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Letzter Digitalschub brauchte 10 Jahre

Immer mehr digitale Archivalien - wie auch diese Tonband-Kassetetten ajus Nachwende-Zeiten - wandern ins elektronische Stadtarchiv Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Ifo-Forscher fanden bei Analyse erst zeitverzögert Produktivitätsgewinne

München/Dresden, 23. Januar 2023. Die Digitalisierung der Wirtschaft führt in Deutschland erst mit etwa zehn Jahren Zeitverzögerung zu messbaren Produktivitätsfortschritten. Zu diesem Befund sind Ifo-Wirtschaftsforscher aus München und Dresden gekommen.

Forscher: Deutschland sollte Corona-Digitalisierungs-Schub diesmal besser nutzen

Ihr Rat: Um diese Spanne künftig zu verkürzen, sollte man digitalisierungswilligen Unternehmen neben klassischen Krediten auch den Zugriff auf Risikokapital erleichtern, Forschungs- und Weiterbildungskosten steuerlich besser fördern, Heimarbeit attraktiver zu machen und mehr Geld in schnelle Internetanschlüsse investieren.

„Die Digitalisierung ist überall zu sehen, nur nicht in den Produktivitätsstatistiken“
US-Ökonom Robert Solows, 1987

„Unternehmen brauchen Zeit zur Umstellung ihrer Produktionsprozesse. Neue Technik verbreitet sich nicht schlagartig, sondern nach und nach“, betonte Ifo-Forscher Dr. Robert Lehmann. Dies habe sich konkret gezeigt, als er und seine Kollegen die Innovationsschübe ab dem Jahr 2000 in der Softwarebranche, Computer- und Kommunikationstechnik mit der Produktivität in der deutschen Wirtschaft untersuchten. Zunächst ergab das eine Fehlanzeige und bestärkte Digitalisierungs-Skeptiker, die seit Jahren auf ein Bonmot des US-Ökonomen Robert Solows verwiesen. Der nämlich postulierte im Jahr 1987: „Die Digitalisierung ist überall zu sehen, nur nicht in den Produktivitätsstatistiken.“ Solows’ Sicht widerspricht allerdings dem offensichtlichen Befund, dass schon durch den massiven PC-Einsatz ab den 1970er und vor allem ab den 1980er Jahren viele Unternehmen den Personaleinsatz für viele Aufgaben massiv senken konnten. Die Effekte fand das Ifo-Team für den untersuchten Post-Millenium-Zeitraum in Deutschland dann auch erst zeitverzögert: „Die durch die Digitalisierung mögliche Produktivität der untersuchten Wirtschaftsbereiche ab Anfang der 2000er Jahre stieg erst am Ende des Jahrzehnts tatsächlich an“, berichtet Robert Lehmann.

Konzept: Heimarbeit drückt Kosten und macht Arbeiter zufriedener

Und da Corona dem Land eben erst einen neuen Digitalisierungsschub gegeben hat, bekommen diese Befunde auch neue Relevanz. „Die Technologieadaption wurde durch die Coronakrise stark vorangetrieben“, heißt es in der Ifo-Analyse. Schon im Frühjahr 2020 gaben in einer Befragung 54 Prozent der deutschen Unternehmen an, dass die Pandemie zu einer verstärkten Digitalisierung ihrer Betriebsabläufe geführt habe. „Diese Veränderungen gingen Hand in Hand mit Zuwächsen im Bereich E-Commerce, die die Verwendung neuer Technologien im Logistikbereich erforderten, und einer starken Zunahme von Beschäftigung im Homeoffice.“ Damit habe die Pandemie zu einer „weitreichenden und permanenten Reorganisation des Arbeitslebens“ geführt, so die Ifo-Ökonomen. Dies steigere die Produktivität und Jobzufriedenheit der Arbeitnehmer, und helfe, Ausgaben für Büroräume und Geschäftsreisen zu senken.

Erleichterter Zugriff auf Wagniskapital gefordert

Und hier komme eben auch der Staat ins Spiel: Die Studienautoren sehen nämlich viele Hinweise darauf, dass staatliches Handeln eine wichtige Rolle dabei spielen, wie schnell sich neue informationstechnologische und telekomunikative Technologien (ITK) in der Gesellschaft verbreiten. Ein erleichterter Zugriff auf Wagniskapital ergänzend zur traditionellen Kreditvergabe könne beispielsweise den Unternehmen helfen, die oft erheblichen Investitionskosten zu stemmen, die nötig sind, um eigene Betriebsabläufe zu analysieren, zu digitalisieren und praktisch umzukrempeln. „Ebenso könnten steuerliche Anreize zur Unterstützung von Forschungsausgaben und Trainingsmaßnahmen gesetzt werden“, folgern die Studienautoren. Auch sollte der Staat Homeoffice und Hybridarbeit stärker fördern und mehr in den Breitbandausbau investieren. „Auf diese Weise könnte in den kommenden Jahren das volle Produktivitätspotenzial von IKT-Innovationen ausgeschöpft werden.“

Autor: hw

Quelle: Ifo

Wissenschaftliche Publikation:

„Produktivitätseffekte durch Informations- und Kommunikationstechnologien in Deutschland“, von Steffen Elstner, Christian Grimme, Valentin Kecht und Robert Lehmann; in: ifo Schnelldienst 12/2022; hier im Netz zu finden

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt