauer Reiter und Brücke konnten auch uns stets überzeugen und begeistern. Von dieser guten Erfahrung ausgehend, sollten wir uns dem Thema Fritz Ascher aufgeschlossen und erwartungsvoll zuwenden. Wir werden nicht enttäuscht!
Kühne Pinselführung, kräftige Farben
Für den in Berlin am 17. Oktober 1893 geborenen Fritz Ascher waren ein kühner Pinselführung und eine expressionistische Farbwahl charakteristisch. Die Arbeiten aus der Zeit vor 1933 vermitteln Eindrücke von der kraftvollen künstlerischen Sprache seines frühen Schaffens. Neben humoristischen, der Karikatur nahen Bildern, sind Gemälde und Grafiken zu sehen, die im Zeichen des Symbolismus und es Expressionismus stehen. Die Zeit zwischen 1914 und 1933 dürfte seine erfolgreichste Schaffensperiode gewesen sein. Ascher ist ein Vertreter des Expressionismus und des Symbolismus. Der Symbolismus bezeichnet eine aus Frankreich kommende Kunstströmung der Malerei und der Bildhauerei zwischen 1880 und 1910. Eine wesentliche Eigenschaft der symbolistischen Kunst besteht darin, eine Idee niemals begrifflich zu fixieren. Symbolismus und Jugendstil gelten zusammen als Bindeglieder zwischen dem vorangegangenem Impressionismus und dem nachfolgenden Expressionismus. Symbolisten werden oft als Vorläufer der Surrealisten bezeichnet.
Kurzbiografie von Fritz Ascher
Ascher wächst in wohlhabenden Verhältnissen auf. Sein künstlerisches Talent zeigt sich früh. Als 16-Jähriger studiert er bei Max Liebermann, der ihn zur Akademie der Bildenden Künste nach Königsberg weiterempfiehlt, die er 1912/13 besucht. Dann kehrt er nach Berlin zurück.
Zwischen Blauem Reiter und dem Golem
Um 1919/20 weilt er längere Zeit in München und wird mit den Künstlern des „Blauen Reiters“ sowie des satirisch-kritischen Wochenmagazins „Simplicissimus“ bekannt und befreundet. Viele Arbeiten der Jahre bis 1933 sind von extensiver Religiosität geprägt, zugleich interessiert er sich für alte Sagen und Mythen, aber auch für Musik, für Opern. Wir entdecken Bilder des Komponisten Ludwig van Beethoven gleich mehrfach in der Ausstellung.
Ascher befasst sich mit der Leidensgeschichte Christi und Darstellungen des Golems. Das Bild des Golems nimmt eine zentrale Stellung in Aschers Schaffen und deshalb auch in der Ausstellung ein. Es hat das Bild 1916 gemalt, aber unmittelbar nach dem Kriegsende 1945, als er vor dem Nichts in seiner künstlerischen Laufbahn stand, wie andere frühere seiner Werke noch einmal überarbeitet. Auch das Thema Bajazzo – des Clowns – der sein Publikum zum Lachen bringt, während er innerlich weint, beschäftigt Ascher ein Leben lang.
Als „entarteter“ Künstler gebrandmarkt
Mit der Machtübernahme Hitlers wird Ascher als „Entarteter Künstler“ verfemt, er kann, zumindest offiziell, nicht mehr malen. Er schreibt Gedichte. Proben dieser Lyrik finden wir in der Ausstellung. Im Visier der Nationalsozialisten wechselt er oft die Wohnorte. Nach Inhaftierungen im KZ Sachsenhausen und im Potsdamer Polizeigefängnis versteckt er sich ab 1942 bis zum Kriegsende bei Martha Graßmann, einer Freundin seiner Mutter, in Berlin. Noch in den letzten Kriegstagen verbrennt sein Vorkriegswerk zum Großteil.
Teile seines Lebens bleiben im Schatten
Nach 1945 beginnt Ascher wieder zu arbeiten. Er wendet sich einem neuen Thema in seiner künstlerischen Arbeit zu: Er beschwört die Natur als Rückzugsort und Heimat des Spirituellen. 1946 stellt der Gallerist Karl Buchholz Werke Aschers aus. Ascher vermeidet Kontakte zu anderen Menschen, alle Angebote für Lehrtätigkeiten lehnt er ab. Seine Bilder verkauft er nicht. Wovon er in dieser Zeit seinen Lebensunterhalt bestreitet, bleibt unklar. Eine eigene Familie hat er offensichtlich nie gegründet. Der Galerist Rudolf Springer kann ihn 1969 zu einer Ausstellung überreden.
Besinnung auf die Natur
Auf der Suche nach einer neuen künstlerischen Ausrichtung durchstreift er immer wieder den Berliner Grunewald. Das Thema Natur bleibt bestimmend für sein Spätwerk. In dieser Schaffensperiode beobachtet und zeichnet er die Natur zu den Tages- und Jahreszeiten. Bäume und auch die Sonne spielen für ihn eine herausragende Rolle. Er schafft, davon zeugen die auf der Ausstellung gezeigten Werke eindrucksvoll, dramatische und schöne Bilder von Blumen, Bäumen, Sonnenuntergängen und hügeligen Wiesen.
Existenz am Rande der Katastrophe
Allerdings wechseln die Phasen intensiven Schaffens mit Zeiten extremer Depression, von Selbstgesprächen und Schlaflosigkeit, Zeiten, in denen er nicht ansprechbar ist. Er existiert nur noch am Rand der Katastrophe. Den 1969 erfolgten Abbruch der Villa in der Berliner Bismarckstraße, in der er zuletzt wohnt, verkraftet er nicht mehr, er stirbt.
Ausstellungen mit Werken Fritz Aschers gab es gelegentlich in Deutschland, aber auch 1993 und 1996 in den USA.
Autor: Peter Weckbrodt
Besucherinformationen
Was?
Sonderausstellung „Leben ist Glühn – der deutsche Expressionist Fritz Ascher“
Wo?
Museum Gunzenhauser der Kunstsammlungen Chemnitz, 09112 Chemnitz, Falkeplatz
Wann?
Vom 5. März bis 18. Juni 2016
Öffnungszeiten:
Di bis So. von 11 bis 18 Uhr
Eintrittspreise: Erw. 8 Euro, Erm. 6 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei
Zusatzinformationen
Per Telefon 0371-488 44 24 oder hier im Internet
Katalog:
Zur Ausstellung gibt es einen sehenswerten Katalog zum Preis von 29 Euro.
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