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Zum Tag des Buches: eBooks töten nicht das Buch – sie reanimieren es

Eine ganze Bibliothek in einem halbe Kilo iPad: Was will man mehr? Abb.: hw

Eine ganze Bibliothek in einem halbe Kilo iPad: Was will man mehr? Abb.: hw

Dresden, 23..4.2012: Aus Anlass des heutigen „Welttag des Buches“ feiert es die CDU-CSU-Bundestagsfraktion als „Beleg für erfolgreiche kulturelle Bildungsarbeit“, dass nur ein Prozent der Jugendlichen eBücher lesen. „Das Digitale Zeitalter“, so lesen wir von Wolfgang Börnsen, dem medienpolitischen Sprecher dieser Fraktion, biete „derzeit auch noch keine Alternative zum klassischen Buchlesen“. Hallo? Da fragt man sich doch, ob die Christdemokraten in ihrem schönen alten Reichstagsbau am Spreeufer auch ab und zu mal über den Tellerrand schauen.

In den illegalen Börsen im Internet ist der eBuch-Boom längst da

Da würden sie zum Beispiel sehen, dass sich dieses eine Prozent auf den Marktanteil von eBooks am offiziellen Umsatz des deutschen Buchhandels und der deutschen Verlage bezieht, die zu großen Teilen alles daran setzen, den Siegeszug des Digitalzeitalters in „Old Germany“ aufzuhalten. Welche rege eBuch-Absatz (nicht Umsatz, daran sind die Verlage selbst schuld) sich dagegen wegen eben dieser Schlafmützigkeit der deutschen Buchbranche längst in diversen illegalen eBook-Börsen abspielt, bleibt da verborgen.

Beispiel USA: eBuch-Nutzer lesen mehr

Oder sie würden beispielsweise den eBook-Boom in den USA bemerken, wo vergleichsweise preiswerte und bequeme Plattformen von Amazon, Apple & Co. dafür sorgen, dass die Amis wieder lesen – eBook-Nutzer lesen mehr, das ist inzwischen kaum noch anzuzweifeln.

iPad statt Wälzer in der Hand lässt das Abendland nicht untergehen

Aber irgendwie scheint sich in vielen Köpfen hierzulande die Vorstellung festgesetzt zu haben, das Abendland und die Kulturtechnik „Lesen“ gehe unter, wenn die Leute nicht mehr stundenlang in Buchläden abhängen oder die Jugend keine tonnenschweren Wälzer, sondern ein iPad in der Hand hält, um durch die neuesten Krimis und Fantasy-Romane zu schmökern. Nun sind letztere auch meiner bescheidenen Meinung nach nicht unbedingt immer literarisch das hohe C – aber immer noch besser als gar nix lesen.

Kein Schmökern in Antiquariaten mehr – schade, aber eine Zeitfrage

Nur, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich persönlich sehe mich nicht nur als Technik-, sondern auch als Lese-Freak. Und ja, auch vermisse manchmal die schönen Stunden, die ich einst als zarter Knabe schmökernd und entdeckend in irgendwelchen Antiquariaten und Buchläden zubrachte, umgeben vom Geruch alten Papiers und einer literarischen Universum, dass man auch in zehn Menschenleben wohl nicht vollständig erkunden könnte.

Ein fast schon fanatischer Leser bin ich auch heute noch, aber kein zarter Knabe mehr, der alle Zeit der Welt hat. Ich werde abends viel schneller müde, wenn ich nach einem langen Arbeitstag abends zu lesen beginne – und deshalb sind mir Tablets und eBücher so ans Herz gewachsen – und zwar schon, als Tablettcomputer noch kiloschwere Monster waren und das iPad noch mal ein Glitzern in Steve Jobs’ Augenwinkeln.

Vorteile (Auswahl):

– Ausdauer: Ich persönlich kann mit dem iPad länger lesen, weil ich keine externe Funzel mehr brauche

– Volumen: Da passt ein ganzes (virtuelles) Regal voller Bücher rein – dramatische Lese-Auswahlentscheidungen vor dem Urlaubsantritt fallen weg. Selbst eine mehrbändige Enzyklopädie oder eine Weltgeschichte passt da rein.

– Schnelle Verfügbarkeit: Sobald ein neues Buch auf dem Markt oder in der Bibliothek verfügbar ist, kann ich es runterladen – der Weg zu Buchladen und Bibo entfällt

– Leicht: Im Durchschnitt ist das iPad leichter als ein Buch (jedenfalls bei den Schwarten, die ich lese)

– Zügiges und bequemes Nachschlagen: Die meisten eReader-Apps bieten die Option, per Fingertipps Wörter nachzuschlagen oder (wie bei Apples iBooks) gleich in die Wikipedia zu wechseln. Auch sonst kann man fix auf eine Wörterbuch-App zugreifen – sehr praktisch vor allem bei fremdsprachiger Literatur, bei der man in Papierform schnell wahnsinnig wird, wenn ein ganzer Absatz von unbekannten Vokabeln trieft.

Nachteil:

– Notizen sind m. E. umständlicher als auf einem Lesezeichen-Zettel zu schreiben (man kann nicht alles haben)

„Verleger handelt mit Inhalten, nicht mit Papier“

Okay, und falls die CDU/CSU-Medienpolitiker das alles als persönliche und vollkommen Meinung unrepräsentative Meinung eines einzelnen Nerds abtut wollen, sei ihnen ein Zitat eines Urgesteins der deutschen Buchgilde ans Herz gelegt. Altverleger Klaus Gerhard Saur hält dieses ganze Gerede von wegen „Das eBuch tötet das Buch“ auch eher für Blödsinn: „Der Verleger handelt nicht mit Papier – sondern mit Inhalten.“ Heiko Weckbrodt (Buch- und Computer-Nerd)

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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