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Was macht die Cyberwelt aus uns?

Die Entwicklung von Lara Croft aus der Spielereihe "Tomb Raider" in den Technischen Sammlungen Dresden, Sonderausstellung "Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft" Foto: Heiko Weckbrodt

Die Entwicklung von Lara Croft aus der Spielereihe „Tomb Raider“ in den Technischen Sammlungen Dresden, Sonderausstellung „Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft“. Foto: Heiko Weckbrodt

Sonderschau über Computerspiele im Technikmuseum

Dresden, 13. September 2019. Dass Spielen mehr ist als Kinderkram, vielmehr auch der Erwachsene ein „homo ludens“ ist, hat sich als Idee längst in den Köpfen festgesetzt. Doch umstritten sind und bleiben die Computerspiele: Den Einen sind sie Zeitverschwendung, eine Betonierung altmodischer Geschlechterrollen, wenn nicht gar Amok-fördernde Gewaltphantasien. Den Anderen sind sie eine Kunstform für sich, ein artifizieller Ort, um die Ärgernisse des Alltags zu vergessen und sich abzureagieren. Die Technischen Sammlungen Dresden haben diesem Phänomen nun eine Sonderausstellung gewidmet: Unter dem Titel „Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft“, angelehnt an Aldous Huxleys dystopischen Roman „Schöne Neue Welt“ von 1932, lädt das Technikmuseum in Striesen zu einer Zeitreise durch 70 Jahre Videospiel ein. Bis zum 24. November können die Besucher dort Spieleklassiker wie „Pong“, „Doom“ oder Tetris“ zocken, mit studentischen Live-Spielern über das Für und Wider der Videospielerei diskutieren und die sächsischen Beiträge zum Genre erkunden.

Kuratorin Kathryn Babeck hat die Sonderausstellung "Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft" in den Technischen Sammlungen Dresden entworfen. Foto: Heiko Weckbrodt

Kuratorin Kathryn Babeck hat die Sonderausstellung „Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft“ in den Technischen Sammlungen Dresden entworfen. Foto: Heiko Weckbrodt

Kuratorin will „eine gesellschaftliche Debatte anstoßen“

„Wir wollen mit dieser Ausstellung eine gesellschaftliche Debatte anstoßen“, erklärte Kuratorin und Maîtrise Kathryn Babeck gestern zum Auftakt in den ehemaligen Kamerawerken an der Junghansstraße. Immerhin jeder vierte Deutsche verbringe mehr oder weniger Zeit mit Computerspielen – die insofern längst ein Massenphänomenen seien, gleichzeitig aber auch ein vieldiskutiertes. „Machen uns die Computerspiele süchtig, gewalttätig und unfrei? Oder erweitern Sie unseren Horizont?“, umreißt Babeck mögliche Pole des Diskurses, den sie mit ihrer Schau gerne anregen will.

Prof. Dr. Stefan Gumhold von der TU Dresden spielt die Spielelegende "Pong" in der Sonderausstellung "Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft" in den Technisches Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Dr. Stefan Gumhold von der TU Dresden spielt die Spielelegende „Pong“ in der Sonderausstellung „Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft“ in den Technisches Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Wie weit verschmelzen wir mit unserem Avatar in der virtuellen Welt?

Diese Fragen würden sich durch neue Technologien auch noch einmal ganz anders stellen, meint Computergraphik-Professor Stefan Gumhold von der TU Dresden – und verweist auf die Datenbrillen, mit denen Spieler in „Virtuelle Realitäten“ (VR) abtauchen können mit ihrer ganz eigenen Suggestivkraft. „Was tut diese Technologie mit uns?“, fragt er sich. Und: „Verlieren wir in VR-Spielen einen Teil unserer Persönlichkeit, weil wir so eins werden mit unserem Avatar?“

Prof. Dr. Uwe Aßmann, Dekan der Fakultät Informatik, Technische Universität Dresden in den Technischen Sammlungen Dresden, Sonderausstellung "Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft" Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Dr. Uwe Aßmann, Dekan der Fakultät Informatik, Technische Universität Dresden
in den Technischen Sammlungen Dresden, Sonderausstellung „Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft“ Foto: Heiko Weckbrodt

TU Dresden erwägt Studiengang für Spiele-Entwicklung

Zugleich seien Videospiele ebenso wie erweiterte, virtuelle und gemischte Welten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden, ergänzt der Dresdner Informatik-Dekan Prof. Uwe Aßmann. „Auch deshalb diskutieren wir bei uns an der Fakultät, einen neuen Studiengang zu etablieren.“ Ausbilden wollen die TU-Professoren aber nicht unbedingt Ballerspiel-Kreatoren, sondern eher Schöpfer sogenannter „Serious Games“, also „ernster Spiele“. Gemeint sind damit Programme, die zum Beispiel Epileptikern spielerisch helfen, die Kontrolle über ihrer Körper zu verbessern, oder die Arbeitern neue Qualifikationen im Spiel beibringen.

Master-Student Paul Bustos zockt den Ballerspiel-Klassiker "Doom" als Livespieler und Erklärrer für die Besucher der Sonderausstellung "Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft" in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Master-Student Paul Bustos zockt den Ballerspiel-Klassiker „Doom“ als Livespieler und Erklärer für die Besucher der Sonderausstellung „Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft“ in den Technischen Sammlungen Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Im Begleitprogramm und in der Sonderschau selbst finden sich neben solchen ökonomischen Sichtweisen auch philosophische, künstlerische und ethische Diskussionen. „All dies ist nicht abschließend, sondern eher der Ausgangspunkt für eine breite Diskussion über Computerspiele in unserer Gesellschaft“, hofft Museumsdirektor Roland Schwarz.

Oszillator-Röhenmonitor-Spiel in den Technischen Sammlungen Dresden, Sonderausstellung "Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft" Foto: Heiko Weckbrodt

Oszillator-Röhenmonitor-Spiel in den Technischen Sammlungen Dresden, Sonderausstellung „Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft“. Foto: Heiko Weckbrodt

Kurzüberblick:

  • Ausstellung: „Schöne neue Cyberwelt? Computerspiele und Gesellschaft“
  • Wo? Technische Sammlungen Dresden, Junghansstraße 1-3
  • Wann? Bis 24. November 2019, Dienstag bis Freitag 9-17 Uhr, Samstag/Sonntag/feiertags 10-18 Uhr, montags geschlossen
  • Eintritt: Fünf Euro, ermäßigt vier Euro
  • Mehr Infos: tsd.de/index.php?id=206

Autor: hw

Quellen: Vor-Ort-Recherche, TSD

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt