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Kosmischer Wetterbericht: Seit 33 000 Jahren wolkig

Nach einer Supernova bleibt von einem Stern oft nicht mehr als ein Nebel mit einem schwarzen Loch oder einem weißen Zwerg im Zentrum. Der Nebel "Cassiopeia A" zum Beispiel ist der Überrest einer Sternenexplosion, die sich etwa 10.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ereignet hat. Das spektakuläre Bild kam zustande, weil Astronomen mehrere Teleskop-Aufnahmen zu einem sogenannten Falschfarbenbild zusammengesetzt haben. Womöglich haben sich in kosmisch kurzen Zeitabständen viele solcher Supernovae in Erdnähe ereignet. Abb.: NASA/JPL-Caltech/STScI/CXC/SAO

Nach einer Supernova bleibt von einem Stern oft nicht mehr als ein Nebel mit einem schwarzen Loch oder einem weißen Zwerg im Zentrum. Der Nebel „Cassiopeia A“ zum Beispiel ist der Überrest einer Sternenexplosion, die sich etwa 10.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ereignet hat. Das spektakuläre Bild kam zustande, weil Astronomen mehrere Teleskop-Aufnahmen zu einem sogenannten Falschfarbenbild zusammengesetzt haben. Womöglich haben sich in kosmisch kurzen Zeitabständen viele solcher Supernovae in Erdnähe ereignet. Abb.: NASA/JPL-Caltech/STScI/CXC/SAO

Sternenexplosionen berieseln rasende Erde mit strahlendem Eisen – die Sternenstaub-Spur haben Rossendorfer Forscher in der Tiefsee aufspürt.

Dresden, 24. August 2020. So richtig merkt das kaum einer – aber eigentlich befinden wir uns alle mitten in einem gigantomanischen Action-Film: Wir rasen auf unserem Planeten mit fast 100.000 Sachen durchs All, rechts und links explodieren die Sterne und seit Jahrtausenden ist dabei nur Eisennebel in Sicht. Wissenschaftler aus Dresden, Wien, Berlin und Canberra haben die Spuren dieser galaktischen Rallye in der Tiefsee gefunden und aus diesem Sternenstaub vom Meeresgrund nun ein Stück der wilden Reise der Erde durch den Kosmos rekonstruiert. Das geht aus einer Mitteilung des Helmholz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) hervor.

Teilchenbeschleuniger förderten seltene Eisenatome zutage

Für ihre Puzzlearbeit haben die Forscher rund 1000 Kilometer vor der Südwestspitze Australiens Bodenproben genommen und diese Sedimente dann in großen Teilchenbeschleunigern unter die spektroskopische Lupe genommen. Dabei fanden sie alten Sternenstaub, der bis in die Zeit zurück reicht, als gerade die ersten Menschen Australien besiedelten. Und inmitten dieses außerirdischen Staubes entdeckten die Wissenschaftler auch 19 Atome einer ganz seltenen strahlenden Eisenart. Dieses „Eisen 60“ hat mehr Neutronen in seinem Atomkern als normales Eisen und zerfällt nach etwa 15 Millionen Jahren vollständig. Auf der Erde kommt es nicht natürlich vor. Denn dieses spezielle Isotop entsteht, wenn riesige alte Sterne explodieren. Die Überreste solcher „Supernova“-Explosionen sind im ganzen All als kosmische Nebel beziehungsweise Wolken verteilt.

Der Weg der Sonne und der Erde durch den lokalen interstellaren Nebel dauert nun schon über 33.000 Jahre, also seit dem Jungpleistozän. Diese Reise und der dabei eingefangene Sternenstaub spiegelt sich in der Bodenprobe (kleine Abbildung rechts unten), die die Forscher aus Dresden, Berlin, Wien und Canberra analysiert haben. Visualisierung: HZDR/Juniks/ NASA/Goddard/Adler/U.Chicago/Wesleyan, übersetzt: hw

Der Weg der Sonne und der Erde durch den lokalen interstellaren Nebel dauert nun schon über 33.000 Jahre, also seit dem Jungpleistozän. Diese Reise und der dabei eingefangene Sternenstaub spiegelt sich in der Bodenprobe (kleine Abbildung rechts unten), die die Forscher aus Dresden, Berlin, Wien und Canberra analysiert haben. Visualisierung: HZDR/Juniks/ NASA/Goddard/Adler/U.Chicago/Wesleyan, übersetzt: hw

Eiserner Sternenstaub rieselte schon von Eintritt in Wolke auf den Planeten

„Die Erde reist seit einigen Tausend Jahren durch eine lokale interstellare Wolke“, erklärt Prof. Anton Wallner, der die Sternenstaub-Analysen zunächst an der „Australian National University“ (ANU) in Canberra leitetete und nun am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und an der TU Dresden daran weiterforscht. In diesen Nebel ist die Erde den Befunden zufolge vor über 30 000 Jahren eingedrungen. Der Professor und seine Kollegen hatten zunächst diese Wolke im Verdacht, dass sie aus einer Supernova entstanden ist und den eisernen Sternenstaub auf die Erde rieseln ließ. Inzwischen haben die Wissenschaftler aber auch das seltene Eisen-60 in Bodenproben entdeckt, die Millionen Jahre älter sind und damit aus einer Zeit, als die Erde noch gar nicht durch die lokale interstellare Wolke reiste.

„Mehrere Supernova-Explosionen in Erdnähe“

Wallner vermutet daher, dass es „in den letzten paar Millionen Jahren sogar mehrere Supernova-Explosionen in Erdnähe gegeben haben muss: zumindest eine oder mehrere vor zirka zwei bis drei Millionen Jahren und eine weitere, ältere vor zirka 5,5. bis sieben Millionen Jahren“.

Kosmisches Billardspiel im Raum zwischen den Sternen im Gange?

Und womöglich ist der Raum zwischen den Sternen eben doch nicht so leer, wie oft gedacht. Vielmehr könnte dort ein schier endloses Billardspiel mit winzigen Eisenkugeln im Gange sein: „Zur Zeit sind unsere Daten kompatibel mit Theorien, die besagen, dass die Eisen-60-Atome in Staubteilchen im interstellaren Medium eingebunden sind und diese Staubteilchen wie Billardkugeln im Raum reflektiert werden könnten“, erklärte der Strahlenphysiker auf Anfrage. „Das nachgewiesene Eisen-60 könnte also noch von älteren Supernova-Explosionen stammen und wir messen eine Art Echo dieser kosmischen Eruptionen“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: HZDR, Prof. Wallner, Oiger-Archiv, Wikipedia, Nasa

Die wissenschaftliche Publikation dazu:

A. Wallner, J. Feige, L.K. Fifield, M.B. Froehlich, R. Golser, M.A.C. Hotchkis, D. Koll, G. Leckenby, M. Martschini, S. Merchel, S. Panjkov, S. Pavetich, G. Rugel, S.G. Tims: 60Fe deposition during the late Pleistocene and the Holocene echoes past supernova activity, in PNAS, 2020 (DOI: 10.1073/pnas.1916769117)

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt