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Sunfire Dresden plant neue Fabrik für Ökosprit-Anlagen

Die Stack-Produktion bei Sunfire Dresden erfolgt bisher weitgehend manuell: Aus den Zellen stapelt die Mitarbeiter die Kerne für Brennstoffzellen und Elektrolyse-Anlagen. Foto: Frank Grätz für Sunfire

Die Stack-Produktion bei Sunfire Dresden erfolgt bisher weitgehend manuell: Aus den Zellen stapelt die Mitarbeiter die Kerne für Brennstoffzellen und Elektrolyse-Anlagen. Foto: Frank Grätz für Sunfire

Unternehmen will zur Finanzierung neues Risikokapital einsammeln

Dresden, 1. November 2018. Sunfire Dresden plant eine neue Fabrik für Elektrolyse-Anlagen, die aus Ökostrom, Wasser und Kohlendioxid künstliche Treibstoffe erzeugen. Entstehen sollen dadurch mehrere Hundert neue Arbeitsplätze. Da das Unternehmen selbst immer noch Verluste schreibt, will die Geschäftsführung das fünf bis zehn Millionen Euro teure Werk durch Risikokapitalisten finanzieren lassen. Das hat der kaufmännische Geschäftsführer Nils Aldag angekündigt.

Nachtrag: Im Nachhinein hat das Unternehmen die Pläne stark relativiert und von zahlreichen Bedingungen abhängig gemacht. So will Unternehmen nur bauen, wenn es genug Aufträge bekommt, das Risikokapital dafür erhält, sich der Markt für synthetischen Treibstoff verbessert und Gesetze so geändert werden, dass dieser Treibstoff ähnliche Privilegien wie Wasserstoff- oder batteriebetriebene Autos bekommt.

Auftrag für E-Crude-Anlagen in Norwegen

„Unsere Kapazitäten, wie wir sie jetzt in Dresden haben, reichen nicht aus, um zum Beispiel die Aufträge in Norwegen abzudecken“, erklärte er. Dorthin sollen die Sachsen spezielle Elektrolyse-Anlagen liefern. Diese Anlagen werden in Skandinavien mit Öko-Strom aus Wasserkraftwerken gefüttert. Sie spalten dann bei hohen Temperaturen gewöhnliches Wasser in Sauerstoff und den Energieträger Wasserstoff auf. Durch die spezielle keramische Bauweise und den Hochtemperatur-Betrieb geschieht dies effizienter als in traditionellen Elektrolyse-Anlagen. Durch die Zugabe von Kohlendioxid aus der Luft oder aus Fabrikschloten kann der Wasserstoff schließlich zu einem dieselähnlichen Basis-Treibstoff („E-Crude“) gewandelt werden. Aus diesem letzten Schritt leitet sich auch wesentlich der Anspruch ab, CO2-neutral zu sein: Treibt der Synthie-Sprit später ein Auto, Schiff oder Flugzeug an, soll nicht mehr Abgas freiwerden als bei seiner Produktion gebunden wurde.

Sunfire Finanzchef Nils Aldag- Foto: Frank Grätz für Sunfire

Sunfire Finanzchef Nils Aldag- Foto: Frank Grätz für Sunfire

Neue Fabrik soll Produktionsausstoß verzehnfachen

Angesichts dieser winkenden Aufträge steht für Sunfire der besagte Fabrikneubau zur Debatte. Das neue Werk soll fünf- bis zehnmal soviel Kapazität haben wie die heutige Produktionsstätte in Dresden-Reick, erklärte Finanzchef Aldag. Es soll dann Elektrolyse-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 75 bis 100 Megawatt pro Jahr herstellen können. Hinter der Investition stehen allerdings noch zahlreiche Fragezeichen: Neben der Finanzierung sind auch der Standort und wichtige Abnehmer noch nicht abgesichert.

Nicht mehr genug Fachkräfte in Dresden?

So würden die Sunfire-Gründer Nils Aldag, Carl Berninghausen und Christian von Olshausen das Werk laut eigenem Bekunden gern am Heimatstandort in Dresden errichten. Sie fürchten allerdings, in der sächsischen Landeshauptstadt nicht mehr genug Fachkräfte dafür zu finden. Daher erwägen sie, alternativ in der Lausitz oder in Tschechien zu investieren.

Die Pilotanlage von Sunfire in Dresden-Reick hat mit der Dieselproduktion aus Luft, Wasser und Ökostrom begonnen. Foto: Sunfire/ Cleantech Media

Die Pilotanlage von Sunfire in Dresden-Reick für die Dieselproduktion aus Luft, Wasser und Ökostrom. Foto: Sunfire/ Cleantech Media

Aus für die Braunkohle könnte Chance für Elektro-Treibstoff-Fabrik sein

Vor allem in der Lausitz sieht die Gründerriege gute Chancen für solch eine Fabrik: Dort dürften sich bald viele geschulte Kraftwerks- und Tagebau-Fachleute nach neuen Jobs im Anlagenbau umschauen, weil der Braunkohle-Ausstieg sichtlich naht. Zudem könne das Reviermoderne Technologien für die Energiewende im großen Maßstab testen, meint Aldag. Das müsse eben nicht zwingend nur eine Großfabrik für Autobatterien sein, um die sich Bund und Länder derzeit so sehr bemühen. Sunfire plädiert vielmehr dafür, in der Lausitz eine „Gigafabrik“ für Elektrolyse-Anlagen anzusiedeln. „Deutschland ist in der Elektrolyse-Technologie derzeit führend“, betonte der Sunfire-Finanzchef ein. Diesen Vorsprung im Anlagenbau dürfe gerade Sachsen nicht aufgeben.

Norwegen-Projekt weiter wacklig

Neben diesen Standortfragen hängt der Fabrikbau aber auch wesentlich davon, ob und wann zwei Großaufträge tatsächlich zustande kommen, mit denen Sunfire rechnet: Einerseits sind die 85 Millionen Euro Kapital für das bereits mehrfach angekündigte Projekt „Nordic Blue Crude“ in Norwegen immer noch nicht beisammen. Dies liegt auch an langwierigen Diskussionen darüber, wie EU und Mitgliedsländer die Umweltbilanz der 8000 Tonnen E-Crude bewerten, die das Konsortium in Norwegen erzeugen will. Diese Bewertung entscheidet aber wiederum wesentlich darüber, ob die projektierte 20-Megawatt-Anlage den synthetischen Treibstoff überhaupt massenhaft verkaufen kann: Nur wenn Autovermieter, Reedereien und andere Kraftstoffverbraucher den synthetischen Treibstoff als Öko-Beitrag abrechnen dürfen, hat das relativ teure E-Crude überhaupt Marktchancen.

Elektrisches Kerosin für Flughafen

Andererseits schlagen die Dresdner ein Großprojekt vor, das Mitteldeutschland zu einem Beispiel für elektrisch erzeugtes Flugzeug-Kerosin machen könnte: „Wir wollen praktische Anwendungsbeispiele für die Luft- und Schifffahrt schaffen“, sagte Aldag. Daher möchten die Sunfire-Manager für einen Flughafen, zum Beispiel für Leipzig-Halle, eine größere Version ihrer Dresdner Pilotanlage installieren. Deren E-Crude soll dann die nahe Raffinerie Leuna in Kerosin weiterverarbeiten. Mit diesem E-Kerosin könnten dann wiederum Fluglinien, die „CO2-neutrale Flüge“ anbieten wollen, ihre Flugzeuge betanken.

Sunfire macht weiter Verluste

Und auch die Finanzierung der neuen Sunfire-Fabrik ist noch zu klären: Bisher macht das 2010 gegründete Unternehmen, das inzwischen rund 120 Mitarbeiter beschäftigt, noch immer keine Gewinne. Die Jahres-Umsätze stagnierten zuletzt bei rund fünf Millionen Euro. Bisher konnten die Dresdner nur Nischen- und Testanlagen verkaufen, darunter sechs Elektrolyse-Container für die Wasserstoff-Erzeugung zum Beispiel für das Salzgitter-Stahlwerk. Erste Prototypen für den Heimgebrauch sollen 2019 testweise installiert werden. Aus Pilotprojekten mit Audi und Boeing haben sich bislang allerdings keine Großaufträge ergeben. Das bisher eingesammelte Risikokapital ist inzwischen nahezu aufgebraucht.

Neue Finanzierungsrunde soll 25 Millionen einspielen

„Wir befinden uns daher gerade in einer neuen Finanzierungsrunde“, teilte Aldag mit. Es zeichne sich ab, dass die bisherigen Risikokapital-Geber frisches Geld nachschießen werden. Auch ein großer Anlagenbauer habe signalisiert, sich womöglich an Sunfire zu beteiligen. „Insgesamt brauchen wollen wir rund 25 Millionen Euro“, informierte der Finanzchef. Bis zu 40 Prozent davon wollen die Gründer in die neue Fabrik investieren, den Rest vor allem in die Weiterentwicklung der Sunfire-Technologien und -Produkte. Das sollte dann auch reichen, um die Zeit bis zu den ersten nennenswerten eigenen Gewinnen zu überbrücken, sagte Aldag.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt