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Kommentiert: Starautor Adler-Olsen verhängt eBuch-Sperrfrist – und stachelt so Raubkopierer an

Dresden, 30. August 2012: Da haben einige Krimifreunde der „Generation Digital“ nicht schlecht geguckt, als sie dieser Tage den neuesten Morck-Krimi von Jussi Adler Olsen als eBuch bei Amazon oder Thalia kaufen wollten: Nix da, die Digitalgemeinde soll bis März 2013 auf „Verachtung“ warten, erst ein halbes Jahr (!) nach der Druckausgabe darf man sich eine elektronische Variante des Dänen-Krimis herunterladen.

Einscanner kündigen bereits Gratiskopie an

„Das hat sich der Verlag so gedacht“, hieß es kurz darauf höhnisch in einschlägigen Raubkopie-Foren im Netz. Verbunden mit der Ansage, wann der Bestseller voraussichtlich eingescannt und – natürlich für umme – im Internet zu haben sein wird.

Nun bin ich als Journalist, der vom Lohn seiner geistigen Arbeit lebt, sicher der letzte, der die „Alles muss kostenlos“-Mentalität mancher Netzaktivisten teilt. Aber: Wer moderne Leser, die bereit sind, für ein eBuch auch zu bezahlen, mit derartigen Vertröstungen auf später verprellt – der muss sich nicht wundern, wenn er Raubkopierer regelrecht anstachelt. Fast könnte man gar zu der Meinung gelangen, dass hier gewisse Leute den Siegeszug des eBuchs in Europa und Deutschland im Speziellen mit aller Macht verhindern wollen.

Keine Verlagsentscheidung

Jussi Adler-Olsen. Abb.: P. Jorgensen, dtv

Jussi Adler-Olsen. Abb.: P. Jorgensen, dtv

Allerdings sollte man sich die Argumentation nicht zu leicht machen und schlicht dem „Establishment“ den Schwarzen Peter zuschieben. Im konkreten Fall hat nämlich nicht der Verlag, sondern der Autor selbst die eBook-Sperre verhängt: „Die Frage nach dem E-Book ist verständlich und berechtigt“, erklärte „dtv“-Sprecherin Petra Büscher auf „Oiger“-Anfrage. „Es war der Wunsch von Jussi Adler-Olsen, dass das E-Book erst ein halbes Jahr später kommt. Er möchte, dass Buchhändler, Drucker und alle die am Verkauf des gedruckten Buches teilhaben, am Erfolg auch ökonomisch partizipieren.“

Nur fair: gutes Geld für gute Schreibe

Und damit steht der Däne nicht allein da: In der jüngsten Debatte um eine Reform des Urheberrechts hatten sich viele Autoren gegen Piraten, Hacker und Co. positioniert. Auch ich halte die Forderung der Ultras, alles kostenlos zu bekommen, sei gewissermaßen eine Art Grundrecht des Menschens, für anmaßend gegen geistige Schöpfer, deren Werke wir alle schätzen und die für gute Arbeit auch gutes Geld verdienen.

Widerstand gegen eBuch-Trend ist zwecklos

Doch sich gegen den eBuch-Trend zu stellen, wäre blinde Don-Quichotterie – und sowohl für Autoren wie auch für Buchhandel und Verlage eine sehr kurzsichtige Strategie, wie das Beispiel USA vorführt: Dort hat der eBook-Boom dazu geführt, dass jetzt wieder Menschen lesen, die zuvor jahrelang kein Buch mehr angerührt haben, wie eine Studie gezeigt hat.

Wenn sich hier der Literaturbetrieb an die Spitze der Entwicklung stellen und eBücher zu moderaten Preisen unters lesehungrige Volk bringen würde, statt immer teurere Hardcover-Ausgaben zu produzieren und den technologischen Zug der Zeit auszubremsen, könnten alle Seiten davon profizieren – das hat zuvor bereits die Musikindustrie schmerzlich lernen müssen

Zitiert sei hier ein deutscher Verleger der alten Schule, der das Problem meines Erachtens auf den Punkt gebracht hat: Verleger sollten Literatur verkaufen, nicht Papier, sagte Klaus Gerhard Saur im Oiger-Interview – und dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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