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Casus Görlitz trainiert KI auf das Innere von Riesenplaneten

Die Visualisierung zeigt, wie sich Atomstruktur und Elektronen in Aluminium unter den extremen Bedingungen verteilen. Diese Zustände finden sich in der "warmen dichten Materie" in Zwergsternen und Riesenplaneten. Visualisierung: Attila Cangi für HZDR / Casus

Die Visualisierung zeigt, wie sich Atomstruktur und Elektronen in Aluminium unter den extremen Bedingungen verteilen. Diese Zustände finden sich in der „warmen dichten Materie“ in Zwergsternen und Riesenplaneten. Visualisierung: Attila Cangi für HZDR / Casus

Neuer Code hilft Künstlicher Intelligenz, „warme dichte Materie“ zu durchschauen

Görlitz/Dresden, 30. Januar 2021. Um zu verstehen, was im Inneren von Riesenplaneten wie dem Jupiter oder brauen Zwergsternen vorgeht, haben vier Forscher vom Casus-Institut Görlitz ein neues Computerprogramm geschrieben und damit „Künstliche Intelligenzen“ (KI) trainiert. Mit Hilfe dieser Experten-KI können nun Astro- und Teilchenphysiker schneller, einfacher und präziser als bisher ihre Experimente mit „warmer dichter Materie“, die in Riesenplaneten und Zwergsternen die Gesetze der Physik diktiert, auswerten. Das hat das Casus-Mutterinstitut, das „Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf“ (HZDR) mitgeteilt.

Wo Supercomputer früher monatelang schwitzten, genügt nun ein Laptop

„Generell können wir sagen, dass bisherige Verfahren bei hoher Genauigkeit Tausende Prozessorstunden benötigen, wohingegen unsere Methode nur Sekunden beansprucht“, betonte Attila Cangi vom Casus-Team. „Somit kann man nun einen Laptop zur Simulation verwenden, wo zuvor ein Supercomputer notwendig war.“

Warme dichte Materie: Hitze, Druck und hohe Energiedichte

Ganz konkret werten der neue Code und die damit trainierte KI die Wechselwirkungen von Metallelektronen in „warmer dichter Materie“ aus. Letztere kann mangels geeigneter Raumschiffe nicht im Innern von Jupiter & Co. untersucht werden. Aber in Großforschungsanlagen lässt sich die enorme Hitze, Materie- und Energiedichte dieses exotischen Materiezustandes zumindest für ein paar Augenblicke im Labor erzeugen. Um die komplexen Vorgänge dabei auszuwerten, hatten Dr. Tobias Dornheim, Dr. Attila Cangi, Kushal Ramakrishna und Maximilian Böhme vom Casus sowie Dr. Jan Vorberger vom Institut für Strahlenphysik am HZDR und Prof. Shigenori Tanaka von der Kobe University in Japan zusammengetan. Im nächsten Schritt wollen sie ihre Rechenmodelle auch auf Elektronen aus Nichtmetall-Elemente ausdehnen. Und damit die ganze Forschungsgemeinschaft etwas davon hat, veröffentlichen sie ihre Computerprogramme auch quelloffen – das heißt, jeder kann sie für die eigenen Experimente verändern und frei nutzen.

Über das Casus

Das noch junge „Center for Advanced Systems Understanding“ (Casus) ist auf die Analyse komplexer Systeme wie etwa das Klima oder astronomische Phänomene spezialisiert. Die HZDR-Tochter hat ihren Hauptsitz in Görlitz und will eng mit polnischen Kollegen zusammenarbeiten. Casus-Chef ist der frühere HZDR-Wissenschaftsdirektor Prof. Roland Sauerbrey. Als Gründungsbeauftragter kümmert sich Dr. Michael Bussmann um die operative wissenschaftliche Leitung.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Casus, HZDR, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt