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„The Vigil“: Jüdische Totenwache wird zur Horrornacht

Smartphone-LEDs und andere Werkzeuge des Digitalzeitalters helfen unglücklicherweise nur wenig gegen bösartige Totengeister aus altjüdischen Legenden. Szenenfoto aus "The Vigil": Eurovideo

Smartphone-LEDs und andere Werkzeuge des Digitalzeitalters helfen unglücklicherweise nur wenig gegen bösartige Totengeister aus altjüdischen Legenden. Szenenfoto aus „The Vigil“: Eurovideo

Der Mazik wütet im Heimkino

Jüdische Legenden haben schon die Anfänge des Horrorfilm-Genres begleitet, wenn man etwa an den „Golem“ denkt. Und Regisseur Keith Thomas fügt dieser Tradition einen weiteren Baustein hinzu: Seine Totennachtwache „The Vigil“ spielt mit den tiefen Ängsten der Menschen.

Die Story: Abtrünniger Chasside zu letzter Wacht verdonnert

Yakov (Dave Davis) löst sich aus dem gleichermaßen schützenden wie erdrückenden Schirm der chassidisch-jüdischen Gemeinde in Brooklyn, in der er aufgewachsen ist. Als letzten Gefallen bittet ihn ein Rabbi, gegen ein Handgeld die Nachtwache am Leichnam eines eben Gestorbenen zu übernehmen. Widerwillig willigt Yakov – und erlebt im Haus des Toten den Albtraum seines Lebens: Wie sich herausstellt, hat ein „Mazzikin“, ein böser Geist aus den alten jüdischen Mythen, den Verstorbenen begleitet, seitdem der den Holcaust in Deutschland überlebt hat. Dieses Unwesen sucht nun nach einem neuen Wirt, den er drangsalieren kann und entdeckt rasch die Schwachstelle in Yakovs Seele…

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(Quelle: Eurovideo):

Schatten und Dissonanzen pflanzen Verunsicherung

Klassische Horroreffekte setzt „The Vigil“ dabei eher selten ein, verunsichert den Zuschauer vielmehr durch die düstere und intensive Atmosphäre einer Wohnung und einer Gemeinde, die wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint, auf Geräusche, Schatten und Instrumente, die ein starkes Gefühl der Dissonanz evozieren. Allerdings stehen dieser Raffinesse in der Form deutliche inhaltliche Schwächen gegenüber: Dass in solch einem legendenbasierten Horrorstreifen vielleicht nicht alles ganz logisch wirkt, mag man vielleicht noch verzeihen. Den Bezug zum Massenmord an den Juden aber ausgerechnet mit „Buchenwald“ zu assoziieren und dazu Aufnahmen mit wild schreienden Nazis in einem Wald zu zeigen, spricht nicht unbedingt für profunde Recherchen der Drehbuchautoren zum deutschen Lager- und Vernichtungssystem. Und um gleich noch weiter zu nörgeln: Die in den Rückblenden als Schlüsselrequisit gezeigte Pistole war zuletzt zu Zeiten von Zar und Kaiser im Gebrauch, doch als Dienstwaffe hätte die im II. Weltkrieg kein deutscher Offizier mehr getragen– außer vielleicht als museale Attraktion. Besonders schade ist aber, dass Keith Thomas nicht auf ein banales Happy End verzichten mag, statt die Verunsicherung, die er beim Zuschauer aufgebaut hat, zu verstetigen.

Fazit: Formal faszinierend, inhaltlich mit Schnitzern

Trotz einiger inhaltlicher Schwächen spielt „The Vigil“ weit überzeugender auf der Klaviatur des Schreckens als die sich selbst ständig wiederholende Teenie-Horror-Fließbandproduktion aus Hollywood. Ähnlich wie kürzlich schon die „Golem“-Neuinterpretation beweist diese Totenwache, dass auch 100 Jahre nach dem ersten Film-Golem die jüdische Mythologie immer noch eine reiche Inspirationsquelle für faszinierende Leinwand-Interpretationen ist. Erschienen ist die Totenwache nun fürs Heimkino.

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Kurzüberblick:

  • Titel: „The Vigil – Die Totenwache“
  • Genre: Horror
  • Regie: Keith Thomas,
  • Darsteller: Dave Davis, Lynn Cohen, Malky Goldman
  • Laufzeit: 86 Minuten (DVD-Fassung)
  • Altersfreigabe: FSK 16
  • Deutsche Heimkino-Veröffentlichung: Eurovideo 2021

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt