Alle Artikel mit dem Schlagwort: Pegida

Wutbürger gegen Wutbürger? Pegida-Demonstration gegen Einwanderung am 1. Dezember 2014 - und links daneben die Gegendemo der

Pegida-Demonstration am 1. Dezember 2014 – daneben die Gegendemo. Foto: Heiko Weckbrodt

„Pegida“ („Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“) ist eine umstrittene islamkritische, rechtskonservative Bewegung, die sich nach eigenem Bekunden gegen „Stellvertreter-Kriege“ von Muslimen in Deutschland wendet. Einige Beobachter stufen „Pegida“ allerdings auch als rechtsextrem und fremdenfeindlich ein.

Pegida entstand im Herbst 2014 in Dresden auf Initiative von Lutz Bachmann, der gegen deutsche Waffenlieferungen gegen die kurdische PKK protestieren wollte. In den folgenden Wochen riefen die Pegida-Organisationen – insbesondere über das Kontaktnetzwerk „Facebook“ – fast jeden Montag zu „Abendspaziergängen“ durch die Dresdner Innenstadt auf, die wachsenden Zulauf fanden. Im Januar 2015 nahmen bis zu 25.000 Menschen an diesen Pegida-Kundgebungen und -Demonstrationen teil. Von Anfang an waren die Pegida-Kundgebungen von Gegendemonstrationen begleitet, auf denen den Pegidisten zumeist vorgeworfen wurde, ausländerfeindliche Ressentiments zu schüren und ein Klima der Angst unter Ausländern in Dresden zu schüren.

Auch außerhalb Dresdens gab es Pegida-ähnliche Demonstrationen, dort blieben die Anhänger dieser Initiativen jedoch durchweg in der Minderzahl gegenüber den jeweiligen Gegendemonstranten. hw

Prof. Hans Vorländer. Foto: TU Dresden

TU-Studie: Pegida kommt aus der Mitte der Gesellschaft

Durchschnitts-Pegidist ist 48, Atheist, männlich Dresden, 14. Januar 2015: Obwohl die sogenannten „Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) im Namen ihrer Bewegung religiöse Bezüge tragen, haben Teilnehmer der umstrittenen „Pegida“-Demonstrationen in Dresden offensichtlich so gut wie keine religiösen Motive, sondern werden vielmehr vor allem von einer allgemeinen Unzufriedenheit mit den Eliten in Politik und Medien auf die Straße getrieben. Das geht aus einer Eil-Studie des Prof. Hans Vorländer von der TU Dresden hervor. Zudem wurzelt Pegida offenbar nicht in der deklassierten Unterschicht, sondern in der Mitte der Gesellschaft: Der durchschnittliche Pegidist ist laut Vorländer ein 48 Jahre alter Atheist mit leicht überdurchschnittlichem Einkommen. Etwa ein Drittel der Demo-Teilnehmer kommt aus Dresden, ein weiteres Drittel aus dem restlichen Sachsen.

Foto: Peter Weckbrodt

Kommentar: Richtige Antwort auf Pegida – aber etwas spät

Pegida spricht nicht für Mehrheit der Dresdner Wenn 35.000 Menschen für Weltoffenheit und Empathie für Flüchtlinge im Dresdner Stadtzentrum demonstrieren, ist das zuallererst ein richtiges und wichtiges Signal. Denn das zeigt, was jedem klar sein musste, der nicht gleich jede Statistik reflexartig als „Fälschung“ abtut: Die Pegidisten mögen eine nicht vernachlässigbare Minderheit in Dresden sein, aber eben eine Minderheit. Die Mehrheit der Dresdner findet es nicht gut, Asylsuchende unter Generalverdacht zu stellen, ihnen Angst zu machen, indem man montagabends schweigend durch die Straßen zieht – und dabei Seit an Seit mit Ultrarechten läuft und Pegida-Anführern beklatscht, deren menschenverachtende Geisteshaltung gestern wieder einem aufschlussreichen „Spiegel“-Bericht zu entnehmen war.

Alle generationen waren unter den Demonstranten vertreten. Foto: Peter Weckbrodt

35.000 demonstrieren: Dresden ist nicht Pegida

Erfolg auch für Staatskanzlei und Rathaus: Fast doppelt soviele Teilnehmer wie auf Pegida-Demo Dresden, 10. Januar 2015: Um zu zeigen, dass „Pegida“ nicht gleich Dresden ist, haben heute Nachmittag laut Veranstalter-Schätzung rund 35.000 Menschen an der Dresdner Frauenkirche für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog demonstriert – fast doppelt soviele wie am Monat auf der jüngsten Pegida-Demo (zirka 18.000). Damit haben die Teilnehmer nicht nur ein Signal über das tatsächliche Meinungsbild in der Stadt ausgesandt, sondern auch der Stadtverwaltung und der Landesregierung als Veranstaltern eine Blamage erspart: Hinter den Kulissen hatte es im Vorfeld von mehreren Seiten geheißen, jede Teilnehmerzahl unter 20.000 wäre in der Signalwirkung verheerend gewesen.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Abb.: J. Jeibmann/Staatskanzlei

Tausende demonstrieren in Dresden für Weltoffenheit

Kundgebung auf Initiative von Stadt und Land vor Frauenkirche Dresden, 10. Januar 2015: Mehrere Tausend Menschen demonstrieren zur Stunde in Reaktion auf die Pegida-Kundgebungen vor der Frauenkirche in Dresden für „Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog“. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) forderte die Dresdner und die Sachsen in seiner Rede auf, „für einen guten Umgang mit den Flüchtlingen, die zu uns kommen“, einzutreten. Zu dem Kundgebung hatten Stanislaw Tillich und Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) im Namen der Landesregierung und der Landeshauptstadt aufgerufen.

Oft behindern ganz praktische Verständnigungs-Probleme die Job-Vermittlung an Flüchtlinge. Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Sprachbarrieren behindern Job-Vermittlung für Flüchtlinge

Arbeitsagentur Dresden: Asylbewerber sind vermittelbar, aber viele können weder Deutsch noch Englisch Dresden, 8. Januar 2014. Damit mehr Flüchtlinge eine Arbeit bekommen und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können, wie so oft gefordert und gewünscht, sind anscheinend vor allem mehr Deutsch-Kurse für Asylbewerber nötig. „Diesen Menschen eine Arbeit zu vermitteln, sehe ich nicht als das Problem“, schätzte der Dresdner Arbeitsagentur-Direktor Thomas Wünsche auf Oiger-Anfrage ein. „Das Hauptproblem liegt eher darin, dass sich kein Arbeitgeber findet, der jemanden einstellt, von dem er kein Wort versteht.“ Denn auch die Facharbeiter unter den Flüchtlingen beherrschen in aller Regel weder Deutsch noch eine der anderen in Europa üblichen Verkehrssprachen wie etwa Englisch. Umgekehrt spricht kaum ein Arbeitgeber in Sachsen beispielsweise Arabisch oder Persisch.

Pegida-Anhänger und -Gegner am Dialogtisch in der Landeszentrale für politische Bildung am 6.1.2015 in Dresden. Im Hintergrund links: Vermittler Frank Richter Foto:_ Heiko Weckbrodt

Dialogeinstieg mit Pegida in Dresden

Weitere Runden in Landeszentrale geplant Dresden, 6. Januar 2015: Dem erfahrenen Vermittler Frank Richter ist anscheinend heute Abend das gelungen, was lange unmöglich erschien: ein echter Dialog mit „Pegida“-Anhängern. Die ließen heraus, was sie an „dem System“, an „Lügenpresse“, an „Wirtschaftsflüchtlingen“, dem Umgang der Behörden mit dem Bürger und dergleichen stört, bekamen auch kräftig Kontra, hinterher gab es „wohl mehr Fragen als Antworten“, wie der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung selbst zum Schluss einräumte. Aber er hatte die Pegidisten eben nicht mit einer vorgefertigten Chorografie empfangen, um sie zu demütigen, sondern ihnen die Chance gegeben, auf Augenhöhe ihre Demo-Motive im Zusammenhang zu erläutern. Am Ende gab es Beifall aus allen Lagern im Publikum – und die Ankündigung, die Dialogreihe künftig jeden ersten Dienstag im Monat in der Landeszentrale am Wilden Mann in Dresden fortzusetzen. Nicht dabei waren freilich die Pegida-Anführer wie Lutz Bachmann.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Abb.: J. Jeibmann/Staatskanzlei

Ministerpräsident Tillich will nicht auf Pegida-Demo reden

Dresden, 6. Januar 2015: Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat den Vorschlag von Pegida-Organisatoren abgelehnt, auf einer der nächsten Kundgebungen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) in Dresden zu reden. „Das Angebot aber von einer Bühne zu sprechen, von der die Kanzlerin und andere Politiker mehrfach unsachlich beschimpft und gegen Ausländer gehetzt wurde, lehne ich ab“, teilte er mit. Zugleich schloss er aber einen Bürgerdialog in anderer Form nicht aus.

Frauenkirche verdunkelt. Foto: pw

18.000 bei Pegida-Demo in Dresden

Schloss, Oper und andere Gebäude aus Protest verdunkelt Dresden, 5. Januar 2014: Auf der sogenannten „Cocker-Wiese“ in Dresden haben sich Am Montagabend Tausende Anhänger des rechtskonservativen Vereins „Pegida“ („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) versammelt, um gegen Zuwanderung und „das System“ zu demonstrieren – begleitet von massiver Polizeipräsenz. (Nachtrag 23.30 Uhr): Nach Polizei-Angaben kamen rund 18.000 Teilnehmer zur Pegida-Kundgebung. Knapp 4000 Menschen beteiligten sich an mehreren Protest-Veranstaltungen gegen Pegida. An mehreren historischen Gebäuden in der Innenstadt von Dresden sind derweil die Lichter ausgegangen, um gegen die erste Pegida-Kundgebung im Jahr 2015 zu protestieren. Ein entsprechender Aufruf im Kontaktnetzwerk „Facebook“ fand insofern zumindest an öffentlichen Gebäuden Anklang.

Geht am Montag in Dresden das Licht aus? Foto (bearbeitet): hw

Dresdner wollen zur Pegida-Demo abdunkeln

Facebook-Aufruf: Dresden soll Lichter aus Protest löschen Dresden, 4. Januar 2015: Weil nach der Weihnachtspause der rechtskonservative Verein „Pegida“ am Montagabend wieder eine Kundgebung gegen Zuwanderung plant, wollen mehrere Dresdner morgen ab 19 Uhr die Stadt verdunkeln. Zur Aktion „Dresden sagt: Licht aus für Rassisten!“ sollen die Dresdner ab 19 Uhr ihre Lichter löschen, damit die Pegidisten im Dunkeln demonstrieren müssen. Bis Sonntagnachmittag fand der Aufruf reichlich 600 Unterstützer.

Frank Richter, der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Foto: Heiko Weckbrodt

Behörden mitschuld am Hass der Pegidisten

Landeszentralen-Direktor Richter macht emotionale Angst-Traumata, ostdeutsche Transformation und Sturheit von Politikern mitverantwortlich für Anti-Flüchtlings-Reflexe Dresden, 31. Dezember 2014: Für die völlig aus dem Ruder gelaufene Asyldebatte und den „Pegida“-Zulauf in Dresden sind Angst-Traumata aus dem ostdeutschen Transformationsprozess, ein Versagen örtlicher Verwaltungsvertreter sowie kulturelle Missverständnisse mitverantwortlich. Das hat Frank Richter, der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, eingeschätzt. Zugleich kündigte er neue Versuche für einen Dialog mit der – im Tenor fremdenfeindlichen – „Pegida“-Bewegung („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) an.

Prof. Clemens Kirschbaum (TU dresden), Foto: privat

Dresdner Promis gegen Pegida: Abendland braucht Weltoffenheit

Nach fremdenfeindlichen Demos: Über 500 Unterzeichner für Dialog-Aufruf Dresden, 12. Dezember 2014: Das Abendland und Dresden im Besonderen brauchen jetzt Weltoffenheit und nicht Fremdenfeindlichkeit. Das haben über 500 Forscher, Unternehmer, Ärzte und weitere Multiplikatoren aus Dresden und ganz Sachsen in einem Dialog-Aufruf veröffentlicht, der gestern mit ganzseitigen Anzeigen in den Dresdner Tageszeitungen veröffentlicht wurde. Der Appell „Worauf es jetzt im „Abendland“ ankommt“ richtet sich vor allem an diejenigen, die bei den montäglichen „Pegida“-Demos („Patriotische Europäer Gegen die Islamisierung des Abendlandes“) mitmarschieren.

Was ist eigentlich das Abendland?

Wie ein vage beschriftetes Gefäß, in das jeder etwas anderes hineingießt Dresden, 8. Dezember 2014. Mit Blick auf die aktuelle Debatte um die „Pegida“-Demonstrationen („Patriotische Europäer Gegen die Islamisierung des Abendlandes“) in Dresden, die sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen insbesondere aus islamischen Ländern richten, wollen wir hier eine Erklärung versuchen, was eigentlich unter dem „Abendland“ verstanden werden kann. Und das ist schwierig: Es gibt keine allgemein anerkannte Definition, vielmehr kann man „das Abendland“ mit einem verschwommen beschrifteten Gefäß vergleichen, in das jeder eine andere Deutung hineingießt. Meist wird es heute als Wertegemeinschaft Europas (meist unter Ausklammerung Ost- und Südosteuropas) und Nordamerikas gedeutet. Verwendet wurde das Wort laut „Kluges Etymologischem Wörterbuch“ etwa ab dem 16. Jahrhundert im Sinne von „Westen“, ab dem 18. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum dann in seiner eher ideologischen Bedeutung.

Wutbürger gegen Wutbürger? Pegida-Demonstration gegen Einwanderung am 1. Dezember 2014 - und links daneben die Gegendemo der "Antifa" Foto: Heiko Weckbrodt

Warum geht der Wutbürger für oder gegen Pegida & Co. auf die Straße?

Dresdner Politologe untersucht Rollenwandel des „guten Bürgers“ Dresden, 2. Dezember 2014. Was treibt den Bürger auf die Straße, um mit oder gegen „Pegida“ zu marschieren? Für oder gegen die Waldschlösschenbrücke, „Stuttgart 21“ oder dergleichen einzutreten? Was uns zu der Frage führt: Was ist eigentlich ein „guter“ Bürger und wie haben sich das Selbstbild des „politischen Bürgers“ und die gesellschaftlichen Erwartungen an selbigen vom „Tüchtigkeits“-Ideal des antiken Römers bis hin zum „Wutbürger“ unserer Zeit gewandelt? Nachgehen will diesem hochaktuellen Thema in einem Forschungsprojekt „Der gute Bürger“ nun der Politologe Prof. Hans Vorländer, der an der TU Dresden das „Zentrum für Verfassungs- und Demokratieforschung“ leitet.