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Verschleißfreie Superbremsscheiben aus Sachsen

Angeschnittenes Modell eine Entropie-Keramik-Bremsscheibe vom Fraunhofer-Ifam aus Dresden. Foto: Ifam

Angeschnittenes Modell eine Entropie-Keramik-Bremsscheibe vom Fraunhofer-Ifam aus Dresden. Foto: Ifam

Entropie-Material mit Keramikschicht vom Fraunhofer-Ifam soll Stromern und Verbrennern bei neuen Feinstaub-Grenzwerten helfen

Dresden, 4. Oktober 2023. Damit Verbrenner-Autos wie auch Stromer weniger Feinstaub künftig in die Stadtluft pusten, hat ein Team um den Dresdner Fraunhofer-Forscher Dr. Johannes Trapp nahezu verschleißfreie Bremsscheiben entwickelt. Die sächsischen Super-Scheiben sind aus einer leichten Hochentropie-Legierung – also aus besonders vielen verschiedenen Metallen und anderen Elementen – gemacht und mit Keramik beschichtet. Das soll vor allem den Feinstaub-Ausstoß mindern: „Wir rechnen mit über 98 Prozent Partikel-Reduktion“, sagt Projektleiter Trapp vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (Ifam) in Dresden.

Ein Drittel leichter als Strahlguss

Zudem sind die Entropie-Keramik-Scheiben etwa ein Drittel leichter als herkömmliche Bremsscheiben aus Stahl-Grauguss. Dadurch mindern sich der Treibstoff- beziehungsweise Stromverbrauch der damit ausgerüsteten Autos. In diesem Zuge verringert sich – zumindest bei den Verbrennern – der Kohlendioxid-Ausstoß.

EU will Feinstaub-Ausstoß an Bremsen um über ein Viertel senken

Und bei beiden Antriebsarten verbessert sich eben auch die Feinstaubbilanz. Das ist für Verbrenner wie Stromer bald ein wichtiges Kriterium. Mit der verschärften Emissionsrichtlinie Euro 7 führt die EU nämlich auch strengere Grenzwerte für Feinstaub aus dem Straßenverkehr ein. Und das betrifft über Reifen und Bremsen elektrische Autos genauso wie Verbrenner. Schätzungen zufolge kommen 20 Prozent aller Feinstaub-Emissionen an Autos allein durch die Bremsen zustande. Diese Feinstaub-Emissionen von Bremsen will die EU-Kommission um 27 Prozent senken. Speziell bei Stromern kommt da noch hinzu: Sie bremsen meist eher über den Motor, um per Rekuperation die Bewegungsenergie in Strom zurück zu verwandeln. Der häufige Einsatz der Motorbremse fördert allerdings die Rostgefahr an den Bremsscheiben – und wird dann doch gebremst, entweichen die Rost-Teilchen als Feinstaub in die Stadtluft. Diese Problem erledigt sich mit den keramikbeschichte Entropie-Scheiben.

Derzeit zehnmal teurer als Klassikscheiben – Fraunhofer sieht aber Sparpotenzial

Allerdings gibt es auch einige Nachteile: Vor allem sind die neuen Scheiben deutlich teurer als heutige Bremsscheiben: Im Moment kosten sie rund 100 Euro pro Rad und damit mehr als zehnmal so teuer wie Grauguss-Scheiben. Allerdings geht Trapp davon aus, die Kosten in der Serienproduktion auf 30 bis 40 Euro senken zu können. Und das wäre dann zumindest günstiger als spezialbeschichtete Grauguss-Scheiben und andere Alternativ-Lösungen, an denen Automobilzulieferer derzeit arbeiten, um die neuen, strengeren EU-Richtlinien überhaupt erfüllen zu können.

Bis 1000 Grad einsetzbar

Zweiter Nachteil der Keramik-Entropie-Scheiben: Sie sind nur bis 1000 Grad Celsius einsetzbar und kommen damit nicht für jede Fahrzeugbremse in Frage. Das Ifam hälft aber den Einsatz in Autos und „für ausgewählte Anwendungen im Schienenverkehr und für Lkw“ für möglich. Zum Hintergrund: Unter starker Belastung können Auto-Bremsscheiben durchaus 700 Grad heiß werden. Und womöglich können das Ifam-Team und die Partner von Knorr, Audi und anderen Industriepartnern die Scheiben bis zum Praxiseinsatz noch weiter verbessern. Um die Kosten zu drücken, ist eine Serienproduktion wohl eher außerhalb Deutschlands wahrscheinlich. Zumindest die teureren Hochleistungs-Varianten könnten aber durchaus in der Bundesrepublik gefertigt werden, schätzt Johannes Trapp. Etwa im Jahr 2030 könnten dann wohl die ersten Serienfahrzeuge mit den neuen Superbremsscheiben ausgestattet werden.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Auskünfte Trapp, Ifam, Vertretung der EU-Kommission in Deutschland, Oiger-Archiv, autodoc.de

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt