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Politkrimi „Februar“: Dresden versinkt in Gewaltexzessen

Im Polit-Thriller "Februar" von Francis Mohr eskalieren politische Grabenkämpfe in Dresden zu Terror und Gewalt. Fotos & Montage: hw, Coverfoto: Dresdner Buchverlag

Im Polit-Thriller „Februar“ von Francis Mohr eskalieren politische Grabenkämpfe in Dresden zu Terror und Gewalt. Fotos & Montage: hw, Coverfoto: Dresdner Buchverlag

Francis Mohrs Roman über Wege in die Eskalation

Was passiert, wenn in einer Stadtgesellschaft der Grundkonsens zerbröselt, selbst tiefe Konflikte gewaltfrei zu lösen? Wenn harter Streit erst zu Steinen, dann zu Brandsätzen und purer Terrorlust gerinnt? Eine Frage, die angesichts der jüngsten Ausschreitungen gegen Asylbewerber in Dresden und Heidenau aktueller denn je ist. Der in Leipzig geborene und in Dresden lebende Autor Francis Mohr hat sie seinem neuen Krimi „Februar“ durchgespielt. Und wie es der Titel schon andeutet, zieht er seine spannende und politisch ambitionierte Geschichte am Grundtrauma seiner selbstverliebten-geliebten Wahlheimat Dresden auf: Kurz vor einem der Gedenktage an die Zerstörung Dresdens am 13. Februar eskalieren bei ihm politische Lagerkämpfe zu einer beispiellosen Spirale der Gewalt. Schließlich greift sogar das Militär ein, weil die Polizei vor Ort angesichts des mörderischen Terrors von Ultralinken und -Rechten hoffnungslos überfordert ist.

Immer neue Gräben: Links-Rechts, Ossi-Wessi, Oben-Unten

Für Hauptkommissar Josef Kafka erscheint es zunächst ein Routine-Auftrag wie jedes Jahr: Rechte und Linke haben wieder mal ihre Demos angekündigt, Zoff ist zu erwarten, und nun soll er den Psychologen Fritz Sölle überreden, in einem Deeskalations-Team der Kripo mitzumachen. Der Therapeut gibt ihm einen Korb, hat keine Lust. Blöder Wessi, denkt sich der ostdeutsche Kommissar und zieht ab. Dann jedoch prallen Linke und Rechte am Bahnhof mit unerwarteter Wucht aufeinander, zermalmen eine Polizeihundertschaft zwischen sich, mehrere Polizisten sterben und ein bekannter Lokalpolitiker verbrennt am Rande der Randale in seinem Auto. Die Kripo wertet illegal die Handy-Daten der Demonstranten aus und dabei ergibt sich bei allzu vielen ein gemeinsamer Nenner: Sie alle sind Patienten von Fritz Sölle. Zufall? Ein Zweckpakt zwischen Links- und Rechtsradikalen gegen „das System“? Oder spielen da noch persönliche Abrechnungen eine Rolle? Kafka geht widerwillig eine Ermittlungs-Allianz mit dem „Wessi-Schnösel“ Sölle ein, der wiederum beginnt, seine Schweigepflichten recht großzügig auszulegen…

Autor hält seiner Wahlheimat den Spiegel vor

Der Autor und Psychologe Francis Mohr wurde in Leipzig geboren, lebt in Dresden und liebt wie seine Romanfigur Kafka Portwein. Foto: Olga Meier-SanderDer Autor und Psychologe Francis Mohr wurde in Leipzig geboren, lebt in Dresden und liebt wie seine Romanfigur Kafka Portwein. Foto: Olga Meier-Sander

Der Autor und Psychologe Francis Mohr wurde in Leipzig geboren, lebt in Dresden und liebt wie seine Romanfigur Kafka Portwein. Foto: Olga Meier-Sander

„Die Alten verblödeten allabendlich desinteressiert vorm Sedierprogramm der Fernsehindustrie. Eine selbstverliebte und auf Egotrip getrimmte Jugend tanzte auf Crystal-Partys. Die Politik brillierte mit Gutmenschenphrasen, Political Correctness und Deeskalationsgeseiere. Die Justiz zog sich auf blockierende Standards zurück und hatte es längst verlernt, sich auf eine eigene Sprache jenseits juristischer Floskeln zurückzubesinnen. Statt einfachste Meinungsdifferenzen mittels zwischenmenschlicher oder moralischer Standards zu regeln, wurden Drohgebärden mit Hilfe von Anwälten aufgefahren.“

(Aus: Francis Mohr: „Februar“)

Obwohl durchaus parteiisch geschrieben, ist „Februar“ glücklicherweise kein propagandistisches Pamphlet geworden, sondern beides: spannender Krimi und gesellschaftliche Analyse einer zerrissenen, narzisstischen Stadt, die, obwohl namentlich nicht genannt, unschwer als Dresden zu identifizieren ist. Deren Demonstranten 1989 die kommunistischen Diktatoren mit dem Ruf „Keine Gewalt!“ ihrer Argumente beraubte, und in der nun plötzlich Gewalt gegen Menschen als opportun gilt. Eine Stadt, die „nervt“ und fasziniert“ – und in diesem eben nur halbfiktiven Szenario zeigt, in welche dunklen Abgründe Bigotterie und Radikalisierung führen können.

Fazit: stilsicher, spannend und analytisch

Dabei zeigt sich Francis Mohr als stilsicherer Autor mit einem Auge für wichtige Details. Dabei bemüht sich Mohr deutlich, Klischees und direkte Parteinahme zu umschiffen, nicht zu dick aufzutragen, was ihm nicht immer, aber meist gelingt. Kritisch anzumerken sind allerdings ein bisschen viele Flüchtigkeitsfehler, die durch das Lektorat geschlüpft sind. Abgesehen davon ist „Februar“ ein spannender, stilsicherer und gleichzeitig analytischer Polit-Krimi mit einem Kommissar Kafka (nomen est omen), von dem man gerne mehr lesen möchte.

Autor: Heiko Weckbrodt

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Francis Mohr: „Februar“, Krimi, Dresdner Buchverlag 2015, Kindle-eBuch: 8 Euro, ASIN: B00SL3NYXI, Taschenbuch: ISBN: 978-3-943450-29-3, 304 Seiten, 13 Euro, Leseprobe hier

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt