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„Dresdner Modell“: Über 500 Hightech-Jobs durch TU-Ausgründungen

Eine Mitarbeiterin befüllt in der Heliatek-Fabrik eine Verdampfungsquelle für organische Solarzellen. Das Unternehmen geht auf eine Ausgründung der TU Dresden zurück. Abb.: Heliatek

Eine Mitarbeiterin befüllt in der Heliatek-Fabrik eine Verdampfungsquelle für organische Solarzellen. Das Unternehmen geht auf eine Ausgründung der TU Dresden zurück. Abb.: Heliatek

Dresden, 4. Oktober 2012: Durch Ausgründungen der TU sind in den vergangenen Jahren über 500 neue Arbeitsplätze in entstanden, vor allem in der Hightech-Branche. Inwieweit die Dresdner Uni-Wissenschaftler das wirtschaftliche Potenzial ihrer Erfindungen voll ausschöpfen, ist allerdings umstritten. Besonders gründungsfreudige Professoren wie Gerhard Fettweis meinen: Zieht man andere „Startup“-Wiegen wie das kalifornische „Silicon Valley“ zum Vergleich heran, haben sich die Dresdner Forscher in der Vergangenheit mit Ausgründungen oft noch zu schwer getan. „Aber das wandelt sich jetzt“, glaubt er.

Video über die TUDAG (DLF/TU):

Wesentlich beigetragen zum Erfolg bisheriger TU-Ausgründungen hat nach Meinung von Gründern und Forschern das sogenannte „Dresdner Modell“ der TU: Über die privatwirtschaftlich organisierte Transfergesellschaft TUDAG überlässt sie gründungswilligen Forschern ihre an der Uni geschaffenen Einfindungen und Patente zu relativ moderaten Preisen und steigt als Zehn-Prozent-Minderheitseigner in die neuen Unternehmen ein.

TU profitiert langfristig von Minderheits-Beteiligungen

Ulrich Assmann. Abb.: TUDAG

Ulrich Assmann. Abb.: TUDAG

„Damit geben wir den Gründern ein wichtiges Verhandlungsargument bei der Suche nach Kapitalgebern in die Hand“, meint TUDAG-Vorstand Ulrich Assmann – selbst gleichermaßen Ingenieur wie Betriebswirtschaftler. „Denn Venture-Capital-Gesellschaften stellen meist als Bedingung, dass die jungen Unternehmen zumindest ihre Patente besitzen.“

Auch sorge die Minderheitsbeteiligung der TUDAG für einen gewissen Rückhalt der Firmengründung. Und: „Wenn aus der Erfindung etwas Großes wird, sichern wir über die Beteiligung, dass die TU finanziell davon profitiert“, betont Assmann.
Gründungen sind wie eigene Kinder

Neben diesem strukturellen Rahmen spielt allerdings persönliche Initiative der Forscher eine noch wichtigere Rolle: Allein auf das Konto zweier Professoren – Telekommunikations-Professor Fettweis und „Organik-Papst“ Prof. Karl Leo – gehen immerhin in Summe 16 Ausgründungen, von denen einige wie etwa die OLED-Firma „Novaled“ oder die Datenfunk-Spezialisten von „Blue Wonder“ inzwischen in der internationalen Spitzenliga mitmischen.

Prof. Karl Leo. Abb.: IPMS

Prof. Karl Leo. Abb.: IPMS

„Ich komme ja aus der Grundlagenforschung – da möchte man natürlich auch irgendwann sehen, dass daraus etwas praktisch entsteht“, erklärt Prof. Leo eines seiner Motive. Für ihn seien seine Ausgründungen wie eigene „Kinder“: „Die verliert man nie ganz aus den Augen, selbst wenn man dort nicht mehr aktiv ist.“

„Für uns war die Hilfe der TU Dresden essenziell – vor allem in der Startphase“, schätzt Jan Blochwitz-Nimoth ein, einer der vier Gründer von Novaled und heute Forschungsleiter des Unternehmens, dessen Spezialrezepte für „Organische Leuchtdioden“ (OLEDs) bei internationalen Multis wie Samsung und LG heiß begehrt sind.

TUDAG-Konstrukt ist einzigartig

Jan Blochwitz-Nimoth. Abb.: Novaled

Jan Blochwitz-Nimoth. Abb.: Novaled

„Von der TUDAG haben wir in der Gründungsphase einen guten Patent-Deal bekommen, auch ihre Kapitalbeteiligung hat geholfen“, sagt Blochwitz-Nimoth. Zudem habe sich die junge Novaled mit der Unis in teure Anlagen hineinteilen können, sei von Initiator Prof. Leo stets beratend begleitet werden und in der Vorlaufforschung arbeite man bis heute mit der TU zusammen. „Mit dem Dresdner Modell und speziell der TUDAG hat die TU einen eleganten Weg gefunden, den es an anderen Unis so nicht gibt“, ist Blochwitz-Nimoth überzeugt.

Denn als staatlich finanzierte Institutionen dürfen sich Universitäten in Deutschland normalerweise nicht wirtschaftlich betätigen und auch nicht Anteilseigner von Unternehmen – wie etwa ihrer Ausgründungen – werden. Doch im Jahr 2000 fanden die Dresdner den richtigen Dreh: Der „Freundeskreis der TU Dresden“ als Verein gründete die TUDAG, die wiederum eine privatwirtschaftliche AG und Holding ist. Und die kann sich eben an Ausgründungen beteiligen, Professoren-Gesellschaften kurzfristig bei der Mitarbeitersuche und der Anschaffung spezieller Apparaturen helfen und dergleichen mehr.

„Wander-Forscher“ besonders gründungsfreudig

„Manchmal kommen zu uns auch Wissenschaftler mit unausgegorenen und wirtschaftsfernen Ideen oder viel zu speziellen Produktkonzepten, für die es weltweit vielleicht nur zehn Kunden gibt“, erzählt TUDAG-Chef Assmann. Dennoch sei die TU-Forscherszene wirtschaftlich durchaus fit: „Es gibt eine Vielzahl von Professoren, die sich für Technologietransfer einsetzen.“ Besonders engagiert seien Wissenschaftler „mit Migrationshintergrund“. Was nicht unbedingt Ausländer meint, sondern generell Forscher, die bereits viele Unis und Standorte kennengelernt haben. Diese seien offener für Hinweise von außen, die manchmal über den Erfolg oder Misserfolg einer Ausgründung entscheiden können.

Die TU-Ausgründung Novaled Dresden ist auf Organische Leuchtdioden spezialisiert. Abb.: Novaled

Die TU-Ausgründung Novaled Dresden ist auf Organische Leuchtdioden spezialisiert. Abb.: Novaled

„Diesen Virus wird man nie mehr los“

Prof. Gerhard Fettweis. Abb.: TUD

Prof. Gerhard Fettweis. Abb.: TUD

Das sieht auch Prof. Fettweis so: „Leute, die sich bewegt haben, die anderswo Forschungssemester gemacht, die sich fern der Heimat zu behaupten gelernt haben, sind beweglicher“, argumentiert der in Belgien geborene Professor, der unter anderem vor seiner Dresden-Zeit auch im amerikanischen „Silicon Valley“ tätig war. „Wer einmal dort war und das Gründungsfieber erlebt hat, der wird diesen Virus nie mehr los“, glaubt er. Im Vergleich dazu habe sich die Dresdner Wissenschaftlergemeinde anfangs oft noch schwer getan mit Ausgründungen, die ein tolles Forschungsergebnis als Kern hatten. „Es gab hier keine Erfahrungen mit dem kapitalistischen System, keine Erfahrungsträger wie in Westdeutschland, die schon mal ein Unternehmen hoch gezogen haben“, erinnert sich Fettweis.

Statt sich ausschließlich auf die technische oder wissenschaftliche Erfindung zu konzentrieren, müsse sich aber ein Gründer auch immer wieder die „Silicon Valley“-typische Frage vorlegen: Wie verkaufe ich mein Produkt? „Und man muss ein Stehauf-Männchen sein, dass die eigene Strategie immer wieder für sich hinterfragt – das dem Team gegenüber aber kaschiert und Zuversicht ausstrahlt“, meint der Professor. Heiko Weckbrodt

Firmen-Gründungen von TU-Forschern (Auswahl)

Prof. Karl Leo (Institut für Angewandte Photophysik)
Novaled (OLED-Materialien, 140 Mitarbeiter)
Heliatek (organische Solarzellen, 87 Mitarbeiter)
Creaphys (OLED-Anlagentechnik)
– Sim4tec (OLED-Software)
Prof. Gerhard Fettweis (TU-Center for Advancing Electronics Dresden )
Blue Wonder (LTE-Chipdesign, von Intel übernommen)
– Systemonic (WLAN-Chips, von NXP übernommen)
– Signalion (LTE-Testgeräte)
Prof. Werner Hufenbach (Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik)
– Leichtbauzentrum Sachsen (Entwicklung und Prototypen/Kleinserien)

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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