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Ischgl war Corona-Epizentrum für Deutschland

Forscher am US-Seuchenkontrollzentrum CDC haben dieses 3D-Modell des neuen Corona-Virus (2019nCoV) entworfen, das eine schwere Lungenkrankheit auslösen kann. Die Angst vor dem Krankheitserreger lähmt mittlerweile weltweit das öffentliche Leben, die Wirtschaft, den Tourismus, selbst die Forschung in vielen Ländern. Illustration: CDC/ Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAMS, Lizenz: Public Domain, https://phil.cdc.gov/Details.aspx?pid=23312 / Wikipedia https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2019-nCoV-CDC-23312.png

Forscher am US-Seuchenkontrollzentrum CDC haben dieses 3D-Modell des Corona-Virus „2019nCoV“ entworfen. Illustration: CDC/ Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAMS, Lizenz: Public Domain, https://phil.cdc.gov/Details.aspx?pid=23312 / Wikipedia https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2019-nCoV-CDC-23312.png

IfW-Studie: Je näher am Ski-Ort, desto mehr Infizierte gab es

Ischgl/Kiel, 27. Mai 2020. Die geografische Nähe zum österreichischen Skiort Ischgl und die Corona-Infektionsrate in Deutschland stehen mindestens in einem korrelativen Zusammenhang. Anders ausgedrückt: Es waren nicht ausschließlich, aber vor allem heimkehrende Skifahrer aus Ischgl, die das Corona-Virus nach Deutschland eingeschleppt haben. Der Wintersportort war insofern für Deutschland eine Art Seuchen-Epizentrum. Das geht aus einer Studie „Après-ski: The Spread of Coronavirus from Ischgl through Germany“ des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) aus Kiel hervor.

Nach dem Reiseverbot verbreitete sich Virus nur noch langsam in entferntere Landkreise

Eine interessante Vermutung für die Seuchenbekämpfung lässt sich aus der Studie auch gerauslesen: Wahrscheinlich war es vor allem die während der Corona-Ausgangssperre eingeschränkte überregionale Mobilität der Deutschen, die eine weitere Verbreitung des Virus unterdrückt haben. Denn auch Wochen später gab es offensichtlich einen engen Zusammenhang zwischen der Nähe zu Ischgl und der Infektionsrate im jeweiligen Landkreis oder in der jeweiligen Stadt. „Andersherum bedeutet das auch: Lägen alle deutschen Kreise so weit weg von Ischgl wie der Kreis Vorpommern-Rügen, gäbe es in Deutschland fast 50 Prozent weniger Infektionen mit dem Coronavirus“, schätzte IfW-Präsident Gabriel Felbermayr ein.

Prof. Gabriel Felbermayr, Ifo-Zentrum für Außenwirtschaft. Foto: Ifo

Prof. Gabriel Felbermayr, Ifo-Zentrum für Außenwirtschaft. Foto: Ifo

IfW-Präsident Gabriel Felbermayr: „Nach den anfänglichen Infektionen durch heimkehrende Skifahrer gab es keine weitere geografische Verbreitung.“

Mögliche Interpretation: Das De-Facto-Reiseverbot innerhalb Deutschlands hat letztlich gewirkt. Und auf anderen Wegen kam Corona wohl weit seltener ins Land als anfänglich durch die Skiurlauber. „Nach den anfänglichen Infektionen durch heimkehrende Skifahrerinnen und Skifahrer gab es keine weitere geografische Verbreitung“, hieß es vom IfW. Das deute darauf hin, dass die Lockdown-Maßnahmen wirksam dazu beigetragen hätten, die Mobilität zu verringern und eine weitere Verbreitung des Virus in den deutschen Bundesländern zu verhindern.

Beispiel Vietnam: Rückreiseverkehr nach Tet-Fest wurde unterbunden, Infektionsraten blieben niedrig

Dies deckt sich zumindest teilweise mit Erfahrungen in anderen Ländern wie Vietnam, wo die Regierung den Rückreise-Verkehr zwischen den Städten nach dem Tetfest Ende Januar rasch abgeschnürt hatte. Bis heute hat Vietnam nur insgesamt 327 Infizierte gemeldet und keinen einzigen Toten – obwohl dort die Abstandsregeln und Ausgangssperren anscheinend weit weniger eingehalten wurden als in Deutschland.

Wuhan-Quarantäne verhinderte nicht mehr die Pandemie, bremste Corona aber in China aus

Auch der Verlauf im Corona-Ursprungsland China deutet darauf hin, dass Mobilitätseinschränkungen zwischen den Städten und Regionen besonders effektiv unter den Seucheneindämmungs-Maßnahmen waren. Denn nachdem die KP-Spitze in Peking die Millionenstadt Wuhan fast vollständig isolierte und viele innerchinesische Verkehrsverbindungen kappte, verlangsamte sich die Ausbreitung von Covid19.

All dies nährt zumindest die Hypothese, dass eine rasche Quarantäne von Ischgl oder raschere generelle Mobilitätsbeschränkungen über regionale Grenzen hinaus die Corona-Ausbreitung in Deutschland spürbar hätte eindämmen können.

Forscher: Langsame Reaktion in Ischgl war fatal

„Das Beispiel Ischgl zeigt, dass die eher langsame Reaktion auf die Corona-Infektionen in Ischgl fatal war“, kritisierten die IfW-Wissenschaftler. „Schon am 5. März 2020 hat das erste europäische Land den Skiort als Risikogebiet eingestuft. Trotzdem wurden erst neun Tage später Quarantäne-Maßnahmen eingeleitet – der komplette Lockdown folgte noch später. Daten vom 20. März 2020 zeigen, dass ein Drittel aller Fälle in Dänemark und ein Sechstel aller Fälle in Schweden auf Ischgl zurückgeführt werden konnten.“

RKI-Daten aus Landkreisen mit Distanz zu Corona-Hochburgen in Relation gesetzt

Für die Studie hatten IfW-Präsident Gabriel Felbermayr sowie seine Kollegen Julian Hinz und Sonali Chowdhry Infektionsdaten des Robert-Koch-Instituts aus 401 deutschen Landkreisen mit der Distanz zu verschiedenen Corona-Hochburgen wie eben Ischgl, Heinsberg oder Mulhouse/Grand-Est an der deutsch-französischen Grenze verglichen. Nur im Falle von Ischgl war ein signifikanter Zusammenhang erkennbar.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IfW, Vietnam-Oiger.de

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt